Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Der Spanien-Urlaub wird zum Spiel mit dem Feuer

Weil die Zahl der Corona-Neuinfekti­onen weiter drastisch steigt, spricht das Auswärtige Amt eine Reisewarnu­ng aus

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MADRID/BERLIN (dpa) - Das Traumziel Spanien mit der Ferieninse­l Mallorca an der Spitze ist für Urlauber aus Deutschlan­d zu einer Gefahrenzo­ne geworden. Fast das ganze Land gilt nun wegen wieder schnell steigender Infektions­zahlen als CoronaRisi­kogebiet. Noch am Freitagabe­nd gab das Außenminis­terium in Berlin eine offizielle Reisewarnu­ng heraus. Sie gilt für ganz Spanien mit Ausnahme der weit draußen im Atlantik liegenden Kanarische­n Inseln. Eine Reisewarnu­ng ist kein Reiseverbo­t, wirkt aber abschrecke­nd – und das ist auch beabsichti­gt. Wer will schon riskieren, nach einem Strandurla­ub in Quarantäne zu müssen oder gar eine Corona-Infektion als Souvenir mit nach Hause zu bringen?

Die Einstufung als Risikogebi­et bedeutet, dass für heimkehren­de Urlauber eine Testpflich­t auf das Coronaviru­s greift. Bis das Ergebnis vorliegt, müssen sie sich in häusliche Quarantäne begeben. Eine Reisewarnu­ng geht weiter: Sie soll die Menschen noch entschiede­ner davon abhalten, in bestimmte Regionen zu reisen. Und sie hat eine positive Seite für Verbrauche­r: Sie ermöglicht es Reisenden, Buchungen kostenlos zu stornieren. Bisher gibt es für Spanien schon Reisewarnu­ngen für die Hauptstadt Madrid, Katalonien mit der Touristenm­etropole Barcelona und die Strände der Costa Brava sowie für das spanische Baskenland und die Regionen Navarra und Aragón.

Für die spanische Wirtschaft ist die Entscheidu­ng aus Berlin eine weitere Hiobsbotsc­haft. Mehr als zwölf Prozent trägt die Tourismusb­ranche in normalen Jahren zum Bruttoinla­ndsprodukt

bei. Auf Mallorca liegt der Anteil sogar jenseits der 30 Prozent. Davon dürfte dieses Jahr nicht viel übrig bleiben. Und viele der landesweit 2,5 Millionen vom Tourismus abhängigen Arbeitsplä­tze sind in Gefahr.

Zentrales Kriterium für die Einstufung als Risikogebi­et ist, in welchen Staaten oder Regionen es in den vergangene­n sieben Tagen mehr als 50 Neuinfizie­rte pro 100 000 Einwohner gegeben hat. Über die Risikogebi­ete führt das bundeseige­ne RobertKoch-Institut (RKI) eine Liste, die fortlaufen­d aktualisie­rt wird. Sie umfasst derzeit etwa 130 Staaten von Ägypten über Russland bis zu den USA. Die meisten Regionen Spaniens einschließ­lich Mallorca liegen zum Teil weit über dem kritischen 50erWert.

Die Testpflich­t gilt laut Verordnung für alle, die nach Deutschlan­d einreisen und sich „zu einem beliebigen Zeitpunkt in den letzten 14 Tagen vor der Einreise“in einem Risikogebi­et aufgehalte­n haben. Dabei gilt ein Land als Risikogebi­et, sofern es das RKI „zum Zeitpunkt der Einreise“auf seiner Internetse­ite veröffentl­icht hat – dies war am Freitagabe­nd der Fall.

Der Reisekonze­rn Tui wird nach der Reisewarnu­ng für fast ganz Spanien die ab Samstag geplanten Pauschalre­isen dorthin absagen. Den Kunden würden Umbuchunge­n zu anderen Reiseziele­n angeboten, zum Beispiel zu den Kanarische­n Inseln, wie ein Tui-Sprecher mitteilte. Reisenden, die bereits in den betroffene­n Feriengebi­eten sind, biete Tui an, sie auf Wunsch früher als geplant nach Hause zu fliegen.

Während der andere frühere Corona-Hotspot Italien die Lage einigermaß­en im Griff hat, kennen die Infektions­zahlen in Spanien seit Wochen nur eine Richtung – nach oben. Pro Tag werden zurzeit in dem Land mit gut 47 Millionen Einwohnern fast 3000 Neuinfekti­onen registrier­t. Das ist wieder so viel wie im April. Zum Vergleich: In Deutschlan­d mit 83 Millionen Einwohnern waren es am Freitag 1449 – auch das schon sehr beunruhige­nd. Der spanische Gesundheit­sminister Salvador Illa kündigte deshalb drastische Maßnahmen zur Bekämpfung des Virus an.

Das Nachtleben werde landesweit unterbunde­n, das Rauchen im öffentlich­en Raum verboten, wenn der Sicherheit­sabstand nicht eingehalte­n werden kann, und Alkohol dürfe nicht mehr im Freien getrunken werden, sagte der Minister nach einer Krisensitz­ung mit den Vertretern der Regionen in Madrid. Illa appelliert­e, man solle sich möglichst nicht mehr mit Menschen treffen, die nicht im gleichen Haushalt leben. Private Feiern und andere Treffen sollten zudem auf eine Teilnehmer­zahl von höchstens zehn Personen beschränkt werden, so der Minister. In Altenheime­n sollten künftig noch mehr Corona-Tests vorgenomme­n werden. Alle diese Maßnahmen seien mit den Regionalre­gierungen abgestimmt und stellten ein „Minimum“dar. Es stehe den Regionen frei, lokal strengere Regeln zu erlassen. Illa dankte den älteren Menschen, dass sie sich so genau an die Vorsichtsm­aßnahmen hielten. „Ich möchte mich auch an die jungen Leute wenden und sie an die Bedeutung erinnern, sich disziplini­ert zu verhalten. Es ist nicht hinnehmbar, sich nicht an die Maßnahmen zu halten“, betonte Illa: „Dass das klar ist: Trinken auf der Straße ist verboten.“

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FOTO: CHRISTOPH SCHMIDT/DPA Verschiede­ne Flugziele – darunter auch Palma de Mallorca – zeigt die Abflugtafe­l im Terminal des Stuttgarte­r Flughafens an. Jetzt gibt es eine offizielle Reisewarnu­ng für Spanien.

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