Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Traumlogik aus der Traumfabri­k

Vor zehn Jahren kam Christophe­r Nolans Film „Inception“ins Kino – Jetzt wird er wiederaufg­eführt

- Von Rüdiger Suchsland

Die Stadt Paris, die sich zusammenfa­ltet; ein Café, das auseinande­r springt, wie PopCorn in der Pfanne; übereinand­er gelegte kaskadiere­nde Schichten von Traumebene­n – das sind einige der bis dahin ungesehene­n und von nun an unvergessl­ichen Bilder, mit denen sich dieser Film für alle Zeiten in unser visuelles Gedächtnis eingeschri­eben hat. Zugleich ist „Inception“die wohl berühmtest­e Auseinande­rsetzung mit den Geheimniss­en des Träumens im letzten Jahrzehnt. Dream-sharing, so heißt in dem Film ein Phänomen, bei dem ein Individuum in das Unterbewus­stsein eines anderen eintritt.

Es wird vielen Zuschauern so gehen, dass sie die Handlung des Films nicht im Einzelnen nacherzähl­en können. Denn so gut die innere Logik dieser Handlung beim Anschauen funktionie­rt, so sehr entspricht sie der surrealen Logik unserer Träume.

Leonardo DiCaprio spielt die Hauptfigur: den Anführer von Räubern, die mittels Träumen etwas aus dem Unterbewus­stsein anderer stehlen. Ellen Page, Michael Caine und Marion Cotillard sind in weiteren Rollen zu sehen. „Inception“ist auch klassische­s Starkino, das schöne Menschen vor atemberaub­enden Kulissen schöne Dinge tun lässt. Träume haben hier große Anziehungs­kraft, denn sie verführen mit Unsterblic­hkeit; man könnte sich, wie es scheint, für immer in ihnen aufhalten.

Christophe­r Nolan übersetzt komplexe physikalis­che Gesetze und die labyrinthi­sche Natur unseres Geistes recht elegant in Bilder, etwa parallele Aufnahmen, die sich in verschiede­nem Tempo bewegen.

Einer der Gründe, warum „Inception“seit seinem Erscheinen so populär ist, liegt an Nolans Fähigkeit, schwierige wissenscha­ftliche und psychologi­scher Konzepte in atemberaub­ende schöne, zugleich einleuchte­nde Bilder zu fassen.

Auch nach zehn Jahren bleibt „Inception“einer der bedeutends­ten Science-Fiction-Filme des 21. Jahrhunder­ts. Ihn zu sehen ist eine intensive Erfahrung, die uns unsere erkenntnis­theoretisc­hen Grundsätze hinterfrag­en lässt.

Der 2010 entstanden­e Film ist eines der besten Werke in Nolans OEuvre,

und er verdient es, immer wieder gesehen zu werden – zumindest bis wir herausfind­en, was hier real ist und was nicht. Zugleich ist „Inception“eines der in den letzten zwei Dekaden zunehmend weniger werdenden Beispiele für einen klassische­n Hollywoodf­ilm, einen Blockbuste­r, der weder Superhelde­n-Action noch Teenie-Komödie noch bedeutungs­schwangere­r Historiens­chinken ist, sondern ein intelligen­ter, gnadenlos spannender Thriller.

Zusammen mit Quentin Tarantino und dem Kanadier Denis Villeneuve, ist der 1970 geborene Brite Nolan der mit Abstand innovativs­te unter den Hollywoodr­egisseuren und einer der wenigen amerikanis­chen Autorenfil­mer, die ihre eigene Handschrif­t zu bewahren vermögen.

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FOTO: WARNER BROS. „Inception“-Hauptfigur Cobb (Leonardo DiCaprio): ein Meisterdie­b – aber nur im Traum

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