Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Jetzt stechen sie wieder
In diesem Sommer gibt es offenbar mehr Wespen als zuletzt – Rotes Kreuz hat viele Einsätze wegen „allergischer Reaktionen durch Tier“
RAVENSBURG - Wer sich im Sommer gerne zum Essen nach draußen setzt, der kennt sie gut: die Wespe, die sich sofort todesmutig in die Apfelsaftschorle stürzt. Ihr folgen immer mehr ihrer Brüder und Schwestern, sie krabbeln zwischen das Grillgut, schlürfen an Soßen oder Eis – kurzum sie lassen sich genau dort nieder, wo es besonders lästig ist.
Schmerzhaft und für Allergiker bisweilen gefährlich wird es, wenn Wespen zustechen. Und zu solchen Einsätzen musste das Deutsche Rote Kreuz (DRK) Bodensee-Oberschwaben nach eigenen Angaben diesen Monat oft ausrücken. Bisher 65-mal rief jemand den Rettungsdienst wegen einer „allergischen Reaktion durch Tier“.
Eine außergewöhnliche Situation: „Die Menge ist bereits deutlich größer als im letzten Jahr im ganzen August“, berichtet DRK-Geschäftsführer Volker Geier. Damals seien es im ganzen Monat 44 Einsätze gewesen. Laut Naturschützern war 2019 zwar ein recht wespenarmes Jahr. Doch auch im Vergleich zum August 2018 (83 Einsätze) wären es dieses Jahr – auf den Monat hochgerechnet – rund 50 Prozent mehr Notrufe.
Von „so vielen Wespen wie lange nicht“spricht der Schädlingsbekämpfer Achim Vogt aus Langenargen. Rund zehn ihrer Nester entferne er täglich – und das gehe schon seit zwei Wochen so. „Im vergangenen Jahr waren es im ganzen Sommer vielleicht zehn“, sagt Achim Vogt. Im Einsatz ist er im östlichen Bodenseekreis – von Tettnang über Lindau bis Wangen im Allgäu.
Auch die Mitarbeiterin des NABUBodenseezentrums Lisa Maier trifft bei ihren Feldforschungen besonders oft auf die Tiere. „Uns ist in der Region aufgefallen, dass es deutlich mehr Wespen gibt als in den Jahren zuvor.“Die Daten aus der Zählung „NABU-Insektensommer“durch Ehrenamtliche in Baden-Württemberg bestätigen den Eindruck: 2019 haben die Helfer in der vorgegebenen Zeit rund 5000 Wespen gezählt – dieses Jahr waren es fast 25 000. 2018 stehen rund 8000 gezählte Wespen in der Tabelle.
Ob es viele oder wenige Wespen in einem Jahr gibt, hängt weitgehend von der Witterung ab. „Dieses Jahr war der Frühling sehr trocken, der ganze April war sonnig – das hat ihnen getaugt“, erklärt Lisa Maier. Wenn dazu der Winter mild war, also Königinnen gute Überlebenschancen hatten, dann schlüpfen im Hochsommer besonders viele Wespen. Das ist aus Sicht der Naturschützer nichts Schlechtes: „Die Wespen haben eine Funktion im Naturhaushalt – sie regulieren als Jäger etwa Blattläuse und andere Insekten“, sagt Maier. Wespen seien sehr jahresabhängig – daher sei nicht zwingend zu befürchten, dass 2021 noch mehr der Tiere schlüpfen werden. Außer natürlich: Der Winter wird mild und das Frühjahr trocken.