Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Eine vergnügliche literarische Reise
Ana Schlaegel und Bernd Wengert im „Reisefieber“
RAVENSBURG - Halbzeit beim Theater Ravensburg in Ittenbeuren. Der sechste Mittwochabend hat ein passendes Thema für die „Daheimgebliebenen“präsentiert: Reisen und Urlaub. Ana Schlaegel und Bernd Wengert machten aus vielen Literaturausschnitten von Tucholsky, Kästner, Eugen Roth, Ringelnatz, Kishon, aber auch unbekannteren Autoren eine anregende Lesung. Und die bekam viel Beifall und zwischendrin verständnisinniges Kopfnicken von den zahlreichen Gästen, die Veranstaltung war wieder reichlich ausgebucht.
In diesem Sommer der Reisewarnungen ist die Zuflucht zur literarischen Reise geradezu angemessen. Und wo könnte man sich bei diesem Sommertraumwetter so ganz ohne äußere Zwänge besser bewegen als in Heimatgefilden? Zumindest spart man eine Menge Reisekosten, die zum Teil, so die beiden Darsteller zu Beginn, auch in den Theater-Spendenhut fallen könnten.
Einstieg mit Eugen Roths Gedicht „Flüchtige Zeit“in verteilter Lesung: „Oh Ferienzeit, oh kurzer Wahn“geht es da los, wie wahr! Also, wie war das noch früher bei den Fahrten mit den Eltern und Geschwistern im VW-Bus mit dem „Vorzelt zur Hölle“? Die Momente auf den Reisen, in denen sich das Anbringen der Regenrinne zwischen Bus und Vorzelt zu Ewigkeiten dehnt, die Suche nach dem perfekten Platz zur Odyssee mit Steineschleppen wird – irgendwie kennt das jeder, auch die, die nie gecampt haben.
„Schön ist es auch anderswo, und hier bin ich sowieso“, dichtete Wilhelm Busch in geistreicher Sottise und Eugen Roth nimmt Immanuel Kant zum Zeugen für mangelnde Reiselust – „auch Kant, der wunderliche Zwerg, kam nie heraus aus Königsberg“. Das mit dem Zwerg stimmt zwar nicht ganz, aber es reimt sich so verführerisch. Die Reiseschriftsteller Swift, Defoe und Verne als „klassische Zuhausebleiber“schicken ihre literarischen Helden auf abenteuerliche Reisen, sind aber selbst höchst „weltfremd“. Schön ist dieses Wühlen in Literaturschnipseln – man bekommt ein weiteres
Mal Lust aufs Lesen, nicht erst bei einem Text von Hugo Wiener oder den surrealen Gedichten von Ringelnatz über die „Ameisen auf der Altonaer
Chaussee“, denen die Füße wehtaten.
Weiter geht's zum Gerichtsurteil des Landgerichts Frankfurt Main für 50 deutsche Kreuzfahrtreisende, die durch eine von 500 Schweizern mit Almjodlern umgewidmete KaribikKreuzfahrt andauernd traumatisiert wurden und 40 Prozent Preisminderung zugesprochen bekamen. Auch die Bildungsreise eines schwäbischen Ehepaars in die Toskana bekommt ihr Fett weg, dazwischen droht Erich Kästner mit dem „Selbstmord im Familienbad“.
So schnell war selten eine Stunde vorbei - und so ist das mit dem Vergnügen: Es hallt noch einige Zeit nach und hält noch länger vor.