Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Gelbe Säcke: Landkreis unterliegt vor Gericht
Bürger im Kreis Ravensburg müssen ihren Verpackungsmüll vorerst weiter zum Wertstoffhof bringen
RAVENSBURG - Niederlage vor Gericht: Der Landkreis Ravensburg ist mit dem Vorhaben nicht durchgekommen, dem Dualen System Deutschland vorzuschreiben, die Gelben Säcke der Bürger ab 2021 vor Ort abzuholen. Heißt: Die 281 000 Einwohner der 39 Kommunen im Kreis müssen ihren Verpackungsmüll weiterhin zum jeweiligen Wertstoffhof karren. Allerdings handelt es sich nur um eine vorläufige Entscheidung, das endgültige Urteil fällt erst im März oder April 2021.
Wie mehrfach berichtet, wollte der Kreis schon zu Beginn des Jahres 2019 erwirken, dass der Verpackungsmüll wie anderswo auch beim Bürger direkt vor der Haustür abgeholt wird. Bislang müssen die Kreisbewohner ihre Leichtverpackungen zum Wertstoffhof oder zur rollenden Wertstofftonne bringen, womit vor allem alte oder behinderte Menschen Probleme haben. Zudem ist dieses Bringsystem aus ökologischen Gründen umstritten, denn viele Menschen transportieren die sperrigen Säcke Woche für Woche mit dem eigenen Auto zum Wertstoffhof.
Da die Abfuhr und das Recycling des Verpackungsmülls in den Gelben Säcken, die sich über den Grünen Punkt refinanzieren, aber Sache der Privatwirtschaft ist, war die Systemveränderung Verhandlungssache – und die Unternehmen des Dualen Systems sperrten sich dagegen. Unter anderem, weil die Bürger im Landkreis Ravensburg bundesweit den reinsten Verpackungsmüll produzieren, praktisch ohne Restmüllanteile. Warum? Weil sich niemand traut, etwas in den Sack zu werfen, was eigentlich gar nicht hineingehört, wenn die Gefahr besteht, auf dem Wertstoffhof kontrolliert zu werden. Ein weiterer Grund, warum die Ablehnung abgeholt wird, liegt auf der Hand: Im dünn besiedelten ländlichen Raum ist es für die privaten Entsorger teurer, die Säcke vor der Haustür abzuholen, als in Großstädten. Die Wege sind länger, damit auch die Personalund
Benzinkosten, die Ausbeute hingegen geringer.
Der Kreis wollte aber unbedingt ein„kombiniertes Hol- und Bringsystem“durchsetzen. Damit hätten die Bürger die Wahl gehabt, entweder einmal im Monat ihre Gelben Säcke vor die Tür zu stellen beziehungsweise wie im Nachbarkreis Biberach die Papiertonne zu nutzen und den Sack hineinzulegen – einen Tag nach der Papiermüllabfuhr, damit die Tonne entsprechend leer ist. Oder sie hätten ihre Säcke auch weiter zum Wertstoffhof bringen können, allerdings wäre die Zahl dieser Höfe ungefähr halbiert worden.
Da eine gütliche Einigung nicht möglich war, hat der Kreis eine Rahmenvorgabe erlassen, um das Duale System zur Systemumstellung zu zwingen. Dagegen wiederum hat das Privatunternehmen vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen geklagt. Und vorerst recht bekommen, aber nur bis zur endgültigen Entscheidung. Warum?
Das Gericht ist der Meinung, „dass diese Vorgaben voraussichtlich rechtswidrig sein dürften“, und hat die aufschiebende Wirkung der gegen die Rahmenvorgabe erhobenen Klage angeordnet, heißt es in einer Pressemitteilung. Die Vorgaben des Kreises seien zu weitreichend und würden „in die grundrechtlich geschützte unternehmerische Gestaltungsfreiheit der Systeme“eingreifen. Dabei ging es weniger um die Abholung der Gelben Säcke bei den Bürgern daheim, sondern um die Verpflichtung, die Papiertonnen und kommunalen Wertstoffhöhe mitzubenutzen. Ein Vergleichsvorschlag des Gerichts, dem Dualen System nur aufzuerlegen, künftig Gelbe Säcke abzuholen (ohne Papiertonne, ohne Bringmöglichkeit in die Wertstoffhöhe), lehnte der Kreis nach Auskunft des für Müll zuständigen Dezernenten Franz Baur ab. „Das entspricht nicht den Wünschen des Kreistages.“Gerade die Nutzung der Papiertonne sei den Kommunalpolitikern wichtig, damit die Gelben Säcke bei Stürmen nicht in der Gegend herumfliegen. So werde es schließlich auch im Nachbarlandkreis Biberach praktiziert.
Weiter führt die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts aus, dass auch die getroffene Regelung, die Gelben Säcke im Dezember jeden Jahres an die Haushalte zu verteilen, zu weitgehend sei. Darüber hinaus bestehe kein Grund zur Eile. Denn es laufe ja alles gut momentan und die Funktionsfähigkeit des Erfassungssystems bleibe erhalten. Hinzu komme, dass wegen der Investitionen und des anzunehmenden Gewöhnungseffekts in der Bevölkerung bei einer Systemumstellung die geschaffenen Zustände nur unter erschwerten Bedingungen rückabzuwickeln wären. Heißt: Wenn das Verwaltungsgericht im März oder April möglicherweise endgültig gegen den Kreis über die Sache entscheidet, müssten die Bürger, die sich gerade ein paar Monate an den Holservice gewöhnt hätten, den Verpackungsmüll doch wieder wegbringen.
Franz Baur bleibt aber optimistisch, dass die endgültige Entscheidung im Frühjahr zugunsten des Kreises – und seiner Bürger – ausfallen könnte.