Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Menge der Tests war viel größer als gedacht
Handschriftliche Anträge, fehlende technische Infrastruktur – Wie die Corona-Panne in Bayern passieren konnte
MÜNCHEN (dpa) - Es ist eine Riesenpleite für CSU-Chef Markus Söder (CSU): Irgendwo in Deutschland waren bis Donnerstag mehr als 1000 Menschen unterwegs, die nachweislich mit dem Coronavirus infiziert sind, denen dies aber bis zu zwei Wochen lang nicht mitgeteilt wurde.
Wie konnte es zu der Panne kommen?
Es gibt mehrere Gründe. Der politische Wunsch der bayerischen Staatsregierung um Söder, Urlaubsrückkehrer möglichst flächendeckend zu testen, wurde hastig umgesetzt. Das Bayerische Rote Kreuz hatte schon vor Tagen bemängelt, die „eigentlich gute Idee“hätte ein paar Tage mehr Vorbereitungszeit verdient gehabt. Hinzu kam, dass die Behörden in Bayern und die beteiligten Labore geradezu überrollt wurden von einer Flut von freiwilligen Tests – insgesamt mehr als 60 000 an Autobahnen, Bahnhöfen und Flughäfen.
Was genau ist das Problem? Während es an den Flughäfen und teils auch an den Bahnhöfen offenbar vergleichsweise reibungslos lief, traten die Probleme vor allem an den drei Autobahn-Testzentren Donautal-Ost, Inntal-Ost und Hochfelln auf. Dort mussten die Reisenden handschriftlich einen Testantrag ausfüllen, dann wurde ein Abstrich genommen. Sie erhielten einen QRCode, den sie in ihre Warn-App einlesen konnten, und sollten so das Ergebnis bekommen. Das beteiligte Labor habe aber große Probleme gehabt, die Flut von handbeschriebenen Anträgen zu digitalisieren – selbst mit aufgestocktem Personal. Die Testergebnisse hätten vorgelegen, aber wegen fehlender Digitalisierung nur schwer den betroffenen Personen zugeordnet werden können. Die handschriftlichen Anträge seien „zum Teil gut zu lesen, zum Teil schlecht zu lesen“, sagte der Präsident des Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), Professor Andreas Zapf. Einige hätten auch nur ein Codewort eingetragen und hofften nun, darüber ein Ergebnis zu erfahren.
Wie groß ist die Gefahr, dass positiv Getestete weitere Menschen angesteckt haben?
Die Gefahr ist sehr groß – die Frage ist nur: Wie viele? Die Nachverfolgung der Betroffenen und deren Kontaktpersonen über die Gesundheitsämter hat noch nicht stattfinden können. Dazu kommt: In Quarantäne müssen ja nur Urlauber, die aus Risikogebieten kommen.
Ist es denkbar, dass es noch mehr Reiserückkehrer gibt, die Virusträger sind?
Ja, durchaus. Nicht alle Rückkehrer haben sich in Bayern testen lassen, und in anderen Bundesländern gibt es nur wenig freiwillige Tests für Menschen aus Nicht-Risikogebieten. Daher dürfte die Zahl derer deutlich höher sein, die infiziert sind und davon nichts wissen – mit der entsprechenden Folge eines deutlich erhöhten Ansteckungsrisikos.
Was macht Bayern von nun an besser?
Spätestens seit Donnerstag sind alle acht Testzentren in der Hand professioneller Dienstleister. Sie digitalisieren die eingehenden Testanträge mit den persönlichen Daten der Getesteten – damit sollte die Übermittlung deutlich schneller funktionieren. Gesundheitsministerin Melanie Huml erklärte am Nachmittag, von mehr als 1000 positiven Tests seien 908 Getestete identifiziert worden. Sie würden nach und nach informiert. Bei noch nicht zugeordneten Testergebnissen werde zudem geprüft, ob darunter Dubletten sind. Um den Stau aufzuarbeiten, wurde das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit um 100 Leute aufgestockt. Zapf wurde ins Gesundheitsministerium versetzt.
Ändert Söder jetzt die Strategie? Nein. Im Gegenteil. Neben den acht mobilen Testzentren für Urlaubsrückkehrer sollen in jedem Landkreis weitere kommunale Teststationen entstehen. Dies auch, um niedergelassene Ärzte zu entlasten. Die Oberaufsicht wandert ins Innenministerium, dort seien mehr Kapazitäten und es sei näher an den Kommunen, argumentierte Söder. Es solle soviel wie nur irgend möglich getestet werden.