Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Die Kandidatinnen des Kandidaten
Wen holt sich US-Demokrat Joe Biden an seine Seite? Sicher ist: Es wird eine Frau
Joe Biden will mit einer Frau antreten, die „meine Philosophie des Regierens“und die „systematischen Dinge, die ich verändern will“, teilt. Wichtig ist dem 78-jährigen neben der gleichen Wellenlänge vor allem, dass die Kandidatin ihn im Weißen Haus unmittelbar ersetzen kann. Darüber hinaus hat Biden in einem Interview mit MSNBC verraten, dass unter den ernsthaften Anwärterinnen vier schwarze Frauen sind. Das VP-Komitee hat nach Überprüfung der Bewerberinnen eine Gruppe von Finalistinnen empfohlen, mit denen Biden vor seiner Entscheidung noch einmal persönlich sprechen will. Alles andere bleibt Spekulation. Inklusive der nachfolgenden Rangliste der aussichtsreichsten Kandidatinnen.
Platz 10: Stacey Abrams
Die 46-jährige Afro-Amerikanerin aus Georgia machte sich national einen Namen mit ihrem starken Ergebnis bei den Gouverneurswahlen in dem Südstaat 2018. Sie unterlag dem Republikaner Brian Kemp nur hauchdünn mit 1,5 Prozent. Seitdem ist die bis dahin unbekannte Abrams eine Hoffnungsträgerin der Demokraten. Das größtes Manko der jüngsten Frau in den Top 10 ist ihre Unerfahrenheit auf Bundesebene.
Platz 9: Gretchen Whitmer
Die Gouverneurin von Michigan ist mit 48 Jahren nur zwei Jahre älter als Abrams, hat aber Regierungsverantwortung. Whitmer machte eine starke Figur während der Corona-Pandemie in dem wichtigen Wechselwähler-Staat, den Donald Trump 2016 knapp gewonnen hatte. Die weiße Politikerin gehört zum moderaten Flügel der Demokraten und kann Biden helfen, Michigan zurück zu erobern. Die Progressiven in der Partei sind weniger von Whitmer angetan.
Platz 8: Michelle Lujan Grisham Die Gouverneurin aus New Mexico ist die einzige Latina im Feld, deren Abgeordnetengruppe im US-Kongress Lujan Grisham bis zu ihrem Wechsel an die Spitze des Bundesstaats 2019 anführte. Als ehemalige Gesundheitsministerin New Mexicos verfügt die 60-jährige über Expertise, die keine Mitbewerberin in der Pandemie aufbieten kann. National ist sie weitgehend unbekannt.
Platz 7: Val Demings
Die ehemalige Polizei-Chefin von Orlando im US-Bundesstaat Florida machte sich während des Amtsenthebungsverfahrens gegen Donald Trump mit ihren scharfen Auftritten als eine von sieben Anklägerinnen aus dem Repräsentantenhaus national einen Namen. Die 63-jährige schwarze Kongressabgeordnete genießt die Unterstützung von Speakerin Nancy Pelosi. Demings
Zeit an der Spitze der Polizei in Orlando birgt Chancen und Risiken für Biden.
Platz 6: Keisha Lance Bottoms Die schwarze Bürgermeisterin von Atlanta gehört nicht zu den Demokraten, die der Polizei den Geldhahn abdrehen wollen. Bottoms teilt den Ansatz Bidens, der stattdessen auf Reformen setzt. Die 50-jährige kann sich mit Erfahrungen aus der Führung einer Großstadt mit einer halben Million Einwohner in das Amt einbringen. Im Juni wurde sie positiv auf das Coronavirus getestet, hat aber keine Symptome. Lokale Kontroversen sind die Achillesferse der charismatischen Politikerin.
Platz 5: Karen Bass
Die Führerin der schwarzen Abgeordnetengruppe im Repräsentantenhaus hat in dem ehemaligen Senator und Biden-Freund Chris Dodd einen wichtigen Förderer. Als Teil des Vice-President-Komitees machte der sich für die 67-jährige Bass „als loyale Nummer Zwei“auf dem Ticket stark. Die frühere Speakerin im Staatshaus von Kalifornien fiel national bisher allerdings kaum auf. Zwei von drei Amerikanern wissen gar nicht, wer sie ist.
Platz 4: Tammy Duckworth
Die 52-jährige Senatorin aus Illinois bringt das Renomee einer Kriegsheldin in das Rennen ein, die beim Abschuss ihres Hubschraubers 2004 in Irak beide Beine verloren hat. Die Tochter einer asiatischen Mutter und eines US-Offiziers, kämpfte sich aus dem Rollstuhl in die Politik hoch. Biden kennt sie aus ihrer Arbeit für die Veteranen-Administration bevor sie 2011 für den Kongress antrat. Duckworth verkörpert mit ihrer beeindruckenden Biografie Stärke und Patriotismus, kann aber nicht Präsidentin werden, weil sie in Bangkok zur Welt kam.
Platz 3: Susan Rice
Die ehemalige Nationale Sicherheitsberaterin Obamas verbrachte den größten Teil ihres Lebens in Washington, wo sie 1964 zur Welt kam. Nach ihrem Studium arbeitete die Afro-Amerikanerin im Nationalen Sicherheitsrat Bill Clintons bevor sie zur rechten Hand von Madeleine Albright im Außenministerium aufstieg. Die Bush-Jahre überbrückte sie in der Brookings Institution bevor sie unter Obama als UN-Botschafterin in die Politik zurückkehrte. Biden setzte sich mit Rice der Kritik aus, eine ultimative Insiderin zu seinem „Running Mate“zu machen.
Platz 2: Elizabeth Warren
Die Senatorin aus Massachusetts ist die Favoritin des progressiven Flügels der Demokraten. Nach ihrer Niederlage bei den Vorwahlen hat sich Warren loyal hinter Biden gestellt und ihr Interesse an dem VPPosten zu erkennen gegeben. Kaum jemand hat in der Debatte um Inhalte so viele Ideen in Bidens Programm eingebracht, wie die Frau, die Barack Obama half, die Finanzkrise 2008 zu meistern. Die 71-jährige ehemalige Harvard-Professorin feuerte die Basis der Demokraten an, käme Trump aber als Feindbild gelegen.
Platz 1: Kamala Harris
Die Senatorin aus Kalifornien wird unter Analysten als „sichere Wahl“für Biden gehandelt. Die Tochter eines Vaters aus Jamaica und einer Mutter aus Indien ist so etwas wie eine weibliche Version Barack Obamas. Die 55-jährige Juristin bekleidete als erste farbige Frau das Amt der Chefanklägerin von Kalifornien bevor sie 2016 als Senatorin für den größten US-Bundesstaat nach Washington ging. Einige verübeln Harris scharfe Debatten-Angriffe auf Biden während der Vorwahlen. Ihr Kommentar: „Das ist Politik“.