Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Heimat macht Laune
Warum Regionalserien und Landkrimis so beliebt sind - Studie der Uni Würzburg
WÜRZBURG - Hohe Berge, flache Küsten, weite Wälder und jede Menge Menschen, die das Herz auf dem rechten Fleck haben: Das Fernsehen ist voller Sendungen über Land und Leute, das Genre Heimat boomt wie kaum ein anderes. Nur der zuverlässige Publikumsmagnet Krimi sorgt in der Regel für noch höhere Einschaltquoten, wobei auch hier der Heimatfaktor eine wichtige Rolle spielt, wie „Die Rosenheim-Cops“aus dem schönen Oberbayern, das gute alte „Großstadtrevier“aus der pulsierenden Hafenstadt Hamburg, die Münster-Krimis mit Privatdetektiv Wilsberg oder den lustigen „Tatort“-Kommissaren Boerne und Thiel oder auch Formate wie „Nord bei Nordwest“(Ostsee) und „Die Toten vom Bodensee“beweisen. Was aber macht die Faszination von Sendungen mit Heimatbezug aus, warum sind Serien wie „Um Himmels Willen“mit TV-Urgestein Fritz Wepper oder „Der Bergdoktor“mit Publikumsliebling Hans Sigl so erfolgreich? Dieser Frage sind Medienforscher der Universität Würzburg jetzt erstmals in einer groß angelegten Studie nachgegangen, die unter dem etwas sperrigen Titel „Nutzungsmotive für Heimatsendungen im Fernsehen“in der Fachzeitschrift „Media Perspektiven“(Ausgabe 4/2020) veröffentlicht worden ist.
Für „die erste grundlegende Studie zur Nutzung von Heimatsendungen“im deutschen Fernsehen, wie die Autoren ihre Untersuchung selbstbewusst bezeichnen, wurden 700 Menschen zwischen 18 und 80 eingehend zum Thema befragt. Dabei ging es nicht nur um fiktionale Formate wie Regionalkrimis oder Seifenopern mit einem engen Bezug zu bestimmten Städten oder Gegenden wie „Berlin – Tag & Nacht“oder „Der Bergdoktor“. Einbezogen wurden auch regionale Nachrichtensendungen wie die gute alte „Landesschau“im SWR-Fernsehen, Dokumentationen über Natur, Kultur oder Geschichte, ferner um Musiksendungen, Quizshows und sogar Comedyformate und Kochsendungen wie die SWR-Sendung „Lecker aufs Land“, in der Landfrauen aus Oberschwaben, von der Schwäbischen Alb, aus dem Kraichgau und vielen anderen süddeutschen Regionen zeigen, was sie am Herd so draufhaben. Dass dabei die Dritten Programme eine herausragende Rolle spielen, versteht sich von selbst. Das Thema Heimat ist bei SWR, WDR, NDR, MDR und Co. schließlich die Hauptsache.
Warum also schalten viele Zuschauer Sendungen mit regionalem Bezug ein? Ein wichtiger Grund: Viele wollen sich – wenig überraschend – etwa mithilfe der Regionalnachrichten und schöner Reiseoder Naturdokumentationen ganz einfach darüber informieren, was in ihrem Sprengel los ist und wo man da mal hinfahren könnte, sie wollen also auf den neuesten Stand gebracht und auch inspiriert werden. Für rund 90 Prozent der Befragten war das Rezeptionsmotiv „Information“bei regionalen Nachrichtenformaten, Sendungen über Land und Leute sowie einschlägigen Kulturdokumentationen besonders wichtig.
Wer dagegen regelmäßig eine regionale Seifenoper im Stil der Schwarzwald-Saga „Die Fallers“(SWR) und der bayerischen Familienserie „Dahoam is Dahoam“(BR) oder einen der unzähligen Regionalkrimis von „Nord Nord Mord“über „Hubert ohne Staller“bis „WaPo Bodensee“konsumiert, tut das in erster Linie aus Gründen der „Stimmungsregulierung“, wie das in der Medienwissenschaft so schön heißt. Oder anders ausgedrückt: Er will einfach seine momentane Laune verbessern oder beibehalten, wenn sie sowieso schon gut ist. Mehr als 90 Prozent der Fans von fiktionalen Soaps und satte 96 Prozent der Landkrimi-Fans nannten das als Hauptgrund.
Wichtig sind auch die Motive „Ästhetik“(herrliche Bilder von Berg und Tal, Fluss und Wiese, gerne auch aus der Vogelperspektive) und „Habitualisierung“, also die Aneignung einer lieben TVGewohnheit: Die Serie wird zum wichtigen und regelmäßig wiederkehrenden Bestandteil des Alltags, langjährige Fans der im März nach mehr als 34 Jahren Laufzeit eingestellten Seifenoper „Lindenstraße“wissen, wovon die Rede ist.
Als wichtigen Grund, sich eine Familienserie oder einen Krimi mit Regionalbezug anzuschauen, wird von mehr als der Hälfte der Befragten und quer durch alle Altersgruppen und Bildungsschichten schließlich noch die Sehnsucht nach der heilen Welt genannt – was beweist, dass für viele Zuschauer Gemütlichkeit und Lokalkolorit viel wichtiger als Verbrechen sind, wenn sie den sympathischen „Rosenheim-Cops“oder den netten Polizisten vom „Großstadtrevier“bei der Arbeit zusehen. Erst recht in Zeiten von Corona und Klimachaos.