Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Wirecard muss Dax noch im August verlassen
Deutsche Börse hat ihr Indexregelwerk nach der Insolvenz des Zahlungsdienstleisters überarbeitet – Fahndung nach Ex-Vorstand Jan Marsalek
FRANKFURT/MANILA (dpa/AFP) Die Deutsche Börse hat angesichts der Insolvenz des Dax-Mitglieds Wirecard ihr Regelwerk nach einer Konsultation von Marktteilnehmern überarbeitet. Gemäß der neuen Regeln werden insolvente Unternehmen nun mit einer Frist von zwei Handelstagen aus den Dax-Auswahlindizes (Dax, MDax, SDax und TecDax) herausgenommen, teilte die Deutsche Börse am Mittwochabend mit. Die von der Indextochter Stoxx Ltd. beschlossene Regeländerung trete zum Mittwoch, 19. August, in Kraft.
Die sich daraus aktuell ergebenden Veränderungen in der Zusammensetzung von Dax und TecDax werden entsprechend am selben Abend nach 22 Uhr bekannt gegeben und nach Börsenschluss am Freitag,
21. August, umgesetzt. Grundlage der Berechnung seien die Rangliste vom
31. Juli sowie weitere Vorgaben aus dem Regelwerk.
Erwartet wird von Indexexperten, dass der Corona-Krisengewinner und Online-Essenslieferant Delivery Hero den Platz der in einen Bilanzskandal verstrickten und inzwischen zahlungsunfähigen Wirecard einnehmen wird. Chancen wurden aber auch dem Duftstoff- und Aromenhersteller Symrise eingeräumt. Im Tec-Dax gelten die beiden Unternehmen LPKF und Stratec als die Favoriten für den frei werdenden Platz des Zahlungsabwicklers. Wirecard hatte im September 2018 den frei gewordenen Platz der Commerzbank im Standardwerteindex Dax eingenommen. Im Juni dieses Jahres kam es dann zum Eklat. Der Zahlungsdienstleister räumte ein, dass in der Bilanz aufgeführte Gelder von 1,9 Milliarden Euro, die vermeintlich auf asiatischen Bankkonten lagern sollten, nicht auffindbar seien. Die Münchner Staatsanwaltschaft geht mittlerweile von einem „gewerbsmäßigen Bandenbetrug“bei Wirecard aus, und zwar seit 2015. Inzwischen fahndet auch das Bundeskriminalamt (BKA) öffentlich nach dem flüchtigen Ex-Vertriebsvorstand
Jan Marsalek, den die Ermittler im Ausland vermuten. In der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY“am Mittwoch starteten die Fahnder einen öffentlichen Zeugenaufruf. Wie ein BKA-Sprecher den Zeitungen der Funke-Mediengruppe sagte, gingen bisher Hinweise im „unteren zweistelligen Bereich“ein. Am Donnerstag kam zudem heraus, dass philippinische Einwanderungsbeamte die Reiseunterlagen von Marsalek gefälscht haben. Ermittler in dem südostasiatischen Inselstaat empfahlen, Anzeige gegen die beiden Verdächtigen zu erstatten. Die Beamten hätten falsche Einträge in die Datenbank des Immigrationsbüros eingegeben.