Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Viel Diskussionsbedarf
SPD-Kanzlerkandidat Scholz sieht ein Linksbündnis eher skeptisch
BERLIN - Keine drei Tage nach seiner Ausrufung zum SPD-Kanzlerkandidaten hat Olaf Scholz den Kampf gegen die politische Einengung durch seine Parteichefs, Saskia Esken und Norbert-Walter Borjans begonnen. Die hatten am Vorabend der ScholzNominierung deutlich gemacht, was sie politisch anstreben: eine rot-rotgrüne Koalition. Wenn es geht, unter der Führung der SPD. Wenn nicht, dann müsse sich die SPD eben dreinschicken. Inklusive ihres Spitzenkandidaten.
Nun hat Scholz gezeigt, dass man die Rechnung ohne ihn gemacht hat. Als er in der ARD-Sendung „Maischberger – Die Woche“nach der Regierungsfähigkeit der Linken gefragt wurde, antwortete er: „Ich glaube, da gibt es noch viele Fragen. Da wird es viel zu diskutieren geben. Ich wünsche gute Verrichtung.“Scholz nannte als strittige Punkte unter anderem das Verhältnis zur Nato, eine solide Haushaltsführung und Wirtschaftsfreundlichkeit. „Wer regieren will, muss auch regierungsfähig sein.“Da hätten alle bis zur Wahl noch viel zu tun.
In den vergangenen Tagen hatte vor allem die Parteivorsitzende der Linken, Katja Kipping, die Hand in Richtung SPD ausgestreckt. Man habe viel zu lange das Trennende hervorgehoben, meinte sie, nun sollten SPD und Linke die Gemeinsamkeiten suchen. Nach der doch deutlichen Distanzierung des SPD-Kanzlerkandidaten versuchte Kipping, den Ton konsensfähig zu halten. „Olaf Scholz hat recht damit, dass es zwischen unseren Parteien im Falle einer Regierungsbildung viel Redebedarf gibt“, sagte sie der „Schwäbischen Zeitung“.
„Auch wir haben da kritische Fragen, die wir an die SPD richten werden.“Die linke Parteichefin sieht die Wortmeldung von Scholz sogar positiv. Immerhin war er viele Jahre ein Gegner einer Regierungsbeteiligung der Linken. Nun sei er immerhin gesprächsbereit. „Die entscheidende Aussage ist, dass auch Scholz hier die Linie von Esken und Borjans teilt, die eben diese Gespräche führen wollen. Ich bin froh, dass wir über voreilige Ausschließeritis hinweg und offen für konstruktive Gespräche sind.“Entscheidend sei, „dass sich nun immer mehr dafür aussprechen, die CDU in die Opposition zu schicken“.
Deutlich kritischer äußerte sich der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch. „Es ist bezeichnend, dass Scholz nach vielen Jahren GroKo nicht zuerst Zweifel an der Regierungsfähigkeit von Scheuer, Seehofer und Karliczek kommen, er dafür aber Zweifel an der Linken sät“, sagte Bartsch. „Mit wem will er zum Beispiel höhere Löhne, mehr Respekt vor Krankenschwestern, Pflegerinnen und Erzieherinnen durchsetzen? Mit der Union? Der FDP?“Die SPD liegt in Umfragen derzeit bei 14 bis 18 Prozent, die Linke bei sechs bis neun. Die als möglicher weiterer Koalitionspartner geltenden Grünen liegen bei 15 bis 21 Prozent.
Eine knappe Mehrheit der SPDWähler sieht die Nominierung von Scholz positiv. 52 Prozent derer, die bei der letzten Bundestagswahl die SPD gewählt haben, sehen in ihr eine Verbesserung der Chancen der SPD im Wahlkampf. Auch Wähler der Grünen (42 Prozent), der Union (41 Prozent) sowie der FDP (40 Prozent) sehen die Chancen für die SPD durch die Nominierung von Scholz verbessert. Bei den Linke-Wählern sehen 30 Prozent bessere, 32 Prozent schlechtere Chancen.