Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Bergstiefel, Lotus-Schuhe und Boris Beckers Treter
Eine Schuhausstellung der besonderen Art erwartet Besucher im Knauf-Museum im fränkischen Iphofen
IPHOFEN (dpa) - Markus Mergenthaler nimmt einen sichtlich gebrauchten Turnschuh aus einer Vitrine. Das Profil der Sohle ist verdreckt. „Da hängt noch Gras dran, Gras von Wimbledon“, erzählt der Leiter des Knauf-Museums stolz. Der dreimalige Wimbledon-Champion Boris Becker (52) trug die Sportschuhe bei seinem legendären ersten Sieg auf dem Heiligen Rasen 1985. Zusammen mit rund 80 Exponaten wird der Schuh in der Sonderausstellung „Schuh-Stories“präsentiert.
„Es ist keine klassische Schuhausstellung“, erklärt der Museumsleiter,
„alle Schuhe der Ausstellung erzählen eine Geschichte.“Dazu gehören etwa die legendären Herrenschuhe vom früheren FDPChef Guido Westerwelle (1961-2016), auf deren Sohlen vor der Bundestagswahl 2002 das Wahlziel von 18 (Prozent) prangt. Direkt daneben steht ein Schuh von Parteifreund Hans-Dietrich Genscher (1927-2016). Der frühere Außenminister trug ihn bei seiner berühmten Prager Balkonrede 1989 vor Tausenden DDR-Bürgern. Ausgestellt ist nur der linke Schuh, „der andere ist verschollen“, sagt Mergenthaler.
Die ausgetretenen, braunen Stiefel des Asienreisenden und Schriftstellers Heinrich Harrer (1912-2006) erzählen von den Strapazen des Mannes, der seine erste Berühmtheit mit 26 Jahren erlangt. 1938 gehört er zu den vier Bergsteigern, die als erste die fast 2000 Meter hohe EigerNordwand besteigen. Der Museumsleiter verweist auf Spezialschrauben in den Sohlen der Expeditionsschuhe, „weil Kleber sie nicht zusammengehalten hat“. Tausende Kilometer hat Harrer in den robusten Stiefeln zurückgelegt.
Die Geschichten rund um die Objekte aus Museen und von Privatleuten sind es, die den Kurator inspirierten. Ein roter Sportschuh erinnert an die Erfolge des früheren Formel-1Rennfahrers Michael Schumacher.
Der 51-Jährige ist nach einem schweren Skiunfall Ende 2013 aus der Öffentlichkeit verschwunden. Gezeigt werden zudem ein Schuh der brasilianischen Fußballlegende Pelé und ein weiterer von Fußballweltmeister Bastian Schweinsteiger.
Auch Stücke aus Film und Fernsehen hat das Museum zusammengetragen. Aschenbrödels Schuh aus dem deutsch-tschechischen Märchenfilm von 1972/1973 „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ist darunter. Oder Original-Stilettos der amerikanischen Schauspielerin Judy Garland (1922-1969). Lederstiefel des Apachenhäuptlings Winnetou finden sich neben aufwendig verzierten Mokassins nordamerikanischer Ureinwohner, die Schriftsteller Karl May (1842-1912) von einer Reise mitbrachte.
Beklemmend ist der Anblick farbenfroher Lotus-Schuhe aus China. In die seidenen Stücke mussten Frauen noch bis Anfang des vergangenen Jahrhunderts ihre durch Knochenbrüche und Abbinden deformierten Füße zwängen – unter massiven Qualen. Vornehmlich wohlhabende Leute steckten ihre Liebsten in die als erotisch geltenden Schühchen, wie Mergenthaler erzählt. „Gehen war damit nahezu unmöglich.“Lederne Schnabelschuhe aus dem Mittelalter zeugen davon, wie bedeutend das meist einzige Paar war, was die Menschen damals besaßen. „Umso länger die Schnäbel waren, umso reicher war der Besitzer.“
Nach Museumsangaben werden mittlerweile weltweit mehr als 20 Milliarden Paar Schuhe pro Jahr produziert. Viele Menschen besitzen mehrere Schränke voll. Mergenthaler fühlt sich da als Exot. „Ich selbst habe nur sieben Paar.“
„Alle Schuhe der Ausstellung erzählen eine Geschichte.“
Markus Mergenthaler, Museumsleiter