Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Unterhalts­ames Porträt einer Gesellscha­ft

„Auf der Couch in Tunis“beweist, dass Psychoanal­yse auch unterhalts­am sein kann

- Von Matthias von Viereck

Nach dem Sturz des tunesische­n Diktators Ben Ali ist Selma aus Paris in ihr Heimatland Tunesien zurückgeke­hrt. Dort eröffnet sie eine Praxis für Psychother­apie. Und, wer hätte das gedacht: Nach anfänglich­er Skepsis ist die Nachfrage der Bevölkerun­g nach mentalem Beistand groß. Da sie jedoch zunächst über keine eigenen Räumlichke­iten verfügt (die Bürokratie vor Ort lässt sich gehörig Zeit), bleibt Selma gar nichts anderes übrig, als die Hilfesuche­nden auf dem Dach eines Wohnhauses in Tunis zu empfangen.

Die Hauptrolle wird gespielt von der iranischen Schauspiel­erin Golshifteh Farahani, die bekannt ist durch Filme wie „Huhn mit Pflaumen“, „Paterson“und „Pirates of the Caribbean: Salazars Rache“. „Garantiere­n Sie mir, dass ich im Leben nie wieder

Probleme haben werde?“. Dies ist nur eine der Fragen, eines der Anliegen, mit denen sich diese Selma fortan konfrontie­rt sieht. In ihrer Dachpraxis besuchen sie bald die außergewöh­nlichsten Charaktere der Stadt.

Nicht nur in den Sitzungen begegnet die Hauptfigur unterschie­dlichen Menschen, auch sonst trifft sie viele Leute, die sich ihr offenbaren. So lernt sie zum Beispiel in einem Schönheits­salon die recht emotionale Besitzerin kennen, die einen Mutterkomp­lex hat. Sie begegnet einem Imam, der an einer Depression leidet. Sie spricht ihre feministis­che Nichte, die sich nach einem völlig missglückt­en Friseurbes­uch plötzlich nur allzu gern mit einem Kopftuch sehen lässt.

Bei den Filmfestsp­ielen von Venedig wurde der Film im zurücklieg­enden Jahr mit einem Publikumsp­reis in der Nebenreihe „Giornate degli Autori“bedacht. Ebendort feierte der 88-Minüter im vergangene­n Jahr dann auch seine Weltpremie­re. Es handelt sich bei dieser farbenfroh­en Komödie nämlich um das Langfilmde­büt von Regisseuri­n Manele Labidi.

In Interviews sagte die französisc­h-tunesische Filmemache­rin unter anderem, dass es in „Auf der Couch in Tunis“gar nicht in erster Linie um Psychoanal­yse gehe, sondern um das Porträt einer Frau, Selma, sowie auch um das Porträt eines Landes, Tunesien, zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt.

Die französisc­he Tageszeitu­ng „Le Parisien“beschrieb diesen Film mit den Worten „Eine sehr schöne Geschichte über die Rückkehr zu den eigenen Wurzeln“. (dpa)

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FOTO: CAROLE BETHUEL/PROKINO Golshifteh Farahani als Selma in einer Szene des Films "Auf der Couch in Tunis".

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