Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Von entwaffnender Ehrlichkeit
„The King of Staten Island“erzählt die tragische Geschichte eines jungen Mannes
Sa, So 20.30 Uhr, Mi 16
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Sa, So, Mi Fr, So, Mi 20.30
Die Zeit zwischen Pubertät und Erwachsenenwerden, behütetem Zuhause und Abnabeln bietet schier unerschöpflichen Stoff für Komödien wie Dramen auf der großen Leinwand. Auch Regisseur und Produzent Judd Apatov bedient gerne reichlich aus dieser Quelle – die Figuren, die bei ihm diese Spannungen durchleben, sind allerdings oft keine Teenager, sondern haben die 20 schon klar überschritten. Es sind in erster Linie Männer, die in Filmen wie „Beim ersten Mal“erhebliche Energie drauf verwenden, sich gegen die Zumutungen des Erwachsenendaseins zur Wehr zu setzen.
Einige der Schauspieler, die Apatov ihren Durchbruch zu verdanken haben, produzieren mittlerweile selbst ähnliche Filme, darunter Seth Rogen und Jonah Hill. Pete Davidson könnte nun der nächste Protegé sein, dem mit einem Apatov-Film der Durchbruch gelingt. Neben der Hauptrolle hat er auch am Drehbuch mitgeschrieben – schließlich ist die Geschichte des Königs von Staten Island in wesentlichen Teilen autobiografisch. So wurde Davidson im titelgebenden New Yorker Bezirk geboren, der als der langweiligste Teil der Metropole gilt. Weiterhin kam sein Vater bei einem Einsatz als Feuerwehrmann während der Anschläge des 11. September ums Leben.
Den jungen Pete warf der frühe Verlust aus der Bahn, später wurde neben Borderline bei ihm die Darmerkrankung Morbus Crohn diagnostiziert, die er mit reichlich medizinischem Marihuana therapiert. Aus diesen Herausforderungen hat er aber auch den Grundstein seiner Karriere geformt, indem er sie in seinem provokativen Comedy-Programm oft selber thematisiert.
Seine Filmfigur Scott Carlin ist dagegen bei ähnlicher Vorgeschichte noch weit von solchen Erfolgen entfernt. Als 24-jähriger Highschool-Abbrecher wohnt er noch bei seiner Mutter Margie (Marisa Tomei) und verbringt die Tage damit, mit seinen Freunden abzuhängen und massiv Drogen zu konsumieren. Mit Jugendfreundin Kelsey (Bel Powley) hat er eine betont unverbindliche Affäre, ansonsten träumt er von einer Karriere als Tätowier-Künstler. Wie die Probeläufe auf der Haut seiner Freunde zeigen, ist dieses Talent aber noch sehr unausgeglichen.
Für Scott könnte das Leben ewig so weitergehen, nachdem die jüngere Schwester Claire (Apatov-Tochter Maude) ans College wegzieht, beginnt seine Mutter allerdings, ihr Leben umzugestalten. Mit dem großmäuligen Ray (Bill Burr) geht die resolute Witwe eine zunehmend ernste Beziehung ein – was dem Sohnemann gar nicht passt, zudem ist der Neue wie sein vergötterter Vater auch noch Feuerwehrmann …
Apatov-Filmen wird oft vorgeworfen, dass sie für Komödien zu ausufernd sind, und auch das neueste Werk knackt locker die Zwei-Stunden-Marke. Allerdings entwickelt sich die Handlung ähnlich wie das Leben der Hauptfigur: Am Anfang mäandert sie recht ziellos vor sich hin, wird in der zweiten Hälfte aber zunehmend fokussiert.
Der Genuss des Films hängt zu einem nicht unwesentlichen Teil davon ab, wie weit man sich auf Davidson einlassen kann. Der spielt sich schließlich ein Stück weit selbst und kaschiert seinen Schmerz mit Sarkasmus und seine Antriebslosigkeit mit einer entwaffnenden Ehrlichkeit. Umgeben ist er von einem herausragenden Ensemble zu dem noch Steve Buscemi als lebensweiser Feuerwehrmann im finalen Akt dazustößt. Der gerät überraschend optimistisch und macht aus der im Kern zunächst durchaus tragischen Geschichte noch einen echten Wohlfühlfilm.