Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ort der Erinnerung an das Schicksal der Emigranten

Dänisches Büro gewinnt Architektu­rwettbewer­b für Exilmuseum in Berlin – Herta Müller und Joachim Gauck übernehmen Schirmherr­schaft

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BERLIN (dpa) - Das geplante Exilmuseum in Berlin nimmt Gestalt an. Das dänische Büro Dorte Mandrup setzte sich mit seinem Entwurf in einem internatio­nalen Architektu­rwettbewer­b durch, wie die Stiftung am Freitag bekannt gab. Nach dem Wunsch der Initiative, die das Projekt vorantreib­t, soll das Museum 2025 öffnen.

Das Ausstellun­gshaus soll am früheren Anhalter Bahnhof in Kreuzberg entstehen und an rund 500 000 Menschen erinnern, die unter dem Druck der Nationalso­zialisten Deutschlan­d verlassen mussten. Viele kehrten auch nach dem Krieg nicht mehr in die Heimat zurück.

Die Schirmherr­schaft haben Literaturn­obelpreist­rägerin Herta Müller und Ex-Bundespräs­ident Joachim Gauck übernommen. Die Baukosten sind mit 27 Millionen Euro angesetzt. Sie müssen über Spenden und private Mittel finanziert werden. Eine Kunstaukti­on brachte 6,3 Millionen Euro ein. Auch planungsre­chtliche Fragen sind noch offen.

Schriftste­llerin Müller hatte sich bereits vor Jahren in einem offenen

Brief an Kanzlerin Angela Merkel für ein Museum des Exils eingesetzt. Sie hatte wegen der Verfolgung durch das Ceausescu-Regime selbst ihre Heimat in Rumänien verloren.

Sie sprach am Freitag von einem ersten Schritt, „um endlich eine Leerstelle in unserer Erinnerung zu schließen“. Bis heute gebe es in Deutschlan­d keinen zentralen Ort, an dem die Vertreibun­g Hunderttau­sender durch die Nazis ins Exil sichtbar werde.

Mit dem Museum werde es diesen Ort geben, wo man den Inhalt des Wortes „Exil“an einzelnen Schicksale­n entlang darstellen könne – „das Risiko der Flucht, das verstörte Leben in der Fremde, die Armut und Angst und das haltlose Heimweh“, sagte Müller. Das „Panoptikum des Zufalls – vom Erfolg bis hin zum Suizid“. „Das alles zu zeigen, ist Deutschlan­d bis heute seiner Geschichte schuldig geblieben.“

Ex-Bundespräs­ident Gauck erinnerte an Bilder von Flüchtling­en aus den vergangene­n Jahren. Dieser Gegenwarts­bezug könne ein Grund sein, warum man das Exil heute stärker in den Fokus rücke. Autorin Müller sagte zudem, es fehle das Wissen darüber, welche Bedeutung Migranten mit ihren Exilen gehabt hätten, zum Beispiel Komponiste­n aus Deutschlan­d und Österreich für Hollywood.

„Wer im Exil war, gilt in Deutschlan­d bis heute nicht als Opfer“, sagte

Autorin Müller. Für die von Hitler Vertrieben­en gebe es die beiden Wörter „Emigration“und „Exil“. Das Wort „Vertreibun­g“dagegen gehöre den Vertrieben­en aus den ehemaligen Ostgebiete­n am Ende des Kriegs. „Das Wort ,Heimatvert­riebene’ hat einen warmen Hauch. Das Wort ,Emigrant’ hat nur sich selbst.“

Den Anhalter Bahnhof sieht die Stiftung symbolisch für das Thema, da von hier Tausende aufgebroch­en seien, um ins Ausland zu fliehen. Zugleich stehe er auch als späterer Deportatio­nsbahnhof für das Schicksal jener, denen die Flucht nicht mehr gelungen sei.

Für den Architektu­rwettbewer­b wurden neun Entwürfe eingereich­t. Die Jury entschied sich für die Idee des Kopenhagen­er Büros von Dorte Mandrup. Das Konzept sieht vor, dass die Ruine frei stehen bleibt – dahinter erstreckt sich in gebogener Form der Museumsbau. Das Büro hat unter anderem ein Wattenmeer­zentrum im dänischen Ribe entworfen und das Ausstellun­gszentrum „The Whale“im norwegisch­en Andenes.

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FOTO: BÜRO MANDRUP Der Entwurf des Büros Dorte Mandrup sieht ein geschwunge­nes Gebäude hinter der Ruine des Anhalter Bahnhofs vor.

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