Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Eine absolute Ausnahmesituation“
Bezirksvorsitzender Nuri Saltik über den Wiederbeginn im Amateurfußball
RAVENSBURG - Bei Nuri Saltik steht das Telefon mal wieder nur ganz selten still, sein elektronisches Postfach quillt über. Einige Wochen hatte der Vorsitzende des Fußballbezirks Bodensee ein bisschen Ruhe, als das Coronavirus alle zum Innehalten zwang. Seit aber die neue Saison immer näher rückt und die ersten Spiele wieder terminiert werden, im Pokal sogar der Ball wieder rollt, muss Saltik wieder erklären, vermitteln und vertrösten. Und er muss als Beirat im Vorstand des Württembergischen Fußballverbands (WFV) große Entscheidungen treffen. Mit Saltik hat Michael Panzram über die vergangenen Wochen und die anstehende Saison gesprochen.
Herr Saltik, der Ball rollt wieder, am vergangenen Wochenende haben die ersten Pokalspiele auf Bezirksebene stattgefunden. Sind Sie zufrieden?
Ich habe wegen der Entwicklung der Corona-Pandemie immer noch ganz leichte Bauchschmerzen. Wenn die Hygienevorschriften eingehalten werden, ist es aber zu verantworten, dass jetzt wieder gespielt wird.
Die Ansteckungsgefahr ist längst nicht gebannt, richtiges Training war zudem vor den ersten Spielen kaum möglich. Halten Sie es unter diesen Bedingungen nicht für eine Zumutung für diejenigen, die daran beteiligt sind – die vielen Ehrenamtlichen, die Spieler?
Die Gesellschaft hat danach verlangt. Das Leben muss ja weitergehen, auch das sportliche Leben. Und weil das Infektionsgeschehen bei uns in der Region weitestgehend unter Kontrolle ist, von kleinen Ausbrüchen abgesehen, war es zu verantworten, dass wieder gespielt wird. Grundsätzlich gehöre ich aber zu denjenigen, die eher zur Vorsicht mahnen.
Ist es aus Ihrer Sicht eine gute Entscheidung gewesen, die unterbrochenen Pokalwettbewerbe auszuspielen und in Kauf zu nehmen, dass etwa auf Verbandsebene alter und neuer Wettbewerb kollidieren?
Der Bezirksvorstand wollte eigentlich die alten Wettbewerbe aussetzen. Ich persönlich war auch skeptisch, ob wir den Bezirkspokal weiterspielen sollen. Das bin ich immer noch. Letztlich haben die Vereine sich aber gewünscht, dass gespielt und nicht per Los entschieden wird. Wir haben dem entsprochen und es den Vereinen überlassen, ob sie teilnehmen. Das beruhte auf Freiwilligkeit. Zurückgezogen hat deshalb der SV Seibranz, der eigentlich für das Bezirkspokal-Viertelfinale qualifiziert war. Eine Bedingung hatte ich allerdings an die Mannschaften, die spielen wollten: Keiner sollte sich beschweren, wenn es wegen der Ansetzungen schwierig mit Terminen wird, weil es der Spielplan nicht anders hergibt. Auch für die kommende Saison muss jedem klar sein, dass wir ein anspruchsvolles Programm vor uns haben.
In zwei Ligen – der Landesliga IV und der Bezirksliga Bodensee – wird mit einer Einfachrunde und anschließender Meister- beziehungsweise Abstiegsrunde gespielt. Was halten Sie von diesem Modus?
Wir vom Bezirksvorstand haben gesagt, dass wir den Weg unserer Vereine mitgehen. Wir sind schließlich gewählte Vertreter. Die Spielordnung des Württembergischen Fußballverbands hat so einen Modus bisher nicht hergegeben, deswegen musste sie geändert werden. Die Mehrheit der Vereine aus der Landesliga und der Bezirksliga hat sich dafür ausgesprochen, die Einfachrunde zu spielen. Diesen Antrag haben wir in den WFV-Beirat eingebracht und der hat ihm stattgegeben.
Glauben Sie, dass dieser Modus dauerhaft beibehalten werden könnte?
Das ist nicht Sinn und Zweck davon. Wir befinden uns in einer absoluten Ausnahmesituation. Wir wollen mit dem neuen Modus die Situation in den Ligen mit 20 Mannschaften entspannen und dann wieder zur alten Struktur zurückkehren. Mann muss sich das mal vorstellen. Wenn wir die kommende Saison ganz normal gespielt hätten, wären auf uns 38 Spieltage zugekommen plus Sommerund Winterpause. Das halte ich nicht für durchführbar, vor allem nicht im Allgäu. Das hätte auch viele Wochenspieltage zur Folge gehabt, was auch nicht ideal ist.
Der WFV hat auch so etwas wie einen Corona-Paragraphen eingeführt. Was hat das für einen Vorteil?
Einen einzelnen Paragraphen dazu gibt es zwar nicht, aber es sind einige Änderungen in der Spielordnung vorgenommen worden – für den Fall, dass so etwas wieder passiert. Wenn es wieder einen verbandsweiten Shutdown geben sollte, würde bei mehr als 50 Prozent gespielter Spiele die Quotientenregel greifen, bei weniger als 50 Prozent würde die Saison annulliert. Es gäbe zudem nicht nur Aufsteiger, sondern auch Absteiger.
Das wissen die Vereine jetzt vorher, damit es hinterher keine Probleme und Beschwerden geben kann. Die rechtlichen Grundlagen im Falle einer erneuten Pandemie sind somit geschaffen.
Sie haben gesagt, dass Sie immer noch ganz leichte Bauchschmerzen haben, wenn jetzt wieder Fußball gespielt wird. Wie geht es Ihnen mit dem Bezirkspokalfinale, das für 1. August in Leutkirch angesetzt ist und zu dem bis zu 500 Menschen kommen dürften? Wenn die Hygienevorschriften eingehalten werden, ist das alles in Ordnung. Der Veranstalter weiß, was er zu tun hat. Es wird personalisierte Eintrittskarten geben, zudem herrschen auf der Tribüne die bekannten Abstandsregeln.
Der FC Leutkirch hat das Finale bereits zugesprochen bekommen, als er selbst noch im Wettbewerb stand. Wie kam es dazu?
In dieser einzigartigen Ausnahmesituation müssen wir froh sein, dass es überhaupt einen Verein gab, der sich bereit erklärt hat, diese Aufgabe zu übernehmen. Wir sind dem FC Leutkirch deshalb sehr dankbar. Und da die Mannschaft ja inzwischen ausgeschieden ist, wird es auch keinen Heimvorteil geben.