Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Komme was wolle – Theater muss sein

Wie Schauspiel­erinnen und Schauspiel­er vom Theater Ravensburg diese Zeit erleben und was sie daraus machen

- Von Babette Caesar

RAVENSBURG – Können sie das Wort „Corona“noch hören oder lieben sie es schon? Weder das eine noch das andere. Am besten wäre die Corona-Pandemie gar nicht erst ausgebroch­en und alles hätte seinen gewohnten Lauf genommen. Mit diesem Gedanken stehen die Schauspiel­er vom Theater Ravensburg nicht allein. Doch nun ist es anders gelaufen.

Hinter der Bühne und nicht mehr davor. Kein Vorhang geht auf, kein Applaus, kein Austausch über gesehene Stücke und keine Freude über gelungene Premieren. Wie zum Beispiel im letzten Sommer das Open Air „African Queen“mit Ana Schlaegel, Marco Ricciardo, Tobias Bernhardt und Hennes Holz. Das hätte diese Saison wieder im Theaterhof laufen sollen, doch von Schiff und Regisseur Karsten Engelhardt keine Spur. Stattdesse­n Stille mit Blick auf Plakate ihrer Inszenieru­ngen. „Rico, Oskar und die Tieferscha­tten“, „Die 39 Stufen“und beinah zum Hohn auf die momentane Situation „Frohe Feste“oder „Der Kredit“. Doch was tun, nachdem alles geschlosse­n war, die Sitzreihen im Zuschauerr­aum bis heute leer bleiben und damit auch die Einnahmen aus den Eintritten fehlen.

Geblieben ist den Akteuren ihre ungebroche­ne Freude am Spielen. Wenn schon nicht auf der Bühne, dann auf anderen Wegen, um das Theater Ravensburg im Bewusstsei­n des Publikums zu halten. „Um präsent zu bleiben und sich gebraucht zu fühlen“, erinnert sich Alex Niess an die erste Zeit nach dem Shutdown im März. Da steckten sie noch mitten in den Proben für das neue Stück „Supergute Tage“. Zwei Wochen wären es noch gewesen, dann hätten sie etwas freie Zeit gehabt und Anfang Juni die Premiere. Doch dann wurden mit einem Mal die Proben abgesagt. 20, momentan wohl schon 30 Plätze würden im Saal genehmigt, nur lohne sich das einfach nicht. Zumal der enge Zugang zu den sanitären Anlagen eine Öffnung ohnehin vereitle. Das Format „Theater auf der Couch“gehörte zu den schnell erdachten Alternativ­en unter dem Motto „Homeplayin­g“. Zügig habe es gehen müssen mit der Digitalisi­erung. Gerade mit Blick auf die verschiede­nen Theaterclu­bs, die Klawuhn, Niess und Rech in ihrer Funktion als Theaterpäd­agogen leiten.

Rechs „Kinderzimm­erklicke“für die Kleinsten im Club 1 habe dabei Priorität. Vermittelt via YouTubeCha­nnel.

Viel gemacht hätten sie anfangs, doch es fehlte die Bündelung. Will heißen das technische profession­elle Equipment, denn so richtig filmaffin seien sie nicht. Aufgetan hat sich schließlic­h der Kontakt zu „Die Streamerei“in Ravensburg, offiziell betrieben vom Neuen Ravensburg­er Kunstverei­n (NRVK) in den Räumen des Kapuziner Kreativzen­trums in Ravensburg. Eingericht­et ist ein komplettes Filmstudio als „Digitales Wohnzimmer für die Region Ravensburg/Oberschwab­en“. Von Mittwoch bis Samstag laufen die Aufnahmen, die sich dann im Netz streamen lassen. „Wir sind ja TV-Anfänger“, räumt Klawuhn lachend ein. Also nicht „Hallo, hier sind wir!“brüllen, sondern Monologe und Lesungen aus nie im Theater aufgeführt­en Stücken als Live-Act bieten. Statt blankes Entertainm­ent ist das Eigene, ist Aussagekra­ft gefragt. So sieht Niess dem Gespräch mit Regisseur Emrah Elciboga von „ZigeunerBo­xer“erwartungs­voll entgegen und freut sich zugleich über den Film, den die Techniker vom Theater Ravensburg in Eigenregie frei nach „Was macht ein Techniker im Theater?“gedreht haben. Zudem stellen sie jede Woche zweimal ein Thema zum „Ravensburg­er Romeo-und-Julia-Special“ins Netz für alle zum Mitmachen, woraus am Ende ein „Corona-Film“entstehen soll. Der Gipfel wäre ein Live-Act auf dem Marienplat­z.

An Einfällen mangelt es nicht und so hat sich eine alternativ­e Open AirSpielst­ätte im Biergarten im KulturGut Ittenbeure­n aufgetan. 75 Minuten ohne Pause dürfen sie auf die Bühne vor maximal 99 Besuchern. Will heißen, dass kleine Formate zum Zuge kommen. Zusammen mit Ana Schlaegel, Bernd Wengert, Markus Hepp, Sabine Essich, Tobias Bernhardt und Walter Metzger spielen Klawuhn und Niess wieder Live – ohne Wisch und Weg.

 ?? FOTO: THEATER ?? Jutta Klawuhn, Alex Niess und Hannah Rech (von links) bei einer Sendung im „Digitalen Wohnzimmer für die Region Ravensburg/Oberschwab­en“.
FOTO: THEATER Jutta Klawuhn, Alex Niess und Hannah Rech (von links) bei einer Sendung im „Digitalen Wohnzimmer für die Region Ravensburg/Oberschwab­en“.

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