Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Nur der größte Titel fehlt – und zählt
Manchester City hat seit 2008 fast zwei Milliarden Euro investiert, doch der Champions-League-Sieg fehlt noch
LISSABON (dpa/SID) - Von einer Favoritenrolle für Manchester City will Ilkay Gündogan vor dem ChampionsLeague-Viertelfinale gegen Olympique Lyon nichts wissen. „Es interessiert uns überhaupt nicht“, stellte der City-Mittelfeldspieler vor dem Duell am Samstag (21 Uhr/Sky) klar. „Juventus war auch der große Favorit“, mahnte der 29-Jährige, „aber Lyon hat ihnen in zwei Spielen gezeigt, was sie draufhaben.“
Ein solches Schicksal will nicht nur Gündogan mit City unbedingt vermeiden. Der Gewinn der Königsklasse steht bei den Titelsammlern aus Manchester ganz oben auf der Wunschliste – auch bei Pep Guardiola. Zum bislang letzten Mal gewann der frühere Bayern-Coach die Königsklasse vor neun Jahren, mit dem FC Barcelona.
Bedingt durch die Corona-Krise wird das Viertelfinale im Estádio José Alvalade XXI in nur einem K.o.-Spiel entschieden. „Lyon wird hochmotiviert sein“, warnte Gündogan. „Es ist eine riesige Chance für sie, in nur 90 Minuten das Halbfinale zu erreichen. Sie haben nichts zu verlieren.“Dagegen steht für Man City viel auf dem Spiel, da sind sich Medien, Fans und selbst die Spieler einig.
Der Club brauche den ChampionsLeague-Triumph, „um das nächste Level zu erreichen“, meint Defensivspieler Kyle Walker. „Das ist der eine (Titel), den ich will, und ich glaube, da kann ich für die gesamte Mannschaft und für Manchester City sprechen“, bekräftigte er. Nur einmal in der Clubgeschichte holte City eine EuropacupTrophäe. Vor 50 Jahren, 1969/70, gewannen die Citizens den Europapokal der Pokalsieger. Seit die reichen Eigentümer aus Abu Dhabi den Club mit ihren inzwischen bald zwei Milliarden Euro Investitionen in zwölf Jahren zu einem Spitzenteam aufgepäppelt haben, sammelt City auf nationaler Ebene zwar Pokale. Auf der europäischen Bühne scheitert der Club aber immer wieder spektakulär. 2017 war wegen der Auswärtstorregel im Achtelfinale gegen AS Monaco (5:3/ 1:3) Schluss. 2018 verlor City im Viertelfinale
klar gegen Liverpool (0:3/ 1:2). Zuletzt scheiterte man im Viertelfinale gegen Tottenham Hotspur (0:1/ 4:3), wieder wegen der Auswärtstore.
Mit jedem Jahr wird der Druck größer – besonders auf Citys Starcoach Guardiola. „Er wurde von den Besitzern mit dem Ziel geholt, die Champions League zu gewinnen, ob es ihm gefällt oder nicht“, sagte TV-Experte Rio
Ferdinand, der mit dem Lokalrivalen Manchester United 2008 triumphiert hatte. „Die Premier League haben sie schon gewonnen, bevor Guardiola kam. Insofern hat er bei City bisher nichts erreicht, was nicht auch andere schon erreicht haben.“
Wie sehr das Warten auf den großen Coup an dem ehrgeizigen Spitzentrainer nagt, konnte man 2019 sehen. Nach dem knappen Aus gegen die Spurs sank Guardiola fassungslos auf die Knie, die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen.
Als Trainer des FC Barcelona gewann Guardiola zweimal die Champions League. Dass es ihm als Coach des FC Bayern nie gelang, gilt als Makel seiner dreijährigen Amtszeit in München. Gewinnt Guardiola mit Man City am Samstag gegen Lyon, könnte ihm im Halbfinale am Mittwoch ausgerechnet einer seiner beiden Ex-Clubs das Leben schwer machen.
„Ich denke noch nicht an ein mögliches Halbfinale“, sagte jedenfalls Gündogan, „und es ist auch wirklich nicht abzusehen, was in den anderen Spielen passiert.“Allerdings träumt der deutsche Nationalspieler von einem erneuten Champions-League-Finale. 2013 verlor er mit Dortmund das Endspiel gegen die Bayern. „Ich denke sehr oft an diese Saison zurück und werde mein Bestes geben, um noch mal ins Finale zu kommen, aber dafür braucht man auch ein bisschen Glück“, sagte Gündogan, „das hatten wir zum Beispiel in der letzten Saison gegen die Spurs nicht.“
Noch ganz ohne Europatitel ist Lyon, das bei einem Sieg erstmals seit zehn Jahren wieder unter den Top 4 wäre. „Wir sind die Außenseiter, aber das passt zu uns. Natürlich ist uns Manchester überlegen, aber das war Turin auch“, sagte Coach Rudi Garcia mit einem Augenzwinkern.
Lyon braucht den Titel, um sich wieder für die Champions League zu qualifizieren. Der Club hatte als Tabellensiebter in der abgebrochenen Ligue 1 erstmals seit 24 Jahren die Qualifikation für einen internationalen Wettbewerb verpasst.