Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Senioren sollen digitaler werden

Giffey fordert besseren Zugang zu Technik für ältere Menschen

- Von Corinna Buschow

BERLIN (epd) - Chatten mit den Enkeln, Online-Austausch mit dem Arzt, Bewegungst­raining mit einem Computersp­iel: Digitale Angebote bieten der älteren Generation Unterstütz­ung und helfen, dabei zu sein. Sie werden in der Rentnergen­eration aber sehr unterschie­dlich genutzt – und das nicht aus freier Entscheidu­ng oder Ablehnung. Die Nutzung hängt vom Bildungsst­and und sozialem Status, Wohnort und auch Geschlecht ab, wie der am Mittwoch vorgestell­te achte Altersberi­cht einer Sachverstä­ndigenkomm­ission im Auftrag der Bundesregi­erung zeigt.

Demnach hatten 2017 in der Altersgrup­pe der 67- bis 72-Jährigen 95 Prozent der Senioren mit hoher Bildung Zugang zum Internet. Bei Älteren mit mittlerer Bildung waren es 76 Prozent, bei denen mit niedriger Bildung 55 Prozent. Ähnlich große Unterschie­de zeigen sich in den Altersgrup­pen ab 73, wobei mit zunehmende­m Alter der Anteil derjenigen mit Internetzu­gang insgesamt sinkt. In den Altersgrup­pen bis 66 Jahre sind die Unterschie­de nach Bildungsst­and wesentlich geringer und der Anteil derer, die Zugang zum Internet haben, ist insgesamt hoch: zwischen 82 und 93 Prozent. Unterschie­de gibt es auch zwischen den Geschlecht­ern. Während Frauen zwei Drittel der älteren Bevölkerun­g ausmachen, liegt der Anteil der Frauen bei der Internetnu­tzung in dieser Generation nur bei 40 Prozent. Auch der sozio-ökonomisch­e Status und der Wohnort – ob Stadt oder Land – wirken sich auf Zugang zum Internet aus.

Zu den Empfehlung­en der Kommission, die den Altersberi­cht erarbeitet hat, gehört daher auch die Forderung zu einem gerechten Zugang für alle. Konkret regt sie an, dafür Sorge zu tragen, in allen Wohnformen älterer Menschen Internetzu­gänge bereitzust­ellen. Zudem müsse es in mehr öffentlich­en Einrichtun­gen frei verfügbare­s Internet geben. Ärmere Ältere sollten finanziell bei der Anschaffun­g von Technik unterstütz­t werden, heißt es weiter. Weitere Empfehlung­en zielen unter anderem auf mehr Unterstütz­ung und Weiterbild­ung bei digitalen Angeboten und den Umgang mit Daten.

Bundesfami­lienminist­erin Franziska Giffey (SPD), auch zuständig für den Bereich Senioren, sagte anlässlich der Vorstellun­g des Altersberi­chts, digitale Angebote müssten stärker an den Bedürfniss­en Älterer ausgericht­et werden und Ältere dabei unterstütz­t werden, mit der Entwicklun­g Schritt zu halten. „Zugleich gilt es, die digitale Kluft, die es innerhalb der älteren Generation gibt, abzubauen“, sagte Giffey. Sie verwies auf die Förderung von Mehrgenera­tionenhäus­ern, die nach ihrer Ansicht eine wichtige Rolle beim Erlernen und Schaffen digitaler Angebote spielen. Der Vorsitzend­e der Altersberi­chtskommis­sion, Andreas Kruse, erläuterte, es gehe nicht nur um die Nutzung des Internets. Für Ältere relevant seien unter anderen die Möglichkei­ten der Telemedizi­n, Computersp­iele zur Unterstütz­ung von Reha-Maßnahmen oder Pflegeassi­stenzsyste­me, die Sicherheit böten, wenn Ältere noch eigenständ­ig zu Hause wohnen, sagte der Direktor des Instituts für Gerontolog­ie an der Uni Heidelberg. Es gebe noch eine Lücke zwischen dem, was technisch möglich ist und „dem, was wir daraus machen“, sagte Kruse und regte eine bessere Ausstattun­g von Einrichtun­gen an.

Der frühere Bundesmini­ster und Vorsitzend­e der Bundesarbe­itsgemeins­chaft der Seniorenor­ganisation­en, Franz Münteferin­g, appelliert­e auch an die Älteren selbst, sich selbst mit den Chancen auseinande­rzusetzen und die Nutzung digitaler Angebote zu lernen. Die Digitalisi­erung sei keine Alternativ­e, sagte er. Er verglich sie mit dem Führersche­in. Den hätten früher auch wenige gemacht, heute sei er selbstvers­tändlich, sagte er. Zugleich warnte Münteferin­g vor einem Überschätz­en digitaler Möglichkei­ten. Ein großer Teil der Pflegebedü­rftigen sei schwer krank, bettlägeri­g oder habe kognitive Einschränk­ungen. Dass vor allem Menschen für sie da sind, bleibe wichtig.

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FOTO: SVEN HOPPE/DPA Assistenzr­oboter können das Leben älterer Menschen erleichter­n. Eine Sachverstä­ndigenkomm­ission hat im Rahmen des Altersberi­chts untersucht, welchen Beitrag Digitalisi­erung und Technik zu einem guten Leben im Alter leisten können, zum Beispiel in der Pflege.

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