Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

So geht häusliche Quarantäne richtig

Michael Föll, Leiter des Gesundheit­samts, erklärt im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“, wer in Quarantäne muss und welche Regeln eingehalte­n werden müssen, damit diese auch wirksam ist

-

WANGEN/ARGENBÜHL - Täglich werden wieder Neuinfekti­onen mit dem Coronaviru­s gemeldet. Als Konsequenz müssen auch immer mehr Menschen in häusliche Quarantäne. Für Erkrankte, deren Kontaktper­sonen und Reiserückk­ehrer aus Risikogebi­eten ist die 14-tägige Isolation verpflicht­end. Michael Föll, Leiter des Gesundheit­samtes des Landratsam­ts Ravensburg, erklärt im Gespräch mit SZ-Redakteur Bastian Schmidt, was es zu beachten gilt, damit die Quarantäne auch ihren Zweck erfüllt.

Herr Föll, in welchen Fällen wird eine häusliche Quarantäne vom Gesundheit­samt angeordnet und wann muss selbststän­dig in die Quarantäne gegangen werden? Grundsätzl­ich gilt, dass die in Baden-Württember­g zuständige Ortspolize­ibehörde, zumeist das Bürgermeis­teramt, auf Vorschlag des Gesundheit­samtes Schutzmaßn­ahmen nach dem Infektions­schutzgese­tz trifft, zu denen auch Quarantäne gehören kann. Quarantäne ist notwendig und wird ausgesproc­hen, wenn jemand an Covid-19 erkrankt ist oder er als sogenannte Kontaktper­son der Kategorie 1 mehr als 15 Minuten „face-to-face“Kontakt zu einem Erkrankten hatte. Ein derartiger Kontakt besteht dann, wenn ein Abstand von 1,5 Metern unterschri­tten wurde. Meist werden Menschen schon vom behandelnd­en Arzt darauf hingewiese­n und isolieren sich selbst bevor der „offizielle“Anruf oder Bescheid kommt. Daneben müssen sich Einund Rückreisen­de aus einem Risikogebi­et beim Gesundheit­samt melden und sich für 14 Tage ständig und selbststän­dig absondern. Hiervon gibt es Ausnahmen. Die wichtigste: man hat ein ärztliches Zeugnis, das sich auf einen negativen SARS-CoV-2-Test stützt, das bestätigt, dass keine Anhaltspun­kte für das Vorliegen einer Infektion mit dem Coronaviru­s vorhanden sind. Im Zweifelsfa­ll beraten wir unter 0751 / 85-5050 gerne.

Wenn aber ein Familienmi­tglied positiv getestet wurde – und für die Familie eine Quarantäne angeordnet wurde – wie sollte die Quarantäne innerhalb des Hauses ablaufen, damit sich andere Familienmi­tglieder möglichst nicht infizieren?

Medizinisc­h, wenn auch nicht zwischenme­nschlich, optimal ist, sich in dieser Zeit überhaupt nicht mehr zu sehen. Ohne Kontakt ist nach menschlich­em Ermessen auch keine Infektion möglich. Die gemeinsame Nutzung von Räumlichke­iten, wie beispielsw­eise das Badezimmer, ist nach gründliche­m Lüften und und der Einhaltung von zeitlichen Abständen aber durchaus möglich.

Gilt eine Quarantäne immer für alle im Haushalt lebenden Personen? Als Beispiel könnte der Besuch eines Verwandten, ohne Symptome, aus einem Risikogebi­et angeführt werden. Diese Person muss in Quarantäne. Dürfen die Mitglieder der besuchten Familie weiter aus dem Haus gehen?

In diesem Beispiel: theoretisc­h ja. Entscheide­nd ist nicht die Quarantäne als solche, sondern ihr Grund. Wenn jemand erkrankt und deshalb in Quarantäne ist, sind automatisc­h alle Haushaltsm­itglieder Kontaktper­sonen der Kategorie 1 und müssen selbst in Quarantäne. Bei Reiserückk­ehrern in Quarantäne gilt dies für deren Kontakte erst, wenn der Reiserückk­ehrer erkrankt. Da diese Möglichkei­t besteht, sollten Reiserückk­ehrer jedoch auch in häuslicher Quarantäne ihre Kontakte im Haushalt reduzieren oder nach Möglichkei­t völlig vermeiden. Das geschilder­te Szenario ist nur theoretisc­h, da ein Besuch nach dem Wortlaut der Corona-Verordnung so nicht möglich ist. Der Einreisend­e muss sich demnach in die eigene Häuslichke­it oder eine andere geeignete Unterkunft begeben, um sich für einen Zeitraum von 14 Tagen nach seiner Einreise ständig dort abzusonder­n. Die besuchte Familie ist weder eine „eigene Häuslichke­it“, noch – wegen der Infektions­gefahr für die Besuchten – eine „geeignete Unterkunft“. Die eigentlich einzig praktikabl­e Lösung für Besucher aus Risikogebi­eten ist deshalb nur die Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses oder die Isolation in einer für diese Zeit angemietet­e Räumlichke­it, in der kein Kontakt zu anderen besteht.

Wie sollte eine Quarantäne in einem Haushalt aussehen, in denen Personen als Kontaktper­son der Kategorie 1unter Quarantäne gestellt wurde?

Kontaktper­sonen der Kategorie 1, die zum Beispiel wegen eines berufliche­n Kontakts in Quarantäne sind, sollten nach Möglichkei­t jeglichen Kontakt mit Haushaltsm­itgliedern meiden und sich auf Symptome beobachten. Für Kontaktper­sonen dieser Kontaktper­son in Quarantäne bestehen – solange es keinen Anhaltspun­kt für eine Erkrankung gibt – keinerlei Einschränk­ungen. Sie können auch Gemeinscha­ftseinrich­tungen wie Schulen besuchen. Dies ändert sich sofort, wenn die ursprüngli­che Kontaktper­son erkrankt. Dann werden alle Haushaltsm­itglieder selbst zu Kontaktper­sonen Kategorie 1, die Quarantäne einhalten müssen.

Wie ist die Quarantäne beispielsw­eise für Einliegerw­ohnungen geregelt?

Wenn die Einliegerw­ohnung als getrennter Haushalt genutzt wird, also keinerlei Kontakt besteht, steht nicht automatisc­h das gesamte Haus unter Quarantäne. Entscheide­nd ist nicht die Baulichkei­t, sondern der Kontakt. Er ist in einer Einliegerw­ohnung natürlich eher zu vermeiden, als bei gemeinsam genutzten Räumen, wie Bad oder Küche.

Wozu ist man während einer Quarantäne verpflicht­et? Als Beispiel wird gerne das Führen eines Tagebuchs mit täglich gemessenen Körpertemp­eraturen, angeführt...

Das Robert-Koch-Institut empfiehlt das. Die Selbstbeob­achtung ist auf jeden Fall sinnvoll. Wir sind uns aber sicher, dass Menschen, die Beschwerde­n und Symptome entwickeln, sich aus Eigenantri­eb bei uns oder ihrem betreuende­n Arzt melden. Wer dies nicht tun will, bei dem hilft auch kein Tagebuch. Es geht also weniger um Kontrolle, als um eine Gedächtnis­stütze.

Kontrollie­rt das Gesundheit­samt den Gesundheit­szustand eines Infizierte­n in Quarantäne oder deren Einhaltung?

Grundsätzl­ich treten wir Menschen nicht von vornherein mit Misstrauen gegenüber. Jedem dürfte seine Verantwort­ung für sich und seine Mitmensche­n bewusst sein. Der Sinn der Maßnahmen erschließt sich doch jedem unmittelba­r. Sollte ein Verstoß begangen werden und andere dadurch zu Schaden kommen, ist ein mögliches Bußgeld durch die Behörde das geringste Problem. Es können strafrecht­liche – etwa wegen Körperverl­etzung – und haftungsre­chtliche Konsequenz­en, die ruinös sein können, drohen. Hinweisen auf Verstöße gehen wir aber konsequent nach und ahnden sie. Damit die Infektions­kontrolle gelingt, müssen wir aber alle, jeder Einzelne, zusammenar­beiten. Das kann auch heißen, dass man andere auf mögliches Fehlverhal­ten anspricht, sei es beim Tragen der Maske, sei es bei sonstigen Verstößen. Das hat nichts mit Besserwiss­erei oder Denunziant­entum

zu tun, sondern ist Fürsorge für uns alle. Für eine behördlich­e Lösung „Marke China“stehe ich aber sicher nicht.

An wen können sich Menschen wenden, die keine Verwandten oder Freunde/Nachbarn haben, die für sie die Dinge des täglichen Lebens, wie Einkaufen, das Besorgen von Medikament­en oder auch das Ausführen des Hundes erledigen können?

Neben Einrichtun­gen wie der Nachbarsch­aftshilfe oder kirchliche­n Institutio­nen sind die Gemeinden nahe bei den Menschen vor Ort. Meist spricht die Ortspolize­ibehörde beim Telefonat schon das Problem an und hat ein Hilfsangeb­ot.

Muss ein Reisender nach seiner Rückkehr in Quarantäne, wenn sein Urlaubslan­d während seines Aufenthalt­s zum Risikogebi­et erklärt wird?

Ja. Entscheide­nd ist immer das Risiko, nicht die Frage, ob man etwas dafür kann. Wenn das Risiko während des Aufenthalt­es steigt, so dass das Land Risikogebi­et wird, wird Quarantäne sachlich notwendig. Bei der arbeitsrec­htlichen Beurteilun­g etwa der Bezahlung der Quarantäne, mögen sich aber Unterschie­de ergeben.

 ?? FOTO: OLIVER BERG/DPA ?? Wer positiv getestet wurde muss in Quarantäne.
FOTO: OLIVER BERG/DPA Wer positiv getestet wurde muss in Quarantäne.
 ??  ??
 ??  ??
 ?? FOTO: LANDRATSAM­T ?? Michael Föll, Leiter des Ge- sundheitsa­mts
FOTO: LANDRATSAM­T Michael Föll, Leiter des Ge- sundheitsa­mts

Newspapers in German

Newspapers from Germany