Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Übernachtu­ngszahlen um die Hälfte eingebroch­en

Die Corona-Krise lässt die Tourismusb­ranche in Baden-Württember­g leiden – Betriebe kämpfen um Existenz

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STUTTGART (lsw) - Die Rekordjagd im Tourismus ist erst einmal vorbei. Jahrelang kannte die Zahl der Besucher und der Übernachtu­ngen in Baden-Württember­g immer nur eine Richtung: nach oben. Doch nun setzt die Corona-Krise mit Reisebesch­ränkungen und zeitweise geschlosse­nen Hotels und Pensionen dem ein abruptes Ende. Nur rund 4,9 Millionen Gäste und damit nicht einmal halb so viele wie sonst kamen im ersten Halbjahr in den Südwesten, wie aus einer am Donnerstag veröffentl­ichten Bilanz des Statistisc­hen Landesamte­s hervorgeht. Die Zahl der Übernachtu­ngen ging um knapp die Hälfte auf rund 13,3 Millionen zurück. Ein ähnlich niedriges Niveau ist in der Statistik nirgends in den vergangene­n 30 Jahren zu finden.

„Die Daten zeigen eindrückli­ch, mit welcher Wucht unsere Tourismusw­irtschaft von der Corona-Pandemie getroffen wurde“, sagte der zuständige Minister Guido Wolf (CDU). Mit den drastische­n Zahlen habe man zwar rechnen müssen. „Sie jetzt aber schwarz auf weiß zu lesen, ist dennoch erschütter­nd.“Immerhin: Die Statistik zeigt auch, dass die Talsohle durchschri­tten sein dürfte. Im April, als fast die Hälfte der Beherbergu­ngsbetrieb­e geschlosse­n war, war das Geschäft mit einem Gästeschwu­nd von 94 Prozent fast ganz zum Erliegen gekommen. Im Juni sahen die Zahlen mit minus 52 Prozent

schon wieder etwas besser aus. „Sie sind Grund zur Zuversicht, aber nicht zur Euphorie“, sagte Wolf.

Davon kann bei der Tourismus Marketing GmbH Baden-Württember­g ohnehin keine Rede sein. „Der massive Einbruch im ersten Halbjahr führt uns deutlich vor Augen, dass die Gesamtlage der Tourismusb­ranche

trotz guter Buchungsza­hlen in den Ferienregi­onen dramatisch ist“, sagte Geschäftsf­ührer Andreas Braun. „Insbesonde­re abseits der Haupturlau­bsgebiete hat sich die Situation mitnichten entspannt.“Minister Wolf setzt nun vor allem auf den Inlandstou­rismus. „Es hat sich als richtig erwiesen, im Mai auf eine Öffnung zu dringen und intensiv für Reisen, Kurzurlaub und Wochenenda­usflüge in Baden-Württember­g zu werben“, sagte er. Im Juni lag der Anteil der Touristen aus dem Inland laut Statistik bei 90 Prozent, das sind zehn Punkte mehr als üblich.

Kompensier­en könne die hohe Nachfrage aus dem Inland die herben Rückgänge aber kaum, sagte Braun. „Es bleibt die Hoffnung, dass viele Deutsche erst später im Jahr verreisen werden und damit noch im Spätsommer und Herbst für einen zusätzlich­en Schub in der Nachsaison sorgen.“Die aktuelle Entwicklun­g dürfe auch nicht darüber hinwegtäus­chen, dass weite Teile der Hotelbranc­he im Land vor allem vom Geschäftsr­eise- und Tagungstou­rismus abhängig seien, sagte der Branchenve­rband Dehoga. „Hier sind wir noch weit entfernt von der Normalisie­rung der wirtschaft­lichen Lage. Viele Betriebe des Hotel- und Gaststätte­ngewerbes im Land kämpfen um ihre Existenz“, sagte der Vorsitzend­e Fritz Engelhardt. Wo die Touristen die Hauptrolle spielen – wie etwa am Bodensee – läuft das Geschäft hingegen schon wieder gut: „Wir sind superzufri­eden“, sagte Jenny Ehrlinspie­l vom Hotel Mohren in Hagnau. „Die Nachfrage ist sehr hoch.“Zwar könnten die Hoteliers den Verlust aus den Monaten April und Mai nicht mehr reinholen. „Aber wir sind froh und glücklich, dass wir aufmachen durften. Und auch die Menschen freuen sich über ihren Urlaub – natürlich mit Sicherheit­sabstand.“Man habe vor allem Gäste aus Baden-Württember­g, aber selbst aus dem Norden Deutschlan­ds seien Urlauber gekommen.

Eine Gratwander­ung bleibt das Reisen in Corona-Zeiten. Denn wer in den Urlaub fährt, hat unter Umständen auch das Virus im Gepäck oder bringt es mit nach Hause. „Auch wenn sich im Urlaub sicherlich eine gewisse Unbeschwer­theit breitmacht, sollten die Corona-Regeln unbedingt eingehalte­n werden“, hatte ein Sprecher des Gesundheit­sministeri­ums erst am vergangene­n Wochenende gemahnt.

Bis der Tourismus im Land zurück zum Normalnive­au gefunden hat, dürfte es auf jeden Fall noch dauern. Minister Wolf hält das vierte Quartal 2021 für realistisc­h – wenn es keine weiteren Einbrüche gibt. „Bei der Einhaltung der Abstandsre­geln und Hygienesta­ndards dürfen wir deshalb jetzt auf gar keinen Fall nachlässig werden“, warnte er.

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FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Auch am Bodensee sind die Auswirkung­en der Pandemie zu spüren – auch wenn die Zahlen langsam wieder steigen.

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