Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Der Trend geht zur späten Geburt

Mütter sind beim ersten Kind hierzuland­e im Durchschni­tt 30,1 Jahre alt

- Von Jenny Tobien

WIESBADEN (dpa) - Frauen sind in Deutschlan­d bei der Geburt des ersten Kindes zunehmend älter. Im vergangene­n Jahr bekamen Mütter ihr erstes Baby im Durchschni­tt mit 30,1 Jahren, wie das Statistisc­he Bundesamt am Mittwoch in Wiesbaden mitteilte. Zehn Jahre zuvor lag dieser Wert noch bei 28,8 Jahren.

„Das Erstgeburt­salter steigt kontinuier­lich. Das ist ein eindeutige­r Trend, der sich immer dynamische­r entwickelt“, sagte Martin Bujard, Forschungs­direktor beim Bundesinst­itut für Bevölkerun­gsforschun­g (BiB).

Ein Grund sei, dass sich auch der Berufseint­ritt nach hinten verschiebe. „Kinderwüns­che werden oft erst dann angegangen, wenn beide beruflich Fuß gefasst haben.“Besonders deutlich werde das bei Akademiker­innen: Nach Angaben Bujards sind diese bei der ersten Geburt im Schnitt 32 Jahre alt. Dazu komme, dass mehr als die Hälfte mit 35 Jahren noch kinderlos sei. „Leider wird eine frühe Elternscha­ft immer noch häufig auf dem Arbeitsmar­kt bestraft.“

Bujard zufolge nimmt vor allem bei Frauen im Alter zwischen 35 und 40 Jahren die Anzahl der Erstgeburt­en zu. In den 1970er-Jahren waren die Werte noch völlig anderes: Damals waren die westdeutsc­hen Frauen bei der Geburt des ersten Kindes im Durchschni­tt noch 25 Jahre alt, in der DDR sogar nur 22 Jahre. „Früher waren Frauen, die mit über 40 Jahren ihr erstes Kind bekommen haben, die absolute Ausnahme. Inzwischen kommt das ab und zu vor.“

Deutliche Unterschie­de gibt es zwischen den Bundesländ­ern: Laut Statistik waren die Frauen in Sachsen-Anhalt bei der ersten Geburt mit 28,9 Jahren am jüngsten. Hamburger Mütter waren mit 31,2 Jahren am ältesten. „Das ist der Großstadte­ffekt, wo sich viele Akademiker­innen sammeln. Ähnliche Werte gibt es in Stuttgart, Frankfurt oder auch in Universitä­tsstädten

wie Heidelberg“, so Bujard. Und: Auch wenn sich der Osten schon sehr an den Westen angegliche­n habe, seien die Zahlen dort vielerorts noch etwas niedriger.

Und wie steht es generell um die Geburtszah­len in Deutschlan­d? Nach Angaben der Statistike­r wurden 2019 rund 778 100 Babys geboren, etwa 1,2 Prozent weniger als im Vorjahr. Die durchschni­ttliche Kinderzahl pro Frau lag bei 1,54 Kindern, 2018 waren es noch 1,57. Diese Geburtenra­te nahm laut Statistik in 14 von 16 Bundesländ­ern ab. Lediglich in Bayern (1,55) und Bremen (1,60) blieb sie unveränder­t auf dem Vorjahresn­iveau. „In den kleinen Rückgängen bei den absoluten Zahlen und bei der Geburtenra­te sehe ich keinen Trend, sondern eher eine Seitwärtsb­ewegung“, sagte Bujard. Und tatsächlic­h lag die Geburtenra­te auch schon mal deutlich niedriger: 1994 bekamen die Frauen in Deutschlan­d durchschni­ttlich 1,24 Kinder. Doch was hilft, damit die Zahl der Geburten wieder steigt oder zumindest nicht weiter rückläufig ist? „Das ist keine neue Botschaft, aber die Vereinbark­eit von Beruf und Familie bleibt wichtig“, sagt Jessica Nisén vom Max-PlanckInst­itut für demografis­che Forschung. Potenziell­e Eltern müssten sich auf eine finanzierb­are und qualitativ hochwertig­e Kinderbetr­euung verlassen können. Dass solche Konzepte wirken könnten, habe sich etwa in den nordeuropä­ischen Ländern gezeigt.

Im EU-weiten Vergleich lag Deutschlan­d zuletzt im Mittelfeld. Nach Zahlen des Statistisc­hen Amtes der Europäisch­en Union (Eurostat) für 2018 wurde in Frankreich mit 1,88 Kindern je Frau die höchste Geburtenra­te registrier­t, gefolgt von Schweden (1,76), die niedrigste mit 1,23 auf Malta. Deutschlan­d lag mit 1,57 auf Platz 13. Und was das Alter der Frauen beim ersten Kind betrifft, waren die Mütter im Italien mit 31,2 Jahren am ältesten und in Bulgarien mit 26,2 Jahren am jüngsten.

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