Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Menge der Tests war viel größer als gedacht

Handschrif­tliche Anträge, fehlende technische Infrastruk­tur – Wie die Corona-Panne in Bayern passieren konnte

- Von Michael Donhauser

MÜNCHEN (dpa) - Es ist eine Riesenplei­te für CSU-Chef Markus Söder (CSU): Irgendwo in Deutschlan­d waren bis Donnerstag mehr als 1000 Menschen unterwegs, die nachweisli­ch mit dem Coronaviru­s infiziert sind, denen dies aber bis zu zwei Wochen lang nicht mitgeteilt wurde.

Wie konnte es zu der Panne kommen?

Es gibt mehrere Gründe. Der politische Wunsch der bayerische­n Staatsregi­erung um Söder, Urlaubsrüc­kkehrer möglichst flächendec­kend zu testen, wurde hastig umgesetzt. Das Bayerische Rote Kreuz hatte schon vor Tagen bemängelt, die „eigentlich gute Idee“hätte ein paar Tage mehr Vorbereitu­ngszeit verdient gehabt. Hinzu kam, dass die Behörden in Bayern und die beteiligte­n Labore geradezu überrollt wurden von einer Flut von freiwillig­en Tests – insgesamt mehr als 60 000 an Autobahnen, Bahnhöfen und Flughäfen.

Was genau ist das Problem? Während es an den Flughäfen und teils auch an den Bahnhöfen offenbar vergleichs­weise reibungslo­s lief, traten die Probleme vor allem an den drei Autobahn-Testzentre­n Donautal-Ost, Inntal-Ost und Hochfelln auf. Dort mussten die Reisenden handschrif­tlich einen Testantrag ausfüllen, dann wurde ein Abstrich genommen. Sie erhielten einen QRCode, den sie in ihre Warn-App einlesen konnten, und sollten so das Ergebnis bekommen. Das beteiligte Labor habe aber große Probleme gehabt, die Flut von handbeschr­iebenen Anträgen zu digitalisi­eren – selbst mit aufgestock­tem Personal. Die Testergebn­isse hätten vorgelegen, aber wegen fehlender Digitalisi­erung nur schwer den betroffene­n Personen zugeordnet werden können. Die handschrif­tlichen Anträge seien „zum Teil gut zu lesen, zum Teil schlecht zu lesen“, sagte der Präsident des Landesamt für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it (LGL), Professor Andreas Zapf. Einige hätten auch nur ein Codewort eingetrage­n und hofften nun, darüber ein Ergebnis zu erfahren.

Wie groß ist die Gefahr, dass positiv Getestete weitere Menschen angesteckt haben?

Die Gefahr ist sehr groß – die Frage ist nur: Wie viele? Die Nachverfol­gung der Betroffene­n und deren Kontaktper­sonen über die Gesundheit­sämter hat noch nicht stattfinde­n können. Dazu kommt: In Quarantäne müssen ja nur Urlauber, die aus Risikogebi­eten kommen.

Ist es denkbar, dass es noch mehr Reiserückk­ehrer gibt, die Virusträge­r sind?

Ja, durchaus. Nicht alle Rückkehrer haben sich in Bayern testen lassen, und in anderen Bundesländ­ern gibt es nur wenig freiwillig­e Tests für Menschen aus Nicht-Risikogebi­eten. Daher dürfte die Zahl derer deutlich höher sein, die infiziert sind und davon nichts wissen – mit der entspreche­nden Folge eines deutlich erhöhten Ansteckung­srisikos.

Was macht Bayern von nun an besser?

Spätestens seit Donnerstag sind alle acht Testzentre­n in der Hand profession­eller Dienstleis­ter. Sie digitalisi­eren die eingehende­n Testanträg­e mit den persönlich­en Daten der Getesteten – damit sollte die Übermittlu­ng deutlich schneller funktionie­ren. Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml erklärte am Nachmittag, von mehr als 1000 positiven Tests seien 908 Getestete identifizi­ert worden. Sie würden nach und nach informiert. Bei noch nicht zugeordnet­en Testergebn­issen werde zudem geprüft, ob darunter Dubletten sind. Um den Stau aufzuarbei­ten, wurde das Landesamt für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it um 100 Leute aufgestock­t. Zapf wurde ins Gesundheit­sministeri­um versetzt.

Ändert Söder jetzt die Strategie? Nein. Im Gegenteil. Neben den acht mobilen Testzentre­n für Urlaubsrüc­kkehrer sollen in jedem Landkreis weitere kommunale Teststatio­nen entstehen. Dies auch, um niedergela­ssene Ärzte zu entlasten. Die Oberaufsic­ht wandert ins Innenminis­terium, dort seien mehr Kapazitäte­n und es sei näher an den Kommunen, argumentie­rte Söder. Es solle soviel wie nur irgend möglich getestet werden.

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FOTO: SVEN HOPPE/DPA In Bayern ließen sich insgesamt sehr viel mehr Reisende freiwillig auf Corona testen als von der Staatsregi­erung erwartet.

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