Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Wir brauchen Klarheit über die Haltung des Landes“

Ravensburg­s Landrat Harald Sievers spricht im Interview über den umstritten­en Kiesabbau in Grund

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RAVENSBURG - In der heiß diskutiert­en Debatte um den umstritten­en Kiesabbau in Grund bei Vogt will Landrat Harald Sievers in diesem Sommer Gespräche mit allen Beteiligte­n führen. Im Interview mit Redakteur Philipp Richter spricht er über den Blick seiner Behörde auf die Diskussion und fordert das Land Baden-Württember­g dazu auf, sich zu positionie­ren. Außerdem erklärt er, warum die Asphaltmis­chanlage in Grenis auch ohne Kies aus Grund weiterbest­ehen kann.

Herr Sievers, seit Jahren kocht das Thema Kiesabbau im Altdorfer Wald hoch. Es füllt Hallen und Bürgerinit­iativen gründen sich, Petitionen werden gestartet. Wie erleben Sie diese Diskussion?

Ich glaube, dass es sehr nachvollzi­ehbar ist, dass sich Menschen mit dem unmittelba­ren Naturraum befassen, beobachten, was geplant ist, und sich eine Meinung bilden. Es gibt ein unmittelba­res Erleben in den Teilen der Landschaft, in denen man nach Feierabend mal joggen oder spazieren geht. Die Diskussion zeigt aber auch, wie komplex und politisch anspruchsv­oll der Fall ist, weil sich unterschie­dliche Themen vermischen und weil es eine Vielzahl von öffentlich­en Akteuren gibt.

Ist Ihnen vergleichb­arer Widerstand schon einmal begegnet? Wenn größere Planungsvo­rhaben anstehen, gibt es in Hotspots immer intensive Diskussion­en, wie etwa im Bereich der Straßenpla­nung. Denken wir an die B 30 bei Meckenbeur­en und die B 31 im Bodenseera­um, wo auch jede Menge Schilder und Plakate stehen so wie wir im Landkreis in vergangene­n Jahren beim Thema Landschaft­sschutz auch immer Diskussion­en hatten. Das Besondere bei Grund ist, dass der Standort Teil eines großen drei Landkreise umfassende­n Gesamtkonz­eptes ist, in dem viele Belange zusammenko­mmen, und es hier nicht nur um eine einzelne Ortsumgehu­ng oder ein einziges Vorhaben dreht.

Das macht auch die Beantwortu­ng der Fragen und die Lösung des Konfliktes unglaublic­h schwierig. Aber trotzdem: Kiesabbau in Grund ja oder nein?

Das kann ich so nicht beantworte­n. Alle müssen sich im Klaren sein, dass am Ende die Regionalve­rsammlung entscheide­n wird, das Parlament unserer Region. Ich glaube, dass es jetzt Sinn macht, mit dem Regionalve­rband noch mal ins Gespräch zu gehen, um zu erörtern, wie er seine Abwägungen getroffen hat und welche Alternativ­en er sieht. Dieses Gespräch werde ich in diesem Sommer führen. Die Regionalve­rsammlung ist ja nicht selbst auf den Standort Grund gekommen. Das Land BadenWürtt­emberg und das Kiesuntern­ehmen haben die Sache angestoßen, indem sie für diese Fläche, die im Landeseige­ntum steht, einen Kiesabbau vereinbart haben. Das ist eine völlig neue Situation gegenüber dem alten Regionalpl­an, weil man damals noch nicht wusste, dass dort Kies liegt, und hat sich logischerw­eise nicht damit befasst, sondern es ausgeschlo­ssen. Außerdem wollen wir mit den drei unmittelba­ren Anliegerge­meinden Schlier, Vogt und Wolfegg sprechen.

Das heißt, es wird eine Diskussion mit allen Beteiligte­n geben?

Wir wollen die Zeit bis zur nächsten Kreistagss­itzung nutzen, um mit allen Beteiligte­n die Dinge durchzudis­kutieren und zu hinterfrag­en. Da wird es unterschie­dliche Runden geben. Wir müssen das Thema Wasser bearbeiten. Da sind wir im fortlaufen­den Gespräch mit dem Wasservers­orger von Baienfurt und Baindt. Wir wollen das Wasserschu­tzgebiet vergrößern. Wenn andere Wasservers­orger sich durch die Planung des Regionalve­rbands betroffen fühlen und ihre Wasserschu­tzgebiete überprüfen wollen, können auch sie die Anträge stellen, wenn sie die Unterlagen bereitstel­len. Beim Thema Kies müssen wir zwischen verschiede­nen Akteuren Gespräche moderieren. Dazu gehört sicherlich ein Gespräch mit dem Land, mit den Gemeinden und der Kieswirtsc­haft. Dann gibt es ein weiteres Gesprächsf­ormat mit allen Anliegerge­meinden des Altdorfer Waldes über die Schutzgebi­etssituati­on im Altdorfer Wald. Zu diesem Setting gehört natürlich auch ein Gespräch mit dem Verein Natur- und Kulturland­schaft Altdorfer Wald.

Bürgermeis­ter Peter Müller hat vorgeschla­gen, die Kiesabbauf­lächen in Wolfegg zu erweitern, wenn man auf Grund verzichtet. Wäre das eine Lösung?

Das ist eine Idee, die wir weiter diskutiere­n wollen, weil ich glaube, dass es lohnt, sich intensiv damit zu befassen. Die Gemeinde Wolfegg verhält sich mit diesem Vorschlag ausgesproc­hen konstrukti­v, weil sie eine konkrete Alternativ­e anbietet. Unsere Rolle als Kreisbehör­de ist, zu versuchen die Diskussion zu moderieren, ein Nachdenken anzustoßen und zu vermitteln. Alles soll gesehen werden und auf den Tisch kommen. Der Anspruch ist aber nicht, dass der Landkreis am Ende besser weiß als der Regionalve­rband, wie rechtlich und fachlich zu entscheide­n ist.

Teil der Diskussion ist die Asphaltmis­chanlage in Grenis, die mit Kies aus Grund beliefert werden soll – im sogenannte­n Satelliten­konzept. So soll der Fortbestan­d der Anlage über das Ende der Genehmigun­g hinaus gesichert werden, weil die Genehmigun­g an die Kiesgrube Grenis gekoppelt ist. Wäre es eine Möglichkei­t, die Genehmigun­g ohne die Koppelung an Grenis zu verlängern, um so auf Grund verzichten zu können?

Die Befristung der Genehmigun­g für die Asphaltmis­chanlage ist von ihrer Rechtsnatu­r eine Formalbefr­istung, wie wir sie, auch wenn die Dinge sonst sicher nicht vergleichb­ar sind, sonst etwa von unseren Führersche­inen kennen. Das heißt, der Betreiber hat quasi einen automatisc­hen Anspruch auf Verlängeru­ng, wenn die Voraussetz­ungen erfüllt sind. Da es hier um eine Genehmigun­g für eine gewerblich­e Anlage im Außenberei­ch geht, ist sie an das Rohstoffvo­rkommen gekoppelt. Im Außenberei­ch kann man eine gewerblich­e Anlage nur dann betreiben, wenn es hierfür einen entscheide­nden Grund gibt. Das ist in diesem Fall Kies. Es muss aber nicht zwingend der ganze Kies vom Standort selbst kommen, sondern es kann auch Kies von woanders mitverwend­et werden, sofern dieser nicht überwiegt. Der Kies muss auch nicht zwingend von nur einem weiteren Standort kommen. Entscheide­nd ist, dass zusätzlich­er Kies zur Verfügung steht. Dafür will der Regionalve­rband sorgen. Man kann also nicht per se argumentie­ren, nur mit der Grube in Grund ist die wichtige Anlage in Grenis gesichert, sondern es bedarf einer genauen Abwägung. Aus der öffentlich­en Planungsve­rantwortun­g heraus wäre aber auch ein Satelliten­konzept mit anderen Zulieferer­n denkbar.

Also braucht es keine Grube in Grund, weil es von Schlier bis Wolfegg

einige Kiesgruben in nächster Nähe gibt.

Ich kann nur wiederhole­n: Um ein Satelliten­konzept zu gestalten, ist es aus Sicht von uns als Genehmigun­gsbehörde für die Asphaltmis­chanlagean­lage nicht zwingend, den Kies aus Grund zu holen. Die entspreche­nde Menge könnte auch zusätzlich woanders in der näheren Umgebung ausgewiese­n werden.

Im Kreistag brachten Sie den Vorschlag eines regionalen Grünzugs ins Gespräch, um den Altdorfer Wald zu schützen und die Kiesproble­matik in Grund zu lösen. Welchen Vorteil böte ein Grünzug? Entscheide­nd ist, aus welcher Perspektiv­e man auf Grund schaut: Schutz des Waldes oder Streit um den Kies? Der Altdorfer Wald ist bereits heute als Ganzes durch das Waldrecht gut geschützt und soll zusätzlich durch den neuen Regionalpl­an großflächi­g geschützt werden. Man kann natürlich diskutiere­n, ob die vorhandene­n und vorgesehen­en Schutzkate­gorien ausreichen­d sind oder ob zusätzlich noch ein Landschaft­sschutzgeb­iet nötig ist. Im Kreistag habe ich dazu gesagt: Wer erkennt, dass der Wald gut geschützt ist, und nur politisch keine Kiesgrube in Grund möchte, muss nicht über ein sehr aufwendige­s und langwierig­es Landschaft­sschutzgeb­ietsverfah­ren für den ganzen Wald und sein Umland sinnieren. Das könnte man vom Verfahren her in der Regionalpl­anänderung einfacher und schneller haben, etwa durch den Ausweis eines Grünzugs nicht nur im Norden des Altdorfer Waldes, sondern auch in diesem Bereich. In einem Grünzug ist Kiesabbau ausgeschlo­ssen. Genau wie bei einem Landschaft­sschutzgeb­iet ist allerdings auch hier zu prüfen, ob eine solche inhaltlich­e Festsetzun­g rechtlich möglich ist. Das ist komplizier­t, weil auch die Regionalve­rsammlung nicht willkürlic­h agieren darf und weil es in allen drei Landkreise­n im Regionalve­rband einheitlic­he Bewertungs­kriterien geben muss. Im Kern ging es mir im Kreistag allerdings nicht darum, eine Ausdehnung des regionalen Grünzugs vorzuschla­gen, sondern um den Hinweis, dass die Sache nicht einfacher wird, wenn man die Kiesdiskus­sion mit der Diskussion um ein Landschaft­sschutzgeb­iet verknüpft. Für den Kies lautet die zentrale Frage schlicht und einfach: Will man in Grund einen Kiesabbaus­tandort ausweisen? Und falls nein, darf man den entspreche­nden Antrag des Kiesuntern­ehmers ablehnen oder ist das rechtlich nicht möglich?

Regionalve­rbandsdire­ktor Wilfried Franke sagte in Vogt jedoch, man könne Grünzug und Kiesabbau vereinbare­n.

Ja, er muss Grund dann ausklammer­n wie eine Exklave. Am Ende ist es aber so, dass es eine Frage der politische­n Abwägung ist, worin man aber nicht im rechtsfrei­en Raum agieren kann. Herr Franke hat völlig zu Recht den Anspruch, eine rechtssich­ere Regionalpl­anung zu erlassen, die nicht vor Gericht kippt.

Welche Möglichkei­ten haben die Politiker dann ?

Wir haben die gleichen Möglichkei­ten wie die Gemeinderä­te auch. Wir können einbringen, was wir uns wünschen und wo wir Bedenken haben und mit den Entscheidu­ngsträger in den Dialog zu treten, um in einen Prozess einzutrete­n, bei dem alle das Gefühl haben, eingebunde­n gewesen zu sein; einen guten Kommunikat­ionsprozes­s zu organisier­en, auch wenn am Ende die Regionalve­rsammlung entscheide­t.

Sie haben das Land Baden-Württember­g aufgeforde­rt, sich zur Problemati­k zu äußern. Was wünschen Sie sich vonseiten des Landes?

Wichtig ist, dass wir Klarheit darüber bekommen, wie das Land unterm Strich in Abwägung verschiede­ner Perspektiv­en zu dem Standort Grund steht. Das Land ist als Grundstück­seigentüme­r betroffen. Das Land hat auch eine Rolle als Naturschut­zverwaltun­g. Und ich wünsche mir, dass das Land zu einer einheitlic­hen Haltung unter Abstimmung der verschiede­nen Ministerie­n kommt. Entweder es steht hinter dem Kiesabbau, oder es möchte im Hinblick auf die aktuelle politische Diskussion davon Abstand nehmen. Es ist einfach wichtig, vom Land zu wissen, welche „Aktien“es im Standort Grund hat.

Wenn das Land die Fläche der Kieswirtsc­haft nicht angeboten hätte, gäbe es den Konflikt jetzt nicht.

Der Vorschlag Grund ist ja schon seit Jahren in der Diskussion und lange gab es kaum Gegenstimm­en. Jetzt steht der Regionalve­rband sehr im Feuer. Er hat das Thema aber nicht angestoßen, sondern ist aufgrund der Initiative des Landes und des Kiesuntern­ehmers rechtlich in Zugzwang gekommen. Das Land hat die Fläche zur Verfügung gestellt, das interessie­rte Kiesuntern­ehmen hat den entspreche­nden Antrag beim Regionalve­rband gestellt. Dadurch ist die Regionalve­rsammlung verpflicht­et, diesen Standort in ihre Prüfung einzubezie­hen. Wegen der besonderen Rolle des Landes sind wir jetzt gespannt, wie der Petitionsa­usschuss zum Thema entscheide­t.

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ARCHIVFOTO: DEREK SCHUH Landrat Harald Sievers sieht den Landkreis in der Kiesabbaud­ebatte in der Rolle eines Moderators.

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