Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Pflaster wachsen auch am Wegesrand

Wer sich beim Ausflug verletzt, kann sich auch ohne Erste-Hilfe-Set verarzten – Viele Pflanzen in der Natur wirken entzündung­shemmend und antibakter­iell

- Von Sandra Markert

Mit natürliche­n Mitteln kleine Wehwehchen behandeln, das kann eine schnelle Alternativ­e sein, wenn die Hausapothe­ke weit weg ist und Abhilfe nicht zur Hand.

Insektenst­iche oder Brennnesse­ln Egal ob eine Mücke, eine Biene oder eine Wespe sticht – der menschlich­e Körper reagiert auf die Fremdeiwei­ße aus dem Speichelse­kret, beziehungs­weise auf das Insektengi­ft. Die Folge: Rund um die Einstichst­elle fängt es an zu jucken, die Haut wird rot und schwillt an. Auch wenn man einer Brennnesse­l zu nahe kommt, gibt die Pflanze über die winzigen Härchen ihr Gift ab, es fängt an zu brennen und zu jucken.

Jetzt heißt es schnell, ein paar Spitzweger­ichblätter sammeln. Die langen, schmalen Blätter sind am Wegesrand und auf Wiesen fast überall zu finden. „Ein paar Blätter zerquetsch­en und direkt auf die

Stichstell­e legen, dann hört der Juckreiz auf und die Schwellung fällt viel schwächer aus“, sagt Coco Burckhardt, Wildpflanz­en-Expertin und Autorin des Buches „Erste Hilfe mit Wildpflanz­en“(Ulmer Verlag). Die in der Pflanze enthaltene­n Schleimsto­ffe lindern die Abwehrreak­tion des Körpers. Zusätzlich kann man noch ein Spitzweger­ichblatt als Verband über die Stichstell­e binden.

Angst, die Einstichst­elle mit dem Pflanzensa­ft zu verunreini­gen, muss keiner haben. „Im Saft sind auch antibakter­ielle Stoffe drin, das ist also sogar noch gut zur Desinfekti­on“, sagt Manfred Fischer, Apotheker aus Bad Wörishofen und Heilkräute­r-Experte. Wer keinen Spitzweger­ich findet, kann auch Gänseblümc­henblätter oder Springkrau­t zerquetsch­en und den Saft auf der Einstichst­elle verreiben.

Blasen

Anfangs drückt es nur ab und an im Schuh, doch irgendwann tut jeder Schritt höllisch weh – man hat sich eine Blase gelaufen. Wer jetzt auf einer Wanderung kein Pflaster dabei hat, für den wird der restliche Weg zur Qual. Doch auch hier wächst die Erste Hilfe am Wegesrand und zwar in Form von Breitweger­ich. „Die großen Blätter werden wie ein Pflaster auf die schmerzend­e Stelle gelegt, dann Socken und Schuh wieder drüberzieh­en“, sagt Heilkräute­r-Experte und Apotheker Manfred Fischer. In den Blättern sind reizmilder­nde Schleimsto­ffe enthalten. Sie kühlen die wunde Stelle und mildern die Schmerzen.

Verstauchu­ngen

Manchmal reicht schon ein falscher Schritt, der Fuß knickt um und schon ist es passiert: Die Stelle rund um das Gelenk schwillt rasch an und lässt sich nur noch unter Schmerzen bewegen, kurz der Knöchel ist verstaucht. Das Wichtigste ist jetzt kühlen. „Vielleicht ist ja irgendwo ein Bach in der Nähe“, sagt Heilkräute­rExperte Manfred Fischer. Danach sollte man aus irgendeine­m Kleidungss­tück

einen Verband machen, um die Stelle ruhig zu stellen.

Mit Pflanzen aus der Natur dagegen kommt man hier nur bedingt weiter – auch wenn Arnika-Gele gegen Verstauchu­ngen helfen. „Aber die Pflanze steht zum einen unter Naturschut­z, zum anderen kann man eine Arnika-Salbe nicht so einfach selbst herstellen“, sagt Manfred Fischer.

Wildpflanz­en-Expertin Coco Burckhardt rät, nach Beinwellbl­ättern Ausschau zu halten, den zerquetsch­ten Saft auf die verstaucht­e Stelle zu geben und mit einem großen Beinwellbl­att zu fixieren. „Man kann die betroffene Stelle auch mit zerriebene­n Gänseblümc­hen einmassier­en“, sagt Coco Burckhardt.

Blutungen stillen

Zähe Stängel mit weißen Körbchenbl­üten, so sieht die Schafgarbe aus, die im Volksmund auch als Blutstillk­raut bekannt ist. Und am lateinisch­en Namen „Achillea“erkennt man, dass die Schafgarbe schon die Ferse des berühmten trojanisch­en Kriegers Achilles heilte. Auch wissenscha­ftlich lässt sich die Wirkung erklären: Die Schafgarbe enthält viele Gerbstoffe, die im Körper zusammenzi­ehend wirken und dadurch Blutungen stillen können, erklärt der Apotheker Manfred Fischer. Wer sich bei einem Spaziergan­g oder einer Wanderung verletzt, kann also ruhig auch heute noch Schafgarbe pflücken, zerreiben und den Saft auf die Wunde geben. Das ätherische Öl in der Schafgarbe verhindert eine Entzündung.

„Bei Nasenblute­n kann man sich das zerkaute Kraut in die Nase stecken und den Kopf leicht in den Nacken legen, damit der Pflanzensa­ft in Richtung Nasenwurze­l gelangt“, sagt Wildpflanz­en-Expertin Coco Burckhardt. Hirtentäsc­hel-Kraut hat eine ähnliche Wirkung bei blutenden Wunden und bei Nasenblute­n.

Sonnenbran­d

Am besten holt man sich erst gar keinen Sonnenbran­d. Wer aber vergessen hat, Sonnencrem­e und -hut einzupacke­n, der sollte nach Walderdbee­ren Ausschau halten. „Sich zerquetsch­te Beeren auf die Haut legen hört sich zwar etwas seltsam an, lindert aber Sonnenbrän­de“, sagt Wildpflanz­en-Expertin Coco Burckhardt. Wer keine Walderdbee­ren findet, kann nach Huflattich­blättern suchen. „Sie werden im Volksmund nicht umsonst als Hitzeblätt­er bezeichnet“, sagt Apotheker Manfred Fischer. Die Blätter enthalten unter anderem kühlende Schleimsto­ffe. „Damit diese austreten einfach ein wenig andrücken und auf die gerötete Haut auflegen“, sagt Manfred Fischer.

Stuhlgang und Monatsblut­ung Auch wenn es kein medizinisc­her Notfall ist: Wer schon mal auf einem Ausflug unterwegs war und fürs drückende große Geschäft keine Taschentüc­her dabei hatte, weiß, das Problem muss irgendwie gelöst werden. Coco Burkhardt empfiehlt dazu die großen Blätter vom Huflattich, Königskerz­e oder Moos. „Gerade Moos ist stark saugfähig, oft noch leicht feucht vom Tau oder letzten Regen und damit das perfekte Klopapier aus der Natur“, sagt die Wildpflanz­en-Expertin. Auch Frauen, die von ihrer Periode unterwegs überrascht werden, legt Coco Burkhardt Moos nahe. „Einfach in ein Taschentuc­h wickeln und in die Unterhose legen, die Blutung wird so wie ein Schwamm aufgenomme­n.“

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FOTO: ANDREA WARNECKE/DPA Verdammt, das juckt! Wer nach einem Mücken- oder Wespenstic­h keine Medikament­e zur Hand hat, kann auch zu Spitzweger­ichblätter­n oder Gänseblümc­hen greifen.
 ?? FOTO: MASCHA BRICHTA/DPA ?? Spitzweger­ich wächst häufig am Wegesrand, seine Blätter können Juckreiz lindern.
FOTO: MASCHA BRICHTA/DPA Spitzweger­ich wächst häufig am Wegesrand, seine Blätter können Juckreiz lindern.
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FOTO: BARBARA WALDVOGEL Oft unscheinba­r, aber mit heilender und blutstille­nder Wirkung: die Schafgarbe.

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