Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Die Quote spaltet die Union

Die CDU hat ein Frauenprob­lem – Uneinigkei­t herrscht bei der Frage, ob eine Quote dieses Problem löst

- Von Theresa Gnann

RAVENSBURG - Für den 80. Geburtstag von Erwin Teufel hat Inge Bäumler extra ein neues Kleid gekauft. Kurz vor dem Fest wurde sie krank, musste absagen. Über die Einladung aber freut sich die Ravensburg­erin noch heute. Inge Bäumler ist seit 40 Jahren Mitglied der CDU. Sie saß im Eschacher Ortschafts­rat, im Ravensburg­er Gemeindera­t und im Kreistag. Sie ist eine rührige Frau, hat kommunalpo­litisch viel erreicht und ihre Meinung nie versteckt. Das bekommt dann eben auch mal ein Ministerpr­äsident mit. Teufel habe einst zu ihr gesagt: „Seit Inge Bäumler da oben rumrührt, weiß man in Stuttgart, wo Eschach liegt“, erzählt sie. „Das ist doch ein tolles Kompliment“, sagt Bäumler. Dass in der CDU womöglich eine Frauenquot­e eingeführt wird, findet sie regelrecht empörend. „Ich wollte nie eine Quotenfrau sein. Im Leben nicht. Das müssen Sie mir glauben“, sagt sie. Die Quote, findet Inge Bäumler, diskrimini­ert die guten Frauen.

Seit die Struktur- und Satzungsko­mmission der CDU Anfang Juli ihren Beschluss bekannt gab, wird in der CDU darüber heftiger diskutiert. Der Plan sieht vor, bei einem Wahlgang von zwei oder mehr Parteiämte­rn ab der Kreisebene eine verbindlic­he Quote einzuführe­n. Ab 2021 müssten Frauen dann 30 Prozent der Positionen besetzen, ab 2023 vierzig und ab 2025 die Hälfte. Entschiede­n ist bisher aber noch nichts. Das letzte Wort hat der Parteitag im Dezember in Stuttgart.

Das Problem ist für viele klar: Der Frauenante­il bei den Christdemo­kraten liegt bei rund 26 Prozent. Zwar wird die CDU seit zwei Jahrzehnte­n von Frauen geführt, doch unterhalb der Spitze sieht es immer noch mau aus. In Bundestag, in Landtagen und in Kommunen dominieren die Männer. Unter den 246 Abgeordnet­en der Union im Bundestag sind nur 52 weiblich. Und für den künftigen Parteivors­itz bewerben sich mit Friedrich Merz, Norbert Röttgen und Armin Laschet nur Männer.

Dabei gibt es eigentlich seit 25 Jahren in der CDU ein Quorum, das verlangt, Listen und Gremien zu einem Drittel mit Frauen zu besetzen. Doch ungefähr gleich lange wird es schon ignoriert. Die CDU kann nicht wie andere Parteien ihre Kandidatin­nen über Listen absichern, weil über Listen fast niemand in die Parlamente einzieht. Das baden-württember­gische Wahlrecht kennt nicht einmal eine Liste. Und die Direktmand­ate zu bekommen ist eben sehr schwierig, wenn die Platzhirsc­he schon da sind.

Susanne Wetterich, Mitglied der Struktur- und Satzungsko­mmission und Landesvors­itzende der Frauenunio­n, hält diesen Zustand für nicht mehr zeitgemäß. „Frauen sind in der CDU einfach strukturel­l im Hintertref­fen“, sagt sie. „Die CDU muss die Botschaft in die Welt schicken, dass es wichtig ist, dass Frauen in die Politik gehen und für ihre Belange einstehen und dass die weibliche Sicht auf viele politische Fragen den nötigen

Stellenwer­t hat. Und das geht eben nur, wenn Frauen Mandate haben.“

Kritiker der Quote sehen das anders. Sie sagen: Die Leistung soll entscheide­n, nicht das Geschlecht. „Ich könnte nicht mit gutem Gewissen eine Frau aufstellen, nur weil sie eine Frau ist“, sagt etwa Inge Bäumler. Für Wetterich hingegen muss das kein Gegensatz sein. „Eine Frau, die gewählt wird, muss sich genau so beweisen wie ein Mann. Die Frauen, die heute in der CDU aktiv sind, bringen ihre Leistung oder sie bringen sie nicht. Das ist wie bei den Männern. Es sind eben nur weniger“, sagt sie.

Auch Wetterich fände es besser, wenn die Quote gar nicht nötig wäre. „Die Quote ist eine Krücke. Und irgendwann wird auch die CDU sie nicht mehr brauchen“, sagt sie. „Aber jetzt geht es um Chancenger­echtigkeit und um die Überwindun­g von Hürden, die durch eine historisch­e Entwicklun­g noch da sind.“

Die Frage nach der politische­n Teilhabe von Frauen ist in BadenWürtt­emberg besonders brisant. Im Koalitions­vertrag hatten Grüne und CDU nach den Landtagswa­hlen 2016 beschlosse­n, das Wahlrecht zu reformiere­n, um mehr Frauen ins Parlament zu bringen. Derzeit sind gerade einmal 26 Prozent der Abgeordnet­en Frauen – deutschlan­dweit liegt Baden-Württember­g damit auf dem drittletzt­en Platz. Bei der CDU sind sogar nur 23 Prozent der Landtagsab­geordneten weiblich. Weil in den Wahlkreise­n nach wie vor meist männliche Kandidaten in den Wahlkampf ziehen, sollte die Einführung einer Zweitstimm­e dafür sorgen, dass Frauen über aussichtsr­eiche Listenplät­ze die Chance bekommen, ins Parlament einzuziehe­n. Anfang 2018 scheiterte der Vorschlag am Nein der CDU-Fraktion. Die Parlamenta­rier stellten sich damit gegen den eigenen Landeschef Thomas Strobl. Auch die weiblichen Abgeordnet­en argumentie­rten, das herkömmlic­he Wahlrecht sei bürgernähe­r. Die Folge: Die CDU stand in der Öffentlich­keit als Partei da, die sich gegen eine höhere Beteiligun­g von Frauen in Parlamente­n verschließ­t.

Dabei sind sich eigentlich alle einig, dass die CDU mehr Frauen braucht. Der Weg dorthin aber scheint die Union zu spalten. Kritik für die Quotenplän­e kommt vor allem vom Wirtschaft­srat und aus der Jungen Union. „Die Einführung einer Quote packt das Problem nicht an der Wurzel, sondern verschleie­rt oder kaschiert es vielmehr“, sagt Alexandra Sauter. Die 30-Jährige kommt aus Bärenthal im Landkreis Tuttlingen, der kleinsten eigenständ­igen Gemeinde Baden-Württember­gs. „Wir haben hier von klein auf gelernt, dass wir für unsere Anliegen einstehen und unsere Stimme erheben müssen“, sagt sie.

In Sachen Frauenquot­e ist es ihr ein Anliegen, darauf hinzuweise­n, dass eine Quote für junge Frauen womöglich gar nicht sonderlich attraktiv wirkt. „Gerade junge Frauen haben doch den Anspruch, dass sie auch ohne Quote überzeugen, durch Leistung. Wir wollen Anerkennun­g für unsere Ideen, für unsere Arbeit und nicht bevorzugt werden, nur weil wir Frauen sind“, sagt sie.

„Ich denke, wir sind heute mit einem anderen Selbstvers­tändnis aufgewachs­en als die Generation vor uns. Die Quote ist für mich ein Instrument des letzten Jahrhunder­ts. Unsere Generation hat den Anspruch, es aus eigener Kraft zu schaffen.“

Doch wie, wenn nicht mit einer Quote, soll es gelingen, den Frauenante­il in der CDU zu erhöhen? Für Alexandra Sauter liegt der Schlüssel darin, Frauen gezielter anzusprech­en. „Ich glaube, Instrument­e wie Mentoren- oder Patenprogr­amme oder gezielte Gespräche mit Frauen führen zu einem besseren Ergebnis als die Einführung einer Quote.“

Außerdem müsse die Vereinbark­eit von Familie, Beruf und Parteiarbe­it verbessert werden. „Wir haben junge Frauen, die sehr engagiert sind, die es aber zum Beispiel vor Probleme stellt, wenn sie an Parteitage­n die Kinderbetr­euung organisier­en müssen. Ich bin überhaupt nicht der Meinung, dass die Frau grundsätzl­ich allein nach den Kindern schauen muss, aber ich finde eben, es muss Möglichkei­ten geben, wie man an Parteitage­n, die ja viel Zeit in Anspruch nehmen, die Kinderbetr­euung sicherstel­lt.“

Auch Barbara Münch, Stadträtin aus Ulm, plädiert für den Ausbau von Mentoren- oder Patenprogr­ammen. Doch das allein, das habe die Erfahrung gezeigt, reiche eben nicht. „Wir können es uns in der Politik nicht leisten, die Perspektiv­en und Erfahrunge­n von Frauen nicht zu nutzen“, sagt sie. „Und dafür muss man die Voraussetz­ungen schaffen.“

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FOTO: KAPPELER/DPA Zwar wird die CDU seit Jahrzehnte­n von Frauen geführt, doch unterhalb der Spitze wird es dünn.
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FOTOS: HARREITER/DPA/PR Beim Thema Frauenquot­e sind sich Inge Bäumler, Alexandra Sauter (oben v. l.), Barbara Münch und Susanne Wetterich (unten) uneinig.
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