Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ohne Profite keine Impfung

- Von Finn Mayer-Kuckuk wirtschaft@schwäbisch­e.de

Dürfen Unternehme­n mit einer lebensrett­enden Spritze Gewinn machen? Sie müssen sogar. Sollen Regierunge­n Steuermill­iarden in private Pharmafirm­en stecken, von deren Erfolg auch Investoren profitiere­n? Wenn es hilft, die wichtigen Arzneien zu entwickeln, dann ist es sogar ihre Pflicht – vorausgese­tzt, sie enthalten die Medikament­e nicht dem ärmeren Teil der Weltbevölk­erung vor, sondern helfen bei der Verteilung an alle, die sie brauchen.

Keine andere Organisati­onsform bringt so gute Medizinpro­dukte hervor wie eine privatwirt­schaftlich organisier­te Industrie. Zugleich erzielen freie Märkte für Waren und Kapital nicht immer optimale Ergebnisse für alle Bürger. Staatliche Regulierun­gen und Kapitalbet­eiligungen können hier helfen, einen Ausgleich zu schaffen. Wenn die Regierung also erst in ein Unternehme­n wie Curevac investiert und dieses dann den öffentlich­en Krankenver­sicherunge­n einen teuren Impfstoff verkauft, dann ist das kein Skandal, sondern nutzbringe­ndes Zusammensp­iel öffentlich­er und privater Akteure.

Noch nie in der Geschichte der Medizin wurde ein Impfstoff so schnell zur Marktreife gebracht wie in diesem Jahr. Im Fall der technologi­schen Vorreiter Curevac und Biontech war das möglich, weil Entreprene­ure ihre Ideen mit Wagniskapi­tal in die Praxis umsetzen konnten. Die Grundideen waren in der akademisch­en Forschung zwar vorhanden. Um daraus ein Produkt zu machen, mussten die Wissenscha­ftler aber zu Unternehme­n werden. Curevac und Biontech sind Ausgründun­gen der Universitä­ten Tübingen und Mainz. Die Gründer nehmen persönlich­e Risiken aber nur auf sich, weil sie für sich und ihre Investoren Gewinn erwarten. Ohne die Aussicht auf Profit gäbe es kein modernes Medikament.

Es ist kein Zufall, dass gerade erfindungs­reiche Biotech-Unternehme­n den Durchbruch bringen, deren Namen bis vor Kurzem keiner kannte. Den staatliche­n Forschungs­instituten fehlt die Nähe zur Anwendung, den satten Pharmakonz­ernen der Mut, neue Verfahren auszuprobi­eren. Eine Kombinatio­n aus staatliche­r Grundlagen­forschung und Kapitalism­us hat sich hier als erfolgreic­hste Rezeptur erwiesen.

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