Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Nachwuchssportler weichen nach Tschechien aus
Vereinssport in Zeiten der Corona-Pandemie: Was der EVR alles tut, um seine Jugendarbeit aufrechtzuerhalten
RAVENSBURG - Der Eissportverein Ravensburg (EVR) ist fest entschlossen, seine Jugendmannschaften halbwegs normal durch die kommende Saison zu bringen. Obwohl das durch die Corona-Pandemie enorm erschwert ist. Ein Konzept für Trainings und Spiele vor Zuschauern steht bereits, es muss allerdings noch von der Stadt in Zusammenarbeit mit dem Kreisgesundheitsamt abgesegnet werden.
Die Hoffnung stirbt zuletzt. Unermüdlich kümmern sich die Ehrenamtlichen beim EVR darum, wie sie die 230 überwiegend jugendlichen Spieler ab 19. September aufs Eis bringen können. Denn dann beginnt die Saison für die Mannschaften, die im Landesverband Bayern spielen, konkret U13 (Elf- und Zwölfjährige) sowie U15 (13- und 14-Jährige). Während diese Mannschaften in Ligen spielen, sind die kleineren (U7, U9 und U11) auf Turnieren unterwegs, aber auch da kommen laut dem EVRVorsitzenden Winfried Leiprecht schon mal mehrere Hundert Zuschauer: „Omas, Opas, Eltern und Geschwister von vier Mannschaften.“
Leiprecht ist klar, dass die Arbeit, die er und seine Mitstreiter in den vergangenen und kommenden Wochen in Konzepte gesteckt haben, für die Katz sein könnte, wenn die Infektionszahlen wieder steigen, Spieler oder Trainer erkranken, oder Sportveranstaltungen ganz untersagt werden. „Wir sind es unseren Kindern und Jugendlichen aber einfach schuldig, so zu tun als ob.“
Das beginnt damit, dass die U20und U17-Mannschaft, die in der Deutschen Nachwuchsliga und der Bayernliga auf hohem Niveau spielen, am Donnerstag, 30. Juli, für eine Woche ins Trainingslager nach Tschechien aufbrechen. In Slany haben sie Eiszeiten bekommen, was dringend nötig ist, wenn sie am 26. September in die Saison starten wollen, die Stadt Ravensburg im August aber dieses Jahr noch kein Eis macht wie früher üblich. Die Fahrt werde komplett von den Eltern bezahlt und sei eine Privatveranstaltung, betont Leiprecht, da der Verein nicht haften will und kann, wenn in Tschechien etwas passiert oder sich gar jemand mit dem Coronavirus infiziert. „Organisiert wurde das von den Mannschaftsbetreuern.“
Aufgeben musste der EVR das ehrgeizige Ziel, alle Jugendlichen in Trainingslager nach Tschechien zu schicken. Der Verein bemüht sich jetzt darum, im August Eiszeiten in der Schweiz und in Österreich zu bekommen. Was schon steht, ist ein Hygienekonzept, das der EVR auf der Grundlage der Regelungen des Deutschen Eishockeybundes erstellt hat. Dieses sieht zum Beispiel eine Begrenzung auf 500 Zuschauer vor. „Wir würden auf der Tribüne in jeder zweiten Reihe jeden dritten Platz belegen“, erklärt Leiprecht. Eventuell würde auch ein Mund-Nasen-Schutz vorgeschrieben. „Was sicher nicht mehr geht, ist, dass die Zuschauer einfach reinkommen und sich einen Platz aussuchen.“Das Problem müsse wahrscheinlich durch ein OnlineTicketing-System
gelöst werden. Unklar im Konzept sei noch die Unterbringung der Spieler in Kabinen. Es gebe drei, und pro Kabine passe eine halbe Mannschaft herein, wenn man die Abstandsregeln einhalten will. Entweder brauche man ein Ausweichquartier, oder eine Kabine müsse so umgerüstet werden, dass eine ganze Mannschaft hereinpasst.
Mit ihrem Konzept sind die Ehrenamtlichen sogar weiter als die Profis von den Towerstars, die nach Auskunft ihres Pressesprechers Frank Enderle noch etwas Zeit brauchen, bevor sie den Fans sagen können, wie der Betrieb ab Saisonbeginn am 2. Oktober starten wird: „Das Konzept der Standorte ist schon seit geraumer Zeit fertig, da die behördlichen Einordnungen aber noch nicht gänzlich abgeschlossen sind und das Thema generell dann auch mit der DEL2 koordiniert wird, können wir da Einzelheiten oder einen lokalen Status leider nicht mitteilen.“
Was laut Leiprecht auch noch nicht feststeht, ist der Spielplan der Towerstars. Nach dem müssen sich das Team in der Regionalliga Südwest und die Frauenmannschaft richten und immer die Tage belegen, an denen die Profis die Halle nicht brauchen.
Was aber problematischer ist: Trotz der Corona-Pandemie hält der Deutsche Eishockeybund am strengen Sterne-System fest, nach dem die Ausbildung zertifiziert wird.
Die Kriterien seien sogar noch verschärft worden. Zum Beispiel müsse der EVR jetzt ein „Leitbild“aufstellen und veröffentlichen und in einer kleinen Nebenanlage eine 15 bis 20 Quadratmeter große Fläche schaffen, auf der das sogenannte „Stickhandling“, also das Schießen mit dem Stock, trainiert werden kann.
Erfüllt der EVR die neuen Auflagen nicht, könnte er den dritten Stern verlieren. Auch dann, wenn es im April in Ravensburg kein Eis mehr geben sollte, wie schon im August. „Das kostet uns dann 35 000 Euro Zuschuss.“Also mehr als ein Zehntel des Gesamtbudgets von 300 000 Euro.
Die Lösung aller Zertifizierungsprobleme wäre laut Leiprecht die zweite Eisfläche, für die es aber auf absehbare Zeit kein Geld von der Stadt geben soll. „Für alle ist Geld da, nur nicht für uns. Ich lese schon mit einer gewissen Verbitterung, was die Musikschule kosten soll, obwohl mir klar ist, dass da dringend was getan werden muss“, spielt er auf die zwei Millionen Euro Mehrkosten für den Umbau der alten Bauhütte an, der jetzt 8,3 Millionen Euro kosten soll. „Oder zwei Millionen Euro für eine Brücke über die Wangener Straße. Oder drei Millionen Euro für den Wiederaufbau des Escherstegs.“
Und Leiprecht ergänzt scherzhaft: „Vielleicht kann man den ja als Tribüne so weit überdachen, dass wir mit der Eisfläche drunterpassen.“
„Für alle ist Geld da, nur nicht für uns.“
Winfried Leiprecht