Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
US-Baseballer starten mit vielen Zweifeln und Fragen
Wie bei den MLS-Fußballern und NBA-Basketballern ging es zu Beginn vor allem um Rassismus
WASHINGTON (dpa/SID) - In den beiden ersten Partien der um Monate verzögerten US-Profiliga MLB haben auch die Baseball-Teams mit Gesten gegen Rassismus protestiert. Am Donnerstag (Ortszeit) gingen die Spieler vor dem Beginn jeweils nahezu geschlossen auf ein Knie und hielten dabei ein langes schwarzes Stoffband. Vor der Niederlage von Titelverteidiger Washington Nationals gegen die New York Yankees standen die Baseballprofis für die Nationalhymne wieder auf. In Los Angeles beim Duell der Dodgers gegen die San Francisco Giants knieten einige Spieler aus beiden Teams auch während der Hymne in den wegen der Corona-Krise leeren Stadien.
Zahlreiche Spieler hatten zudem einen oder zwei Aufnäher auf dem Ärmel. Auf einem stand „Black Lives Matter“(Schwarze Leben zählen), auf dem anderen „United for Change“(Vereint für den Wandel). Auf dem Rücken der Wurfhügel war in den Stadien ein abgewandeltes und in schwarz gehaltenes Logo der Liga zu sehen mit der Abkürzung BLM anstelle des üblichen MLB – als Abkürzung von „Black Lives Matter“.
Football-Profi Colin Kaepernick hatte 2016 mit dem Kniefall während der Hymne gegen Rassismus und Polizeigewalt gegen Afroamerikaner protestiert. Seit dem Tod von George Floyd durch einen weißen Polizisten gibt es landesweit Proteste gegen Rassismus. Zahlreiche Sportler und ihre Ligen haben sich klar positioniert. Basketball-Superstar LeBron James sprach sich beim Turnier der NBA in Disney World ebenfalls entschieden gegen Rassismus aus. James sprach nach dem Testspiel seiner Los Angeles Lakers nahezu ausschließlich über das Schicksal von Breonna Taylor, einer 26 Jahre alten Afroamerikanerin, die bei einem Polizeieinsatz im März in ihrer eigenen Wohnung erschossen worden war. „Ich möchte, dass die Polizisten verhaftet werden, die dieses Verbrechen begangen haben“, sagte James.
Auch die Frage nach der Energie auf dem Feld und wie es sei, ohne Fans zu spielen, beantwortete er unter Bezugnahme auf den Fall, der bei den Protesten gegen Rassismus und Polizeigewalt in den USA derzeit fast so präsent ist wie der Tod George Floyds. „Die gleiche Energie, die wir auf dem Platz haben, haben wir auch in Richtung Breonna Taylor.“Die Worte von James sind wichtig. „Wenn er spricht, hört die ganze Welt zu“, sagte James’ Teamkollege Anthony Davies.
Keine Frage: Derzeit äußern sich Profisportler aus aller Welt so entschieden gegen Rassismus wie noch nie. Mit ihren Worten und Gesten stoßen James und Co. aber nicht überall auf Zustimmung. US-Präsident Donald Trump etwa ist ein großer Kritiker des Knieens während der Hymne und hatte zuletzt angekündigt, Spiele, bei denen dies der Fall ist, nicht mehr anschauen zu wollen. Vor dem ersten Spiel zwischen den Nationals und den Yankees kündigte Trump an, er werde am 15. August bei einem Heimspiel der Yankees den symbolischen ersten Ball werfen. Diese Ehre war zum Saisonstart dem Corona-Experten Anthony Fauci zuteil geworden. Das darf durchaus als Ironie des Schicksals gelten. Fauci wurde wegen seiner Äußerungen zur Corona-Krise in den USA von einigen als „Stimme der Vernunft“bezeichnet – von Trump wurde der Virologe dagegen mehrfach scharf angegangen. Beim traditionellen first pitch machte der 79 Jahre alte Direktor des Nationalen Instituts für Infektionskrankheiten keine gute Figur – Fauci verfehlte den Fänger um mehrere Meter.
Im Anschluss verloren die Nationals 1:4. Das Team aus der Hauptstadt musste ohne einen seiner besten Spieler antreten. Juan Soto war positiv auf das Coronavirus getestet worden. Probleme für die MLB gibt es viele. Zahlreiche Trainingseinheiten in der Vorbereitung wurden wegen zu lange dauernder Auswertung der Corona-Tests abgesagt – die Spieler zeigten sich verunsichert und unzufrieden. Einige verzichten auf die Saison, wie Starwerfer David Price. Der 34 Jahre alte Pitcher der Los Angeles Dodgers hat sich seiner und der Gesundheit seiner Familie zuliebe entschieden, die Saison lieber auszulassen.
Die MLB geht ohnehin ein Wagnis ein. Im Gegensatz zu den Profiligen NBA (Basketball) und MLS (Fußball), die ihre Saison im Juni und Juli auf dem gewaltigen Areal von Disney World in Orlando/Florida unter strengen Hygieneauflagen in einer Blase fortsetzen, spielen die MLBClubs in ihren heimischen Stadien ohne Publikum. Der Plan ist zumindest für eine Mannschaft aber schon Makulatur. Die Toronto Blue Jays, einziger MLB-Club aus Kanada, darf nicht im eigenen Stadion spielen, denn Kanadas Regierung verfügte, dass Mannschaften aus den USA nicht einreisen dürfen. Die Blue Jays werden also in USA spielen müssen. Wo, ist nach wie vor unklar.
Vom jährlichen Umsatz von 10,5 Milliarden US-Dollar haben sich die 30 Clubs aber längst verabschiedet. Damit wenigstens etwas Geld hereinkommt, wird nun wieder geschlagen, gefangen, geworfen und gerannt – doch auch mit Symbolfigur Fauci bleibt die Frage: Wie lange wird das gut gehen?
„Wenn er spricht, hört die ganze Welt zu.“
NBA-Star Anthony Davies über seinen Mitspieler LeBron James