Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Pflaster wachsen auch am Wegesrand
Wer sich beim Ausflug verletzt, kann sich auch ohne Erste-Hilfe-Set verarzten – Viele Pflanzen in der Natur wirken entzündungshemmend und antibakteriell
Mit natürlichen Mitteln kleine Wehwehchen behandeln, das kann eine schnelle Alternative sein, wenn die Hausapotheke weit weg ist und Abhilfe nicht zur Hand.
Insektenstiche oder Brennnesseln Egal ob eine Mücke, eine Biene oder eine Wespe sticht – der menschliche Körper reagiert auf die Fremdeiweiße aus dem Speichelsekret, beziehungsweise auf das Insektengift. Die Folge: Rund um die Einstichstelle fängt es an zu jucken, die Haut wird rot und schwillt an. Auch wenn man einer Brennnessel zu nahe kommt, gibt die Pflanze über die winzigen Härchen ihr Gift ab, es fängt an zu brennen und zu jucken.
Jetzt heißt es schnell, ein paar Spitzwegerichblätter sammeln. Die langen, schmalen Blätter sind am Wegesrand und auf Wiesen fast überall zu finden. „Ein paar Blätter zerquetschen und direkt auf die
Stichstelle legen, dann hört der Juckreiz auf und die Schwellung fällt viel schwächer aus“, sagt Coco Burckhardt, Wildpflanzen-Expertin und Autorin des Buches „Erste Hilfe mit Wildpflanzen“(Ulmer Verlag). Die in der Pflanze enthaltenen Schleimstoffe lindern die Abwehrreaktion des Körpers. Zusätzlich kann man noch ein Spitzwegerichblatt als Verband über die Stichstelle binden.
Angst, die Einstichstelle mit dem Pflanzensaft zu verunreinigen, muss keiner haben. „Im Saft sind auch antibakterielle Stoffe drin, das ist also sogar noch gut zur Desinfektion“, sagt Manfred Fischer, Apotheker aus Bad Wörishofen und Heilkräuter-Experte. Wer keinen Spitzwegerich findet, kann auch Gänseblümchenblätter oder Springkraut zerquetschen und den Saft auf der Einstichstelle verreiben.
Blasen
Anfangs drückt es nur ab und an im Schuh, doch irgendwann tut jeder Schritt höllisch weh – man hat sich eine Blase gelaufen. Wer jetzt auf einer Wanderung kein Pflaster dabei hat, für den wird der restliche Weg zur Qual. Doch auch hier wächst die Erste Hilfe am Wegesrand und zwar in Form von Breitwegerich. „Die großen Blätter werden wie ein Pflaster auf die schmerzende Stelle gelegt, dann Socken und Schuh wieder drüberziehen“, sagt Heilkräuter-Experte und Apotheker Manfred Fischer. In den Blättern sind reizmildernde Schleimstoffe enthalten. Sie kühlen die wunde Stelle und mildern die Schmerzen.
Verstauchungen
Manchmal reicht schon ein falscher Schritt, der Fuß knickt um und schon ist es passiert: Die Stelle rund um das Gelenk schwillt rasch an und lässt sich nur noch unter Schmerzen bewegen, kurz der Knöchel ist verstaucht. Das Wichtigste ist jetzt kühlen. „Vielleicht ist ja irgendwo ein Bach in der Nähe“, sagt HeilkräuterExperte Manfred Fischer. Danach sollte man aus irgendeinem Kleidungsstück
einen Verband machen, um die Stelle ruhig zu stellen.
Mit Pflanzen aus der Natur dagegen kommt man hier nur bedingt weiter – auch wenn Arnika-Gele gegen Verstauchungen helfen. „Aber die Pflanze steht zum einen unter Naturschutz, zum anderen kann man eine Arnika-Salbe nicht so einfach selbst herstellen“, sagt Manfred Fischer.
Wildpflanzen-Expertin Coco Burckhardt rät, nach Beinwellblättern Ausschau zu halten, den zerquetschten Saft auf die verstauchte Stelle zu geben und mit einem großen Beinwellblatt zu fixieren. „Man kann die betroffene Stelle auch mit zerriebenen Gänseblümchen einmassieren“, sagt Coco Burckhardt.
Blutungen stillen
Zähe Stängel mit weißen Körbchenblüten, so sieht die Schafgarbe aus, die im Volksmund auch als Blutstillkraut bekannt ist. Und am lateinischen Namen „Achillea“erkennt man, dass die Schafgarbe schon die Ferse des berühmten trojanischen Kriegers Achilles heilte. Auch wissenschaftlich lässt sich die Wirkung erklären: Die Schafgarbe enthält viele Gerbstoffe, die im Körper zusammenziehend wirken und dadurch Blutungen stillen können, erklärt der Apotheker Manfred Fischer. Wer sich bei einem Spaziergang oder einer Wanderung verletzt, kann also ruhig auch heute noch Schafgarbe pflücken, zerreiben und den Saft auf die Wunde geben. Das ätherische Öl in der Schafgarbe verhindert eine Entzündung.
„Bei Nasenbluten kann man sich das zerkaute Kraut in die Nase stecken und den Kopf leicht in den Nacken legen, damit der Pflanzensaft in Richtung Nasenwurzel gelangt“, sagt Wildpflanzen-Expertin Coco Burckhardt. Hirtentäschel-Kraut hat eine ähnliche Wirkung bei blutenden Wunden und bei Nasenbluten.
Sonnenbrand
Am besten holt man sich erst gar keinen Sonnenbrand. Wer aber vergessen hat, Sonnencreme und -hut einzupacken, der sollte nach Walderdbeeren Ausschau halten. „Sich zerquetschte Beeren auf die Haut legen hört sich zwar etwas seltsam an, lindert aber Sonnenbrände“, sagt Wildpflanzen-Expertin Coco Burckhardt. Wer keine Walderdbeeren findet, kann nach Huflattichblättern suchen. „Sie werden im Volksmund nicht umsonst als Hitzeblätter bezeichnet“, sagt Apotheker Manfred Fischer. Die Blätter enthalten unter anderem kühlende Schleimstoffe. „Damit diese austreten einfach ein wenig andrücken und auf die gerötete Haut auflegen“, sagt Manfred Fischer.
Stuhlgang und Monatsblutung Auch wenn es kein medizinischer Notfall ist: Wer schon mal auf einem Ausflug unterwegs war und fürs drückende große Geschäft keine Taschentücher dabei hatte, weiß, das Problem muss irgendwie gelöst werden. Coco Burkhardt empfiehlt dazu die großen Blätter vom Huflattich, Königskerze oder Moos. „Gerade Moos ist stark saugfähig, oft noch leicht feucht vom Tau oder letzten Regen und damit das perfekte Klopapier aus der Natur“, sagt die Wildpflanzen-Expertin. Auch Frauen, die von ihrer Periode unterwegs überrascht werden, legt Coco Burkhardt Moos nahe. „Einfach in ein Taschentuch wickeln und in die Unterhose legen, die Blutung wird so wie ein Schwamm aufgenommen.“