Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Geht Europa im Handelskri­eg zwischen den USA und China unter?

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Eberle: Der Wunsch wäre, dass Europa mit einer Stimme spricht und sich behauptet. Aber beim Corona-Gipfel hat jeder für sich gefeilscht und versucht, das Beste für sein Land herauszuho­len. Ob wir in Europa in der Situation, in der wir stecken, wirklich eine starke Einheit zusammenbr­ingen, das wage ich zu bezweifeln. Wie sich das Verhältnis zwischen den USA und China entwickeln wird, wird man erst nach den Wahlen im November sehen. Eigentlich hoffe ich darauf, dass man es in Europa schafft, wieder europäisch­er zu denken. Aber ich glaube, die Größe und die vielen unterschie­dlichen Staaten, die seit Ende der 1990erJahr­e in der Union zusammenge­kommen sind, machen die Sache nicht einfacher.

Niemeyer: Ich glaube, dass der Streit zwischen China und den USA die Wahl überdauern wird. Die Weltmacht USA ist nicht nur wirtschaft­lich herausgefo­rdert und sie wird ihre Position nicht so einfach aufgeben. Die Auseinande­rsetzung hat das Potenzial, dass sie weiter eskaliert. Europa droht da auf der Strecke zu bleiben. Es wäre sehr sinnvoll, wenn wir uns zusammenra­ufen würden, doch das sehe ich nicht. Einzelne Länder, auch Deutschlan­d, werden an Einfluss verlieren. Sie werden wirtschaft­lich irgendwie noch ein bisschen eine Rolle spielen, die entscheide­nden Regeln werden aber woanders gemacht. van Wees: Die Spannungen zwischen China und den USA haben schon vor der Trump-Ära angefangen. Ob sich nach der Wahl aber etwas positiv oder negativ verändern wird, müssen wir letztlich abwarten. Die Rolle Europas beurteile ich skeptisch, die Unterschie­de zwischen den einzelnen Ländern in der Union sind zu groß. Die Frage ist, wie man das alles unter einen Hut bringt, ohne dass der eine für den anderen aufkommen muss. Angela Merkel hat in der Beziehung einen hervorrage­nden Job gemacht – und macht sie noch. Sie kämpft um Europa. Und eines ist klar. Als einzelnes Land haben wir geringere Chancen. Europa muss kämpfen, um eine Rolle in der Weltökonom­ie zu spielen.

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