Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

In jeder Hinsicht überfällig

- Von Wolfgang Mulke wirtschaft@schwaebisc­he.de

Mit dem Verbot von Werkverträ­gen und Leiharbeit in den Fleischbet­rieben könnte die gnadenlose Ausbeutung der Arbeiter in diesen Werken endlich ein Ende finden. Das Gesetz ist überfällig. Die Zustände beim Schlachten und Zerlegen der Tiere sind lange bekannt. Die Wohnverhäl­tnisse der osteuropäi­schen Werkarbeit­er und ihre Arbeitsbed­ingungen sind es auch. Ohne die Corona-Ausbrüche in einigen Betrieben hätte die Bundesregi­erung auf Drängen der Agrarlobby wohl weiter weggeschau­t.

Das „Aufräumen“, wie es Arbeitsmin­ister Hubertus Heil nennt, kommt sehr spät und ist in Teilen auch nur halbherzig. So wird die Kontrolldi­chte in den Fleischbet­rieben zwar erhöht. Die Aufsichtsb­ehörden sollen jährlich bei fünf Prozent der Betriebe nach dem Rechten schauen. Doch gilt dies erst ab 2026. Das Risiko, bei Verstößen gegen das Arbeitsrec­ht erwischt zu werden, bleibt damit überschaub­ar. Als wirkungsvo­ll sollte sich dagegen die Vorgabe erweisen, dass die großen Schlachter­eien für die Beschäftig­ten verantwort­lich sind und die Schuld an Missstände­n nicht mehr auf Subunterne­hmen verlagern können. Unter dem Strich stehen die Chancen gut, dass Heil das Aufräumen gelingt.

Die Fleischwir­tschaft reagiert mit dem üblichen Argument, dass Fleisch nun teurer wird. Vielleicht wird es so sein, weil die Kosten für eine angemessen­e Entlohnung und menschenwü­rdige Arbeits- und Lebensbedi­ngungen zwangsläuf­ig höher sind als die Kosten für moderne Arbeitsskl­aven. Daraus die Forderung nach einer weiteren Ausbeutung abzuleiten, wäre dreist wie unmoralisc­h. Zudem sind Zweifel erlaubt, ob die Arbeitskos­ten bei der Preisbildu­ng für Schnitzel oder Wurst tatsächlic­h eine so große Rolle spielen wie behauptet wird.

Ein Problem bleibt allerdings bestehen: Die Ausbeutung der Tiere in der Verwertung­skette der Fleischind­ustrie bleibt unangetast­et. Auch hier sind die Fakten allesamt lange bekannt. Anzeichen für einen ernsthafte­n politische­n Willen, für ein weitreiche­ndes Tierwohl zu sorgen, sind leider nicht erkennbar.

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