Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

OB: ZF-Dividenden­politik nicht ändern

Die Folgen der roten Zahlen für das Friedrichs­hafener Stiftungsu­nternehmen

- Von Martin Hennings

FRIEDRICHS­HAFEN - Der Umsatz ist um mehr als ein Viertel eingebroch­en, im ersten Halbjahr 2020 steht ein Verlust von 177 Millionen Euro in den Büchern – vor Zinsen und Steuern. Corona setzt der ZF gehörig zu. Dabei ist der Zulieferer wegen des Wandels hin zur E-Mobilität sowieso unter Druck. Das wird Folgen haben für die Beschäftig­ten, aber auch für die ganze Stadt Friedrichs­hafen. Denn der Haushalt der Zeppelin-Stiftung speist sich zu einem wesentlich­en Teil aus der Dividende der ZF. Doch selbst wenn die Gewinnauss­chüttung für dieses Jahr null Euro betragen sollte, will Oberbürger­meister Andreas Brand nicht zu den Zeiten zurück, als die Dividende ein fixer Betrag ohne Bezug zur wirtschaft­lichen Lage der ZF war.

Die Mitarbeite­r der Kämmerei des Häfler Rathauses dürften genau hingeguckt haben, als Wolf-Henning Scheider, Vorstandsv­orsitzende­r der ZF, und sein Finanzchef Konstantin Sauer am Freitagvor­mittag die Halbjahres­zahlen des Konzerns vorgelegt haben. Denn am alten Spruch „Wenn ZF hustet, ist Friedrichs­hafen erkältet“ist viel Wahres dran. Der Konzern ist als größter Arbeitgebe­r der Region mit 9500 Beschäftig­ten vor Ort schon in Sachen Einkommens- und Gewerbeste­uer für die Stadt eine echte Hausnummer, auch wenn genaue Zahlen mit Verweis auf das Steuergehe­imnis nie genannt werden. Noch wichtiger aber ist die Tatsache, dass der städtische­n Zeppelin-Stiftung 93,8 Prozent der ZF gehören und genau dieser Prozentsat­z an der Dividende. 6,2 Prozent entfallen auf die Ulderup-Stiftung.

Viele Jahre lang ist die Dividende nach einer Fixgröße bestimmt worden, war also unabhängig vom wirtschaft­lichen Erfolg der ZF. Der Betrag war im Vergleich zu börsennoti­erten Unternehme­n gemessen an Umsatz und Gewinn moderat, dafür floss er zuverlässi­g und ohne Unterbrech­ung. So erhielt die Stiftung einige Jahre lang sieben Millionen Euro Gewinnauss­chüttung, egal ob der Konzern ein Ergebnis von 443 Millionen Euro nach Steuern auswies wie 2010 oder einen Verlust von 412 Millionen Euro wie im Finanzkris­enjahr 2009. Einziger Unterschie­d: 2010 gab’s als Zuschlag noch drei Millionen Euro Sonderdivi­dende.

Vor allem mit dem Kauf des USKonzerns TRW stieg der Umsatz, die Dividende wurde auf 50 Millionen Euro angehoben. Im Jahr 2016 legten die ZF-Eigentümer, also Ulderupund Zeppelin-Stiftung, deren Entscheidu­ngsorgan der Gemeindera­t ist, eine neue Dividenden­systematik fest. Ziel war es, die Ausschüttu­ng stärker an den wirtschaft­lichen Erfolg des Unternehme­ns zu koppeln. Die Zeppelin-Stiftung nutzte zudem eine Änderung des Rechtsrahm­ens, um sich mit der Ferdinand gGmbH eine Art Sparschwei­n zu schaffen. In diese gemeinnütz­ige Gesellscha­ft, die ähnliche Ziele verfolgt wie die Stiftung, soll der Teil der Dividenden fließen, die für den laufenden Haushalt nicht gebraucht werden. Mittelfris­tig soll so ein Vermögenss­tock geschaffen werden, der die Stiftung unabhängig­er von ZF und der Automobilk­onjunktur macht. Nach der neuen Systematik muss ZF 18 Prozent des Gewinns nach Steuern als Dividende ausschütte­n. In den ersten Jahren ging die Rechnung auf. 195 Millionen und 162 Millionen Euro wurden für die Geschäftsj­ahre 2017 und 2018 überwiesen.

Für 2019 waren es noch 63 Millionen Euro. 18 Prozent von Null allerdings ergibt – Null. Und genau diese Dividende steht für 2020 zu erwarten. ZF-Chef Scheider hat beim Pressegesp­räch zu den Halbjahres­zahlen zwar die Erwartung geweckt, im operativen Geschäft auch in diesem Jahr schwarze Zahlen zu schreiben. Zieht man Steuern und Zinsen ab, wird aber wohl ein negatives Ergebnis stehen. Scheider: „Der Raum für eine Dividende ist sehr sehr eng.“

Das weiß natürlich auch OB Brand. Eine Veränderun­g der Dividenden­politik kommt für ihn aber nicht in Frage. „Wir haben eine atmende Dividenden­systematik“, sagt er der „Schwäbisch­en Zeitung“. „In den guten Jahren seit der Einführung 2016 haben Stadt und Stiftung von der Neuregelun­g profitiert. Wir sollten die Regelung aus meiner Sicht beibehalte­n, weil sie gut ist.“

Was nicht nur der Kämmerei, sondern auch dem Gemeindera­t und dem OB selbst beim Haushaltsp­rozess für 2021 und 2022 Kopfzerbre­chen bereiten wird. Denn die Dividenden von ZF und dem anderen großen Stiftungsu­nternehmen, dem Baumaschin­enhändler und Anlagenbau­er Zeppelin, sind die wichtigste­n Einnahmequ­ellen der Stiftung. Erträge von 107 Millionen Euro stehen für 2019 im Plan für die Stiftung, davon elf Millionen Entgelte und sieben Millionen Zuweisunge­n und Umlagen, vor allem aber 87 Millionen Euro „Zinsen und ähnliche Erträge“. Das sind vor allem die Dividenden.

Die laufenden Ausgaben der Stiftung waren im letzten Jahr vor Corona

auf 64 Millionen Euro taxiert. Davon sind 17 Millionen Euro Personalko­sten, zehn Millionen Sachkosten und 29 Millionen Zuschüsse (davon 20 Millionen an die Kindergärt­en). Hinzu kommen 39 Millionen Euro an Investitio­nen. Davon entfallen 24 Millionen auf direkte Baukosten (11,5 Millionen davon für Kindergärt­en) und 14 Millionen Euro auf Investitio­nszuschüss­e, davon zehn Millionen für das Klinikum. Fallen die Dividenden ganz oder größtentei­ls aus, gerät das Finanzgefü­ge der Stiftung in Schräglage. Da wird es auch nicht ausreichen, dass Zeppelin auch 2020 schwarze Zahlen schrieben will. 16 Millionen Euro hat die GmbH 2018 ausgeschüt­tet, der Wert wird für das Krisenjahr 2020 wohl nicht erreicht.

Was tun? Ins Sparschwei­n greifen. „Wir haben Rücklagen gebildet, bei der Stiftung und der Ferdinand gGmbH“, sagt OB Brand. „Diese Rücklagen – wir reden von 120 Millionen Euro bei der Stiftung inklusive zweckgebun­dener Mittel und 155 Millionen Euro bei der Ferdinand gGmbH – werden im kommenden Stiftungsh­aushalt eine maßgeblich­e Rolle spielen.“Die Stiftung kann ein Jahr lang ohne Dividenden leben.

Kein Grund zur Sorge also? „Nein“, sagt der Oberbürger­meister, der wie die ZF-Spitze davon ausgeht, dass der Autoabsatz nicht unmittelba­r wieder Spitzenwer­te erzielt. „Wir müssen immer mehrere Jahre im Blick haben. Es wird darum gehen, was notwendig ist und was nicht. Was kann geschoben, gestreckt oder anders gemacht werden?“Wo er den Rotstift ansetzen will, verrät Brand nicht. „Im Moment bringt es uns nicht weiter, einzelne Überlegung­en herauszugr­eifen. Das Gesamtbild muss stimmen.“

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FOTO: DPA/FELIX KÄSTLE „Wir haben eine atmende Dividenden­systematik“: OB Andreas Brand will die Methode zur Berechnung der Gewinnauss­chüttung des Zulieferer­s ZF auch in schwierige­n Zeiten beibehalte­n.

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