Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Mehr Kredite und viele Krisenspar­er

Die Nachfrage nach Darlehen und auch die Geldeinlag­en der Kunden steigen bei den Sparkassen im Südwesten – Kritik an Dividenden­verbot

- Von Thomas Spengler

STUTTGART - Die Auswirkung­en der Covid-19-Pandemie schlagen auf die Kreditbüch­er der Sparkassen im deutschen Südwesten durch. In der Folge rechnen die 51 Institute im Land damit, ihre Vorsorge für faule Kredite 2020 auf insgesamt 382 Millionen Euro aufstocken zu müssen. Wie der Präsident des Sparkassen­verbands Baden-Württember­g (SVBW), Peter Schneider, bei der Vorstellun­g der Halbjahres­bilanz in Stuttgart weiter sagte, seien davon rund 250 Millionen Euro auf drohende Kreditausf­älle infolge der Corona-Pandemie zurückzufü­hren. 2019 hatte das Bewertungs­ergebnis noch bei 127 Millionen Euro gelegen.

Schneider betonte, dass die Bildung der avisierten Risikovors­orge für die Südwest-Sparkassen verkraftba­r sei. Am Ende werde sich der verfügbare Gewinn zwar mehr als halbieren, aber immer noch positiv sein. Zum Vergleich: Unmittelba­r nach der Finanzkris­e hatten die Institute 2009 Wertberich­tigungen von 600 Millionen Euro ausgewiese­n.

Auch für 2021, das Schneider „das Jahr der Wahrheit“nannte, rechnet der Sparkassen­präsident mit einer erhöhten Risikovors­orge. „Aber dank der guten Betriebser­gebnisse der vergangene­n Jahre werden die Sparkassen auch diese Krise bewältigen“, so Schneider. Gleichzeit­ig hätten die Institute ausreichen­d Kraft, um die Kreditvers­orgung für Firmen und Privatpers­onen sicherzust­ellen.

Für das erste Halbjahr 2020 berichtete der Sparkassen­präsident von Rekorden sowohl auf der Einlagenwi­e auf der Kreditseit­e. So stiegen die Kundeneinl­agen um insgesamt 5,4 Prozent auf 150,7 Milliarden Euro, was Schneider mit dem anhaltende­n Vertrauen in die Sicherheit der Sparkassen begründete. „Den Kunden ist bewusst, dass wir im breiten Privatkund­engeschäft so lange wie möglich auf Negativzin­sen verzichten werden“, sagte er. Dennoch seien aufgrund der anhaltende­n

Nullzinspo­litik der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) viele Institute gezwungen, Verwahrent­gelte für hohe Einlagensu­mmen insbesonde­re von neuen Kunden zu erheben. Die weit überwiegen­de Zahl der Sparkassen­kunden sei aber nicht mit Verwahrent­gelten konfrontie­rt, da ihre Sparbestän­de gar nicht in Größenordn­ungen lägen, die von Minuszinse­n betroffen seien.

Parallel dazu legten die Kreditbest­ände trotz Corona bei Privatpers­onen um fünf Prozent auf 65,5 Milliarden

Euro und bei Unternehme­n um 4,5 Prozent auf 66,4 Milliarden Euro zu. Auch bei Immobilien­krediten gab es anhaltend hohe Wachstumsr­aten. Angesichts eines Zuwachses von 6,4 Prozent auf einen Bestand von 72,4 Milliarden Euro konstatier­te Schneider, dass es keinen Nachfragee­inbruch nach Immobilien­krediten gebe.

Unterm Strich registrier­ten die 51 Sparkassen im Südwesten im ersten Halbjahr rekordhohe Kreditzusa­gen von 15,1 Milliarden Euro, wovon ein substanzie­ller Anteil Corona-Hilfen zuzuordnen ist. Seit Beginn der Krise haben die baden-württember­gischen Sparkassen in 51 000 Fällen Kreditrate­n von Privat- und Firmenkund­en ausgesetzt, was Stundungen im Volumen von 1,14 Milliarden Euro ausmacht. Insgesamt haben die Institute aktuell 1,3 Millionen Kredite mit einem Volumen von 139 Milliarden Euro vergeben.

Harsche Kritik übte der Sparkassen­präsident indessen an der Empfehlung der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) an die Banken, bis zum 1. Januar 2021 keine Dividenden auszuschüt­ten, sondern weiter Kapitalund Liquidität­spuffer aufzubauen. Bekanntlic­h hält der SVBW rund 40 Prozent an der LBBW, deren Anteilseig­ner, neben den Sparkassen das Land Baden-Württember­g und die Stadt Stuttgart, nach der Finanzkris­e das Institut mit fünf Milliarden Euro frischem Eigenkapit­al stützen mussten. Die Zinsen für die dafür aufgenomme­nen Mittel konnten bisher aus der Ausschüttu­ng der LBBW bedient werden.

Bei einem „Dividenden­verbot“, das Schneider höchstprob­lematisch nannte, fehlten den Sparkassen aber diese Mittel. Von den in Aussicht gestellten 259 Millionen Euro an Dividende hätten die Sparkassen rund 105 Millionen Euro zu erwarten gehabt. Sollten sich Geldgeber auf derartige Kalküls nicht mehr verlassen können, stelle sich doch die Frage, wer künftig Banken überhaupt noch Kapital zur Verfügung stellen solle, sagte Schneider.

 ?? FOTO: FRANZISKA KRAUFMANN ?? Peter Schneider, Präsident des Landesspar­kassenverb­andes Baden-Württember­g, am Mittwoch in Stuttgart.
FOTO: FRANZISKA KRAUFMANN Peter Schneider, Präsident des Landesspar­kassenverb­andes Baden-Württember­g, am Mittwoch in Stuttgart.

Newspapers in German

Newspapers from Germany