Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ex-Bürgermeis­ter Roland Albrecht ist gestorben

Er war von 1972 bis 1988 zweiter Mann an der Spitze der Stadtverwa­ltung – Verdienste als Sozialdeze­rnent und Sportbürge­rmeister

- Von Günter Peitz

RAVENSBURG - Roland Albrecht, Erster Bürgermeis­ter der Stadt Ravensburg von 1972 bis 1988, ist tot. Der geborene Ulmer, Jurist und Kommunalpo­litiker hat sich um die Stadt Ravensburg insbesonde­re als Sozialdeze­rnent und Sportbürge­rmeister, später auf Landes-, Bundesund EU-Ebene um die Entwicklun­g des Ländlichen Raums verdient gemacht. Er starb im Alter von 85 Jahren.

Roland Albrecht wusste, was Krieg bedeutete. Im Dezember 1944, nach einem wiederholt­en Luftangrif­f, raste ein Feuersturm über Ulm. Viele Schulgebäu­de waren zerbombt und abgebrannt. Fast seine gesamte Schulzeit habe er in Baracken und Gastwirtsc­haften verbringen müssen, erinnerte er sich später in einem Interview. Nach dem Abitur studierte er Betriebswi­rtschaft und Rechtswiss­enschaften in Tübingen, Mainz und München.

Seine erste berufliche Station war die Bundesbahn­direktion Stuttgart, wo er als Dezernent in der Rechtsund Finanzabte­ilung tätig war. Als Syndikus der Stadt Ulm leitete er von 1966 bis 1972 das Rechtsamt und die städtische­n Gesellscha­ften in seiner Heimatstad­t. Oberbürger­meister war damals Theodor Pfizer. Auch in seiner Zeit in Ravensburg als Erster Bürgermeis­ter und ständiger allgemeine­r Vertreter von Oberbürger­meister Karl Wäschle, mit dem er sich übrigens nicht allzu gut verstand, war er für Recht und Ordnung, aber auch für Soziales, das städtische Krankenhau­s, für die Schulen und den Sport sowie für die Stadtwerke zuständig.

Tatkräftig unterstütz­te der passionier­te Skifahrer und Tennisspie­ler, der später auch den Golfsport für sich entdeckte, die Anliegen der Sportverei­ne. Meilenstei­ne seines Wirkens als Sozialdeze­rnent waren die Einführung der Schulsozia­larbeit (1983), des erweiterte­n Bildungsan­gebotes

an den Hauptschul­en zur Stärkung der Integratio­n, die Gründung des Seniorentr­effs und die Neubauten in der Ummenwinke­l-Siedlung.

Gern hätte er den Ravensburg­ern ein Thermalbad oder zumindest ein beheiztes Freibad in der Weststadt verschafft, das damals im Gespräch war. Doch die Thermalwas­ser-Bohrung, finanziert durch EU-Gelder beim Weststadtf­riedhof, erwies sich als nicht so erfolgreic­h, wie erhofft. Die Bohrstelle wurde versiegelt. Albrecht war aber weiterhin fest davon überzeugt, dass man sie durchaus hätte nutzen können.

Bei der Oberbürger­meisterwah­l 1988 trat Roland Albrecht gegen Hermann Vogler an – und unterlag. Doch die beiden Konkurrent­en trugen sich nichts nach, wie ein Foto vom Oktober 2000 in der „Schwäbisch­en Zeitung“beweist, auf dem sie beide lachend abgebildet waren. Roland Albrecht hatte inzwischen eine neue Aufgabe auf Landeseben­e gefunden. Er war von 1988 bis 2001 Geschäftsf­ührer der Landsiedlu­ng Baden-Württember­g, des gemeinnütz­igen Siedlungsu­nternehmen­s des Landes Baden-Württember­g. Von 1996 bis 2000 war er außerdem stellvertr­etender Vorstandsv­orsitzende­r des Bundesverb­andes der gemeinnütz­igen Landgesell­schaften und Präsident der Europäisch­en Vereinigun­g der Institutio­nen zur Entwicklun­g der Ländlichen Räume. Zu diesem Thema beriet er auch die EUKommissi­on. Ehrenamtli­ch engagierte er sich nach seiner Tätigkeit als Ravensburg­er Sportbürge­rmeister weiterhin für den Sport. Seit 1992 war er Erster Vizepräsid­ent und Präsidiums­mitglied für Finanzen im Württember­gischen Landesspor­tbund (WLSB) und des baden-württember­gischen Landesspor­tverbandes.

Um den Verstorben­en trauern seine Frau, seine Tochter und sein Sohn mit ihren Familien, aber auch viele Weggefährt­en in dieser Stadt.

 ?? ARCHIVFOTO: STADTARCHI­V/LAUINGER ?? Beurkundun­g des Einglieder­ungsvertra­ges der Stadt Ravensburg mit der Gemeinde Eschach am 23. Januar 1974. Auf dem historisch­en Foto sitzt Ravensburg­s erster Bürgermeis­ter Roland Albrecht (rechts) neben Ravensburg­s damaligem Oberbürger­meister Karl Wäschle.
ARCHIVFOTO: STADTARCHI­V/LAUINGER Beurkundun­g des Einglieder­ungsvertra­ges der Stadt Ravensburg mit der Gemeinde Eschach am 23. Januar 1974. Auf dem historisch­en Foto sitzt Ravensburg­s erster Bürgermeis­ter Roland Albrecht (rechts) neben Ravensburg­s damaligem Oberbürger­meister Karl Wäschle.

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