Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Ich finde, jetzt muss ein neuer Wind rein“
Ex-Welfenfestkommissionschef Rolf Steinhauser über seinen Abschied, Traditionen und Gleichberechtigung
WEINGARTEN - Fast 15 Jahre war Rolf Steinhauser Chef der Welfenfestkommission. Nun hat er das Amt aufgegeben und will Jüngeren Platz machen. Seine Nachfolgerin ist Parinda Staudacher-Rall und damit ist zum ersten Mal in der Geschichte des Weingartener „Schüler- und Heimatfests“eine Frau an der Spitze. Im Interview mit SZ-Redakteur Markus Reppner blickt der 53-Jährige auf seine Amtszeit zurück, auf Meilensteine, wagt einen Blick in die Zukunft und spricht über die Beweggründe für seinen Rückzug, der aber kein wirklicher ist.
Herr Steinhauser, sie waren fast 15 Jahre lang der Erste Vorstand der Welfenfestkommission. Wie kam es dazu, dass Sie sich überhaupt für dieses Amt entschieden haben?
Im Grunde genommen bin ich auf dem Festplatz aufgewachsen (lacht). Mein Vater hat die „Rutsche“gebaut und war lange Zeit Vizevorstand der Kommission. Als 1991 mein Vater gestorben ist, habe ich nach vier, fünf Jahren die Wartung der Rutsche übernommen. Ich wollte dann in die kleine Kommission und habe ein Amt übernommen. Ich habe mich da um die Organisation des Festplatzes mit den ganzen Essensständen und Schautellern gekümmert. Als mein Vorgänger Sepp Kraus nach 10 Jahren als Vorsitzender gesagt hat, er möchte aufhören, hat sich zwei Jahre lang niemand gefunden, bis ich gesagt habe, ich kann mir das vorstellen. 2005 habe ich mich dann zur Wahl gestellt.
Und jetzt hören Sie auf. Warum? Das hat berufliche und familiäre Grunde. In meiner Zimmerei habe ich mittlerweile nur noch einen Mitarbeiter von ursprünglich einmal sechs. Fachkräfte sind nur sehr schwer zu bekommen, ich muss also mehr anwesend sein. Und ich finde, jetzt muss auch mal wieder ein anderer Wind und neue Ideen rein.
Sie sagen, es muss ein frischer Wind rein. wie sehen Sie denn die Zukunft des Welfenfestes? Wird die Tradition bleiben oder wird sich das erneuern?
Erneuern wird sich das Welfenfest nicht. Obwohl das Fest ja seit 2011 einen neuen Namen hat, bleibt es ein historisches Schüler- und Heimatfest. Man muss die Traditionen wahren und trotzdem leichte Veränderungen vornehmen. So wie wir das mit dem Namen und beispielsweise dem Welfentheater gemacht haben.
Stichwort Tradition: In Ravensburg gibt es sei einiger Zeit die Diskussion, ob Mädchen bei den Trommlern dabei sein dürfen oder sollten. Wie sehen Sie das in Bezug auf das Welfenfest?
Beim Welfenfest gibt es nur eine Gruppe, in der es nur Jungs gibt. Das sind die Gymnasiasten. In allen anderen sind Mädchen oder Frauen dabei. Prinzipiell finde ich es gut, dass man da keine Ausnahme mehr macht. Andererseits sollen die Gymnasiasten, die sich selbst verwalten, das selbst entscheiden. Ich frage mich, warum müssen die Mädchen in bestehende Strukturen hinein? Sie können doch ihren eigenen Trommlerzug gründen.
Eine Frau wird nun das Amt bekleiden. Zum ersten Mal in der Geschichte des Welfenfests. Glauben Sie, dass es da Vorbehalte gibt? Nein, das gibt es bei uns nicht. Ein Vorstand muss in erste Linie den Kopf hinhalten (lacht), den Überblick haben, die Verbindung zur Stadt halten und die Finanzen im Griff haben, vor allem, dass auch Geld reinkommt, sprich, sich um die Sponsoren kümmern. Das kann eine Frau ebenso gut wie ein Mann.
Wenn Sie auf Ihre Amtszeit zurückblicken, was sind da Ihre persönlichen Highlights?
Ich habe das Amt mit einem recht großen Abmangel übernommen, wir hatten Schulden. Das haben wir jetzt nicht mehr. Worauf ich stolz bin, ist die Namensgebung, als 2011 aus dem „Schüler- und Heimatfest“das „Welfenfest“wurde. Ohne diesen Namen würde es heute kein Welfentheater und keinen Welfengarten geben. Der würde dann „Kindergarten“heißen (lacht). Wir haben mit der Namensgebung eine Marke geschaffen, mit der sich viel besser spielen lässt. Damit ist viel Neues dazugekommen, gerade für die Kinder und Schüler. Die Namensgebung war harte Arbeit.
Und wie kamen Sie auf den Namen?
Wir haben uns damals von dem Weingartener Historiker Hans Ulrich Rudolf beraten lassen. Der „Welf“hat zwar heute mit unserer Stadt eigentlich nichts mehr zu tun. Aber er hat uns ganz klar zu verstehen gegeben: Ohne Welf kein Kloster, keine Handwerker, die Stadt hätte es so nicht gegeben. Der Name ist also mit Weingarten verwurzelt. Deswegen ist es dabei geblieben.
Gab es auch schwierige Situationen?
Nach dem Unglück bei der Love-Parade 2010 in Duisburg gab es Auflagen für ein neues Sicherheitskonzept. Wir sollten für das öffentliche Gelände verantwortlich sein und eine Versicherung unterschreiben. Das habe ich abgelehnt. Das ist ein städtisches Fest, wir helfen euch dabei, aber es kann nicht sein, dass ein Verein für öffentliche Flächen verantwortlich ist.
Wegen Corona hat das Welfenfest in diesem Jahr in seiner traditionellen Form nicht stattgefunden. Es wäre ihr letztes als Vorsitzender der Welfenfestkommission gewesen. Finden Sie das nicht ein bisschen schade?
Es ist nun mal so, dass der Vorstand alle vier Jahre gewählt wird. Mein Entschluss aufzuhören, stand schon vor Corona fest. Ich denke, es wird nächstes Jahr die Gelegenheit geben, meinen Abschied zu feiern.
Ist für Sie jetzt komplett Schluss oder werden Sie dem Welfenfest in irgendeiner Form erhalten bleiben?
Komplett Schluss mit der Welfenfestkommission? Nein, das geht gar nicht! Meine Frau ist weiterhin verantwortlich für den Festplatz und ich werde weiterhin das Theater aufbauen, und wenn mich jemand ruft, bin ich da. Mir ist wichtig, dass der Druck weg ist.