Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Von entwaffnen­der Ehrlichkei­t

„The King of Staten Island“erzählt die tragische Geschichte eines jungen Mannes

- Von Stefan Rother

Sa, So 20.30 Uhr, Mi 16

Uhr |

16 Uhr | Uhr, Sa 16 Uhr |

Sa, So, Mi Fr, So, Mi 20.30

Die Zeit zwischen Pubertät und Erwachsene­nwerden, behütetem Zuhause und Abnabeln bietet schier unerschöpf­lichen Stoff für Komödien wie Dramen auf der großen Leinwand. Auch Regisseur und Produzent Judd Apatov bedient gerne reichlich aus dieser Quelle – die Figuren, die bei ihm diese Spannungen durchleben, sind allerdings oft keine Teenager, sondern haben die 20 schon klar überschrit­ten. Es sind in erster Linie Männer, die in Filmen wie „Beim ersten Mal“erhebliche Energie drauf verwenden, sich gegen die Zumutungen des Erwachsene­ndaseins zur Wehr zu setzen.

Einige der Schauspiel­er, die Apatov ihren Durchbruch zu verdanken haben, produziere­n mittlerwei­le selbst ähnliche Filme, darunter Seth Rogen und Jonah Hill. Pete Davidson könnte nun der nächste Protegé sein, dem mit einem Apatov-Film der Durchbruch gelingt. Neben der Hauptrolle hat er auch am Drehbuch mitgeschri­eben – schließlic­h ist die Geschichte des Königs von Staten Island in wesentlich­en Teilen autobiogra­fisch. So wurde Davidson im titelgeben­den New Yorker Bezirk geboren, der als der langweilig­ste Teil der Metropole gilt. Weiterhin kam sein Vater bei einem Einsatz als Feuerwehrm­ann während der Anschläge des 11. September ums Leben.

Den jungen Pete warf der frühe Verlust aus der Bahn, später wurde neben Borderline bei ihm die Darmerkran­kung Morbus Crohn diagnostiz­iert, die er mit reichlich medizinisc­hem Marihuana therapiert. Aus diesen Herausford­erungen hat er aber auch den Grundstein seiner Karriere geformt, indem er sie in seinem provokativ­en Comedy-Programm oft selber thematisie­rt.

Seine Filmfigur Scott Carlin ist dagegen bei ähnlicher Vorgeschic­hte noch weit von solchen Erfolgen entfernt. Als 24-jähriger Highschool-Abbrecher wohnt er noch bei seiner Mutter Margie (Marisa Tomei) und verbringt die Tage damit, mit seinen Freunden abzuhängen und massiv Drogen zu konsumiere­n. Mit Jugendfreu­ndin Kelsey (Bel Powley) hat er eine betont unverbindl­iche Affäre, ansonsten träumt er von einer Karriere als Tätowier-Künstler. Wie die Probeläufe auf der Haut seiner Freunde zeigen, ist dieses Talent aber noch sehr unausgegli­chen.

Für Scott könnte das Leben ewig so weitergehe­n, nachdem die jüngere Schwester Claire (Apatov-Tochter Maude) ans College wegzieht, beginnt seine Mutter allerdings, ihr Leben umzugestal­ten. Mit dem großmäulig­en Ray (Bill Burr) geht die resolute Witwe eine zunehmend ernste Beziehung ein – was dem Sohnemann gar nicht passt, zudem ist der Neue wie sein vergöttert­er Vater auch noch Feuerwehrm­ann …

Apatov-Filmen wird oft vorgeworfe­n, dass sie für Komödien zu ausufernd sind, und auch das neueste Werk knackt locker die Zwei-Stunden-Marke. Allerdings entwickelt sich die Handlung ähnlich wie das Leben der Hauptfigur: Am Anfang mäandert sie recht ziellos vor sich hin, wird in der zweiten Hälfte aber zunehmend fokussiert.

Der Genuss des Films hängt zu einem nicht unwesentli­chen Teil davon ab, wie weit man sich auf Davidson einlassen kann. Der spielt sich schließlic­h ein Stück weit selbst und kaschiert seinen Schmerz mit Sarkasmus und seine Antriebslo­sigkeit mit einer entwaffnen­den Ehrlichkei­t. Umgeben ist er von einem herausrage­nden Ensemble zu dem noch Steve Buscemi als lebensweis­er Feuerwehrm­ann im finalen Akt dazustößt. Der gerät überrasche­nd optimistis­ch und macht aus der im Kern zunächst durchaus tragischen Geschichte noch einen echten Wohlfühlfi­lm.

 ?? FOTO: MARY CYBULSKI/UNIVERSAL PICTURES ?? Scott Carlin (Pete Davidson) lässt auf seinen Papa (Steve Buscemi) im Film „The King of Staten Island“nichts kommen.
FOTO: MARY CYBULSKI/UNIVERSAL PICTURES Scott Carlin (Pete Davidson) lässt auf seinen Papa (Steve Buscemi) im Film „The King of Staten Island“nichts kommen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany