Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Warum die Radweglücke eine Lücke bleibt
Zwischen Baindt und Mochenwangen hätte ein Radweg gebaut werden sollen - eigentlich
BAINDT - Manchmal gibt es Dinge, die man nicht für möglich halten würde. Und Dinge, die deutsche Vorschriften aus gutem Grund verbieten, was dann allerdings dazu führen kann, dass es statt einer minimalen Besserung gar keine Besserung gibt. Eine solche Geschichte ist die Geschichte des Radwegs bei Baindt – oder besser gesagt, die Geschichte, warum dieser Radweg nicht kommen wird.
Eigentlich wollte die Gemeinde ihren Radfahrern etwas Gutes tun und für die Bürger Anreize für den Drahtesel schaffen. Wenn da mal nicht Vorschriften wären. Diese Erfahrung musste Bürgermeisterin Simone Rürup bei einem Ortstermin mit der Verkehrspolizei, der Straßenverkehrsbehörde des Landkreises Ravensburg und dem Straßenbauamt des Regierungspräsidiums Tübingen machen, wie sie im SZ-Gespräch berichtet.
Um welche Stelle geht es? Genau genommen geht es um den vorgesehenen Lückenschluss zwischen Baindt, Sulpach und der Mochenwanger Straße. Der Lückenschluss betrifft den dritten Bauabschnitt des Geh- und Radweges vom Hasenweg bis zur Mochenwanger Straße (Straße zwischen Kreisverkehr B 30 und Mochenwangen) – also insgesamt 1090 Meter, die nicht umgesetzt werden können.
„Weil der Abstand des Radweges von 1,75 Metern nicht überall eingehalten werden kann, darf jetzt gar kein Radweg gebaut werden, weil man dem Fahrradfahrer durch einen Radweg ohne ausreichend Abstand in falscher Sicherheit wäge“, berichtet Rürup.
Das bestätigt auch die Straßenverkehrsbehörde des Landratsamtes Ravensburg. Der vorgegebene Abstand
sei nahezu auf dem gesamten Abschnitt nicht eingehalten. Auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“heißt es zudem: „Zusätzlich sind sogar längere Abschnitte mit Hochbord direkt an der Fahrbahn vorgesehen, die aus Sicherheitsgründen so vonseiten der Verkehrskommission nicht zustimmungsfähig sind.“Außerdem würde der vorgesehene Hochbord des Weges bei der Fahrbahnbreite von unter sechs Metern eine Gefahr für den Radfahrer bedeuten, weil Lastwagen bei Gegenverkehr „erfahrungsgemäß“trotz eines Bords, also eines Randsteins, auf den Radweg ausweichen.
Die Folge: Statt eines Radweges ohne den vorgeschriebenen Sicherheitsabstand
gibt’s jetzt gar nichts. Da bringt es auch nicht mehr viel, dass der Abschnitt in ein Programm eines Gesetzes mit dem klangvollen Namen „Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz“aufgenommen worden ist.
Ein Knackpunkt der Strecke ist auch die Unterführung unter der B 30, die in einem Gefälle und in einer Kurve liegt. Dort ist ebenfalls kein Radweg denkbar, auch eine Verengung der Fahrbahn und die Einführung einer Vorrangregelung mit Verkehrspfeilen ist nicht möglich. „Eine mögliche Verengung der Fahrbahn mit einer Vorrangregelung in diesem Bereich wird aufgrund voraussichtlich fehlender Sichtweiten im Kurvenverlauf
als kritisch gesehen, müsste aber bei einer konkreten Planungsvariante vonseiten der Verkehrskommission geprüft werden“, so das Landratsamt in der Stellungnahme.
Ein weiteres Problem sehen die Behörden in der Ausleitung des möglichen Radweges in den bestehenden Radweg an der Mochenwangener Straße. Für eine sichere Fortführung des Radverkehrs über die L 284 fehle eine sichere Querungsmöglichkeit – sprich eine Verkehrsinsel. Für Rürup ist das alles nicht ganz nachvollziehbar, denn für den Radfahrer würde sich ja nichts zur jetzigen Situation ändern. „Jetzt hat der Fahrradfahrer also auch in Zukunft nichts“, fasst sie zusammen.
Aber gibt es jetzt doch noch eine Möglichkeit, den Radweg umzusetzen? Die Straßenverkehrsbehörde spielt den Ball einfach wieder zurück ins Baindter Rathaus und schreibt: „Die Planungshoheit für den Bau eines Radweges, welcher den Vorgaben der Regelwerke RAL, ERA 2010 und den Musterlösungen RadNetzBW entspricht, liegt bei der Gemeinde Baindt.“
Das Grundstück für den Radweg hat die Gemeinde schon gekauft. Sie ist jetzt Eigentümerin eines schmalen Streifens entlang der Sulpacher Straße, mit dem sie gerade nichts anfangen kann. „Wir müssen ja zuerst den Grund haben, bevor wir Anträge stellen können, da macht man erst eine Grobplanung, die Detailplanung folgt“, erklärt Simone Rürup. Aber in dem Fall braucht es die Detailplanung nicht mehr. Dafür fahren die Radfahrer weiterhin auf der Straße – bei Tempo 100. Und alles bleibt, wie es ist.
Übrigens: Wie die Bürgermeisterin berichtet, sei eine Temporeduzierung auf 70 Stundenkilometer auch nicht vorgesehen.