Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Söder, der Entzauberte
Einige Kollegen von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder dürften die Probleme bei den Corona-Tests mit heimlicher Genugtuung registriert haben. Immerhin hatte der CSU-Chef noch bis zum vergangenen Montag den anderen Ländern breitbeinig und ungefragt Tipps zum Umgang mit dem Coronavirus erteilt.
Nun stellt sich heraus: Der notorisch ungeduldige Söder hat mit seinem bayerischen Alleingang bei den Corona-Tests nicht nur andere Länder düpiert, sondern auch sein eigenes überfordert. Die schleppende händische Übertragung von Zehntausenden Datensätzen hätte man vielleicht einer Berliner Verwaltung zugetraut. Doch nicht den bayerischen Behörden, bei denen Lederhose und Laptop angeblich perfekt zusammenspielen. Die Panne hat den sich als umsichtigen Corona-Manager inszenierenden Ministerpräsidenten ein Stück weit entzaubert.
Dass der notorisch besserwissende Umfragenaufsteiger aus dem Süden nun einen Dämpfer erhalten hat, dürfte die Polit-Konkurrenz freuen. In der CDU wird sich die Genugtuung allerdings in Grenzen halten: Zwar hatte der CSU-Chef mit seinen kaum verdeckten Kanzlerambitionen viele in der Schwesterpartei verärgert. Doch legt das Straucheln des beliebten Bayern die Führungsmisere in der Union schonungslos offen: In Sachen Kanzlertauglichkeit hatte Söder die drei offiziellen Kandidaten auf den CDU-Vorsitz längst abgehängt. Ist der Nimbus des Bayern angekratzt, wird die Kanzlerreserve der Union übersichtlich – und SPDHerausforderer Olaf Scholz zur echten Gefahr.
Für Schadenfreude besteht aber auch für die anderen Parteien kein Anlass: Dass etwa tausend CoronaInfizierte tagelang ohne Wissen um ihre Krankheit in Deutschland unterwegs waren und sind, lässt die sowieso schon wachsende Gefahr einer neuen Infektionswelle weiter steigen. Und die Zahlen legen nahe, dass Söder mit seiner Warnung vor einer urlaubsbedingten Ausbreitung richtig lag. Das Virus ist noch längst nicht besiegt. Und es nutzt jede Unaufmerksamkeit und jede Panne.