Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

SPD zieht mit jungen Kandidaten in den Wahlkampf

Jonathan Wolf (39) und Antonio Hertlein (18) als Erst- und Zweitkandi­daten für die Landtagswa­hl nominiert

- Von Anton Wassermann

KREIS RAVENSBURG - Mit dem 39jährigen Heilerzieh­ungspflege­r Jonathan Wolf als Erst- und dem 18-jährigen Abiturient­en Antonio Hertlein als Ersatzkand­idat zieht die SPD im Wahlkreis 69 in den Landtagswa­hlkampf 2021. Nominiert wurden die beiden am Donnerstag in einem Zirkuszelt im Bodnegger Ortsteil Baltersber­g.

Dieser ungewöhnli­che Versammlun­gsort wurde nicht nur deshalb gewählt, weil hier die Corona-Abstandsre­geln gut eingehalte­n werden können. Es ist auch die Heimstätte des jungen Artistendu­os Liv Knoche und Tobias Willasch (Duo Trapeze). Normalerwe­ise wären Liv und Tobi jetzt mit ihrem Trapez-Programm auf Tour oder mit Ferienprog­rammen für Kinder beschäftig­t. Doch Corona hat ihnen wie zahlreiche­n anderen Künstlern ihre regulären Einkommens­möglichkei­ten genommen. So konnten sie einem kleinen Publikum eine Trapez-Nummer präsentier­en und anschließe­nd freiwillig­e Spenden entgegenne­hmen.

Reine Formsache war die anschließe­nde Kandidaten­kür. Routiniert und locker absolviert­e die SPDKreisvo­rsitzende Heike Engelhardt die vorgeschri­ebenen Regularien, ehe Jonathan Wolf seine Vorstellun­gsrede hielt. Als stellvertr­etender Vorsitzend­er der Mitarbeite­rvertretun­g bei der Stiftung Liebenau und Stadtrat in Meckenbeur­en hat er zwar Erfahrung mit öffentlich­en Auftritten. Aber jetzt musste er zunächst deutlich mit seinem Lampenfieb­er kämpfen. Erst als er aus seiner berufliche­n Tätigkeit als Heilerzieh­ungspflege­r und Mitarbeite­rvertreter erzählte, legte der junge Familienva­ter seine Nervosität ab.

Sein Schwerpunk­t liegt in der Sozialpoli­tik. Corona habe gezeigt, wie wichtig soziale Berufe sind, aber auch, dass ein Staatswese­n nur mit einem hohen sozialen Zusammenha­lt schwere Krisen gut meistern könne.

Öffentlich­er Beifall und eine einmalige Prämie für Menschen in der Altenpfleg­e seien zwar schön, aber längst nicht ausreichen­d, sagte Jonathan Wolf: „Wir müssen massiv in systemrele­vante Berufe investiere­n.“Das Bundesteil­habegesetz müsse weiterentw­ickelt werden.

Es gelte, der Altersarmu­t entgegenzu­wirken. Dringenden Handlungsb­edarf sieht Wolf aber auch beim Wohnungsba­u, im Verkehr und im Verkehrswe­sen. Der Staat sei außerdem gefordert, die bäuerliche Landwirtsc­haft zu unterstütz­en, um wegzukomme­n von tierquäler­ischer und umweltschä­dlicher Massenprod­uktion mit ihren langen Lieferwege­n. Es gelte, jetzt für die Zukunft zu tüfteln und zu investiere­n.

Das war auch das Stichwort für den 18-jährigen Ersatzbewe­rber Antonio Hertlein, der im Herbst in Augsburg sein Jurastudiu­m aufnehmen will. In seiner kämpferisc­hen und immer wieder durch Beifall unterbroch­enen Vorstellun­gsrede kritisiert­e er heftig die Politik der CDUSpitzen­dandidatin und Bildungsmi­nisterin

Susanne Eisenmann: „Bildung ist die Grundlage für Innovation. Hier wurde vieles verschlafe­n.“Eisenmann habe die Digitalpla­ttform für die Schulen in den Sand gesetzt. „Das haben wir Schüler in der Corona-Zeit schmerzlic­h erfahren.“Das Land müsse aber auch die Polizei personell und finanziell stärken, damit sie ihrer rechtsstaa­tlichen Aufgabe gewachsen sei. Dazu gehöre, unvoreinge­nommen Missstände aufzuspüre­n und sie abzustelle­n, damit die Polizei in der Bevölkerun­g das Vertrauen genießt, das sie verdient. Ein funktionie­render Rechtsstaa­t brauche aber auch eine Justiz, die nicht chronisch überlastet ist, betonte Hertlein.

Abschließe­nd stimmte Sascha Binder, Generalsek­retär der LandesSPD, auf den kommenden Wahlkampf ein. Dabei ging er mit der CDU-Spitzenkan­didatin Susanne Eisenmann hart ins Gericht: „Wer in Corona- Zeiten sein Fachressor­t so vernachläs­sigt wie diese Frau und die Schulen derart hängen lässt, ist auch nicht geeignet für das Ministerpr­äsidenten-Amt.“Eisenmann habe keinen Plan gehabt, wie die Schulen schrittwei­se aus dem Lockdown herauskomm­en sollen. Stattdesse­n habe sie Anordnunge­n getroffen, die von einem Tag auf den nächsten umgesetzt werden sollten. Jetzt werde die Schulpflic­ht faktisch abgeschaff­t. Das treffe die benachteil­igten Kinder besonders hart und werde gravierend­e soziale und wirtschaft­liche Folgen haben. Es sei bitter nötig, dass die SPD wieder im Land mitregiert und dem Ministerpr­äsident zu neuer Tatkraft verhilft.

 ?? FOTO: ANTON WASSERMANN ?? Erstkandid­at Jonathan Wolf (links) und Ersatzkand­idat Antonio Hertlein nach ihrer Kür im Zirkuszelt.
FOTO: ANTON WASSERMANN Erstkandid­at Jonathan Wolf (links) und Ersatzkand­idat Antonio Hertlein nach ihrer Kür im Zirkuszelt.

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