Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Illegale Rodungen schaden allen
Nur einige schwarze Schafe sind für die Kahlschläge in Brasilien verantwortlich – Aber sie richten enorme Schäden an, die Auswirkungen auf das Weltklima haben
WAmazonas-Gebiet enn die Wälder Brasiliens●im und die Bäume im südlich daran anschließenden Savannengebiet Cerrado Viehweiden und Sojafeldern weichen, schadet das nicht nur der Natur Südamerikas, sondern verhagelt auch der Europäischen Union (EU) die Klimabilanz.
Das zeigen die Zahlen eindrucksvoll. Schließlich kommen mit 13,6 Millionen Tonnen 41 Prozent der Sojaimporte der EU aus Brasilien, von denen der allergrößte Teil als Tierfutter für Hühner, Rinder und Schweine verwendet wird. Und auch beim Rindfleisch stammen bis zu 40 Prozent der europäischen Einfuhren aus Brasilien. Bis zu 22 Prozent dieser Soja- und 60 Prozent dieser Rindfleischimporte aber kommen von Farmen, die illegal Wälder roden, stellen Raoni Rajão von der Bundesuniversität von Minas Gerais in Belo Horizonte und seine Kollegen jetzt in der Zeitschrift „Science“fest.
„Solange sie solche Importe dulden, tragen die Handelspartner Brasiliens ebenfalls Verantwortung für die Rodungen und fördern sie und die daraus resultierenden Emissionen von Treibhausgasen indirekt“, meinen Raoni Rajão und seine Kollegen. Bei dieser Aussage denken die Forscher an verschiedene Initiativen in Europa, die mit Hilfe von Ökolabeln sicherstellen wollen, dass keine auf solchen Rodungen erzeugten Produkte eingeführt werden. Ähnliche Bestrebungen gibt es auch in China, das in den letzten Jahren zum größten Importeur landwirtschaftlicher Produkte aufgestiegen ist. „In unserer Studie zeigen wir, dass Brasilien mit seinen bereits vorhandenen Systemen von Agrarkatastern, Monitoringprogrammen und über Transportgenehmigungen für Viehtransporte die Möglichkeit hat, das Einhalten der vorhandenen Regeln durchzusetzen“, meinen die Forscher. Nur müssen Brasilien und seine Handelspartner das auch wollen.
Für ihre Studie haben Raoni Rajão und seine Kollegen nämlich genau diese offiziellen Unterlagen Brasiliens verwendet. Die Forscher verglichen einen umfassenden Satz von Karten zur Landnutzung und zur Abholzung mit den Informationen über 815 000 Landbesitzer im bäuerlichen Online-Umweltkataster Brasiliens und den Transportgenehmigungen, die ausgestellt werden, wenn Vieh den Besitzer wechselt oder an ein Schlachthaus verkauft wird. Damit konnten sie erstmals illegale Rodungen direkt einzelnen Landbesitzern zuordnen.
Raoni Rajão, Wissenschaftler
Für diese Sisyphusarbeit mussten sie spezielle Computerprogramme entwickeln. Diese Software ermittelt dann, wie gut jeder einzelne Landbesitzer die entsprechenden Vorschriften einhält und unterscheidet auch zwischen rechtmäßigen und illegalen Abholzungen.
So schreiben etwa die Forstgesetze Brasiliens vor, dass auf Hügelkuppen und entlang der Flüsse Naturschutzgebiete eingerichtet werden müssen, auch auf privatem Land muss ein Teil für den Naturschutz reserviert werden. Im Amazonas-Regenwald müssen die Reservate 80 Prozent der Fläche eines Privatbesitzers umfassen, in der SavannenLandschaft Cerrado sind es dagegen nur rund 20 Prozent.
45 Prozent der Farmer im Amazonas-Gebiet und sogar 48 Prozent im Cerrado aber hielten sich nicht an diese Regeln und schützten nach der Computeranalyse der Forscher einen zu kleinen Teil ihres Landes. Allerdings gibt es dieses Naturschutzdefizit bei vielen dieser Landbesitzer schon seit etlichen Jahren.
Obendrein hatten viele Farmer zwar seit 2008 Wald abgeholzt, dabei aber mindestens die geforderte Naturschutzfläche
nicht angetastet oder sogar mehr als die vorgeschriebenen Flächen geschützt. Von insgesamt 815 000 Landbesitzern entpuppten sich schließlich 36 000 im Amazonas-Gebiet und 27 000 im Cerrado als Gesetzesbrecher, die illegal Wald gerodet hatten.
Am Ende zeigten die Forscher, dass gerade einmal zwei Prozent aller Agrarunternehmer 62 Prozent aller illegalen Rodungen im Amazonas-Regenwald und im Cerrado verantworten. Der Anteil schwarzer Schafe ist also relativ gering, richtet aber großen Schaden an.
So fischen Bäume jedes Jahr viel mehr Kohlendioxid aus der Luft als es Sojafelder tun. Allein zwischen 2009 und 2017 hat die EU daher jedes Jahr mit dem auf Rodungsflächen im Amazonas-Gebiet und im Cerrado angebauten Soja die zusätzliche Emission von 58 Millionen Tonnen Kohlendioxid verantwortet, rechnen Raoni Rajão und seine Kollegen aus. Das entspricht immerhin knapp acht Prozent der in Deutschland im Jahr 2018 ausgestoßenen Mengen dieses Treibhausgases.
Da in den kommenden Jahren auf Grund neuer Handelsverträge die EU vermutlich weniger Soja als bisher aus den USA importieren wird und das mit erhöhten Einfuhren aus Südamerika und dort vor allem aus Brasilien kompensieren dürfte, sollten also vor allem die Europäer die Regierung in Brasilia drängen, den schwarzen Schafen im Land das Handwerk zu legen und das illegale Abholzen zu unterbinden. Die Mittel dazu präsentieren die Forscher der brasilianischen Regierung in ihrer Studie.
Solange sie solche Importe dulden, tragen die Handelspartner Brasiliens ebenfalls Verantwortung.