Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Eine vergnüglic­he literarisc­he Reise

Ana Schlaegel und Bernd Wengert im „Reisefiebe­r“

- Von Dorothee L. Schaefer

RAVENSBURG - Halbzeit beim Theater Ravensburg in Ittenbeure­n. Der sechste Mittwochab­end hat ein passendes Thema für die „Daheimgebl­iebenen“präsentier­t: Reisen und Urlaub. Ana Schlaegel und Bernd Wengert machten aus vielen Literatura­usschnitte­n von Tucholsky, Kästner, Eugen Roth, Ringelnatz, Kishon, aber auch unbekannte­ren Autoren eine anregende Lesung. Und die bekam viel Beifall und zwischendr­in verständni­sinniges Kopfnicken von den zahlreiche­n Gästen, die Veranstalt­ung war wieder reichlich ausgebucht.

In diesem Sommer der Reisewarnu­ngen ist die Zuflucht zur literarisc­hen Reise geradezu angemessen. Und wo könnte man sich bei diesem Sommertrau­mwetter so ganz ohne äußere Zwänge besser bewegen als in Heimatgefi­lden? Zumindest spart man eine Menge Reisekoste­n, die zum Teil, so die beiden Darsteller zu Beginn, auch in den Theater-Spendenhut fallen könnten.

Einstieg mit Eugen Roths Gedicht „Flüchtige Zeit“in verteilter Lesung: „Oh Ferienzeit, oh kurzer Wahn“geht es da los, wie wahr! Also, wie war das noch früher bei den Fahrten mit den Eltern und Geschwiste­rn im VW-Bus mit dem „Vorzelt zur Hölle“? Die Momente auf den Reisen, in denen sich das Anbringen der Regenrinne zwischen Bus und Vorzelt zu Ewigkeiten dehnt, die Suche nach dem perfekten Platz zur Odyssee mit Steineschl­eppen wird – irgendwie kennt das jeder, auch die, die nie gecampt haben.

„Schön ist es auch anderswo, und hier bin ich sowieso“, dichtete Wilhelm Busch in geistreich­er Sottise und Eugen Roth nimmt Immanuel Kant zum Zeugen für mangelnde Reiselust – „auch Kant, der wunderlich­e Zwerg, kam nie heraus aus Königsberg“. Das mit dem Zwerg stimmt zwar nicht ganz, aber es reimt sich so verführeri­sch. Die Reiseschri­ftsteller Swift, Defoe und Verne als „klassische Zuhauseble­iber“schicken ihre literarisc­hen Helden auf abenteuerl­iche Reisen, sind aber selbst höchst „weltfremd“. Schön ist dieses Wühlen in Literaturs­chnipseln – man bekommt ein weiteres

Mal Lust aufs Lesen, nicht erst bei einem Text von Hugo Wiener oder den surrealen Gedichten von Ringelnatz über die „Ameisen auf der Altonaer

Chaussee“, denen die Füße wehtaten.

Weiter geht's zum Gerichtsur­teil des Landgerich­ts Frankfurt Main für 50 deutsche Kreuzfahrt­reisende, die durch eine von 500 Schweizern mit Almjodlern umgewidmet­e KaribikKre­uzfahrt andauernd traumatisi­ert wurden und 40 Prozent Preisminde­rung zugesproch­en bekamen. Auch die Bildungsre­ise eines schwäbisch­en Ehepaars in die Toskana bekommt ihr Fett weg, dazwischen droht Erich Kästner mit dem „Selbstmord im Familienba­d“.

So schnell war selten eine Stunde vorbei - und so ist das mit dem Vergnügen: Es hallt noch einige Zeit nach und hält noch länger vor.

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FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER Halb szenisch, souverän im Plauderton vorgetrage­n, gaben Ana Schlaegel und Bernd Wengert ihre Lesung auf der Bühne in Ittenbeure­n.

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