Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Mehr Kredite und viele Krisensparer
Die Nachfrage nach Darlehen und auch die Geldeinlagen der Kunden steigen bei den Sparkassen im Südwesten – Kritik an Dividendenverbot
STUTTGART - Die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie schlagen auf die Kreditbücher der Sparkassen im deutschen Südwesten durch. In der Folge rechnen die 51 Institute im Land damit, ihre Vorsorge für faule Kredite 2020 auf insgesamt 382 Millionen Euro aufstocken zu müssen. Wie der Präsident des Sparkassenverbands Baden-Württemberg (SVBW), Peter Schneider, bei der Vorstellung der Halbjahresbilanz in Stuttgart weiter sagte, seien davon rund 250 Millionen Euro auf drohende Kreditausfälle infolge der Corona-Pandemie zurückzuführen. 2019 hatte das Bewertungsergebnis noch bei 127 Millionen Euro gelegen.
Schneider betonte, dass die Bildung der avisierten Risikovorsorge für die Südwest-Sparkassen verkraftbar sei. Am Ende werde sich der verfügbare Gewinn zwar mehr als halbieren, aber immer noch positiv sein. Zum Vergleich: Unmittelbar nach der Finanzkrise hatten die Institute 2009 Wertberichtigungen von 600 Millionen Euro ausgewiesen.
Auch für 2021, das Schneider „das Jahr der Wahrheit“nannte, rechnet der Sparkassenpräsident mit einer erhöhten Risikovorsorge. „Aber dank der guten Betriebsergebnisse der vergangenen Jahre werden die Sparkassen auch diese Krise bewältigen“, so Schneider. Gleichzeitig hätten die Institute ausreichend Kraft, um die Kreditversorgung für Firmen und Privatpersonen sicherzustellen.
Für das erste Halbjahr 2020 berichtete der Sparkassenpräsident von Rekorden sowohl auf der Einlagenwie auf der Kreditseite. So stiegen die Kundeneinlagen um insgesamt 5,4 Prozent auf 150,7 Milliarden Euro, was Schneider mit dem anhaltenden Vertrauen in die Sicherheit der Sparkassen begründete. „Den Kunden ist bewusst, dass wir im breiten Privatkundengeschäft so lange wie möglich auf Negativzinsen verzichten werden“, sagte er. Dennoch seien aufgrund der anhaltenden
Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) viele Institute gezwungen, Verwahrentgelte für hohe Einlagensummen insbesondere von neuen Kunden zu erheben. Die weit überwiegende Zahl der Sparkassenkunden sei aber nicht mit Verwahrentgelten konfrontiert, da ihre Sparbestände gar nicht in Größenordnungen lägen, die von Minuszinsen betroffen seien.
Parallel dazu legten die Kreditbestände trotz Corona bei Privatpersonen um fünf Prozent auf 65,5 Milliarden
Euro und bei Unternehmen um 4,5 Prozent auf 66,4 Milliarden Euro zu. Auch bei Immobilienkrediten gab es anhaltend hohe Wachstumsraten. Angesichts eines Zuwachses von 6,4 Prozent auf einen Bestand von 72,4 Milliarden Euro konstatierte Schneider, dass es keinen Nachfrageeinbruch nach Immobilienkrediten gebe.
Unterm Strich registrierten die 51 Sparkassen im Südwesten im ersten Halbjahr rekordhohe Kreditzusagen von 15,1 Milliarden Euro, wovon ein substanzieller Anteil Corona-Hilfen zuzuordnen ist. Seit Beginn der Krise haben die baden-württembergischen Sparkassen in 51 000 Fällen Kreditraten von Privat- und Firmenkunden ausgesetzt, was Stundungen im Volumen von 1,14 Milliarden Euro ausmacht. Insgesamt haben die Institute aktuell 1,3 Millionen Kredite mit einem Volumen von 139 Milliarden Euro vergeben.
Harsche Kritik übte der Sparkassenpräsident indessen an der Empfehlung der Europäischen Zentralbank (EZB) an die Banken, bis zum 1. Januar 2021 keine Dividenden auszuschütten, sondern weiter Kapitalund Liquiditätspuffer aufzubauen. Bekanntlich hält der SVBW rund 40 Prozent an der LBBW, deren Anteilseigner, neben den Sparkassen das Land Baden-Württemberg und die Stadt Stuttgart, nach der Finanzkrise das Institut mit fünf Milliarden Euro frischem Eigenkapital stützen mussten. Die Zinsen für die dafür aufgenommenen Mittel konnten bisher aus der Ausschüttung der LBBW bedient werden.
Bei einem „Dividendenverbot“, das Schneider höchstproblematisch nannte, fehlten den Sparkassen aber diese Mittel. Von den in Aussicht gestellten 259 Millionen Euro an Dividende hätten die Sparkassen rund 105 Millionen Euro zu erwarten gehabt. Sollten sich Geldgeber auf derartige Kalküls nicht mehr verlassen können, stelle sich doch die Frage, wer künftig Banken überhaupt noch Kapital zur Verfügung stellen solle, sagte Schneider.