Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Der Blick über den Tellerrand hinaus ist ein Genuss
Der Tellerrand ist dazu da, um über ihn hinauszublicken. Und weil Ähnliches für Landesgrenzen gilt, schweift der kulinarische Blick in dieser Ausgabe ins Nachbarland Österreich, genauer gesagt nach Lochau. Der kleine Ort ist im Prinzip nur einen kurzen Spaziergang von Lindau entfernt. Doch die Mühe lohnt sich, besonders wenn der Flaneur es bis zur Dorfmitte schafft, wo er sozusagen das kulinarische Kulturerbe des Ortes findet, namentlich das Restaurant Mangold. In diesem vielgestaltigen Betrieb – er verfügt über diverse Gasträume unterschiedlicher Prägung, stets aber mit eleganter Grundierung – wirken Andrea und Michael Schwarzenbacher seit Jahrzehnten in klassischer Arbeitsteilung: er am Herd, sie am
Gast. Wobei das hohe Leistungsniveau beider erst in Kombination seinen besonderen Reiz entfaltet. Gestärkte Tischwäsche prägt die wertige Anmutung beim Platznehmen. Im kleinen Gruß aus der Küche materialisiert sich der rustikale Geschmack von Linsen, begleitet von der puren Zartheit eines Bissens Kalbfleisch. Das kulinarische Programm balanciert sich köstlich durch verschiedenste Einflüsse. Da ist natürlich die Tradition österreichischer Küchenkunst, die im Mangold der Finesse des Küchenchefs unterworfen ist. Und in Schwarzenbachers Panoptikum des guten Geschmacks existiert nichts Schweres oder Plumpes. Das gilt auch für die Spielarten des Mediterranen oder gar Asiatischen. Die besondere Könnerschaft der Küche glänzt bereits in der Suppe – einer durch und durch nach Krebsen schmeckenden Krustentier-Consommé. Womit der Küchenchef darüber hinaus einen Oscar gewinnen könnte, würde es einen solchen in der
Kategorie „Schmorgerichte“geben: mit dem „Sugo vom Rotenberger Rotwild mit Morris Gin“. Gereicht mit hausgemachten Bandnudeln, manifestiert sich in dieser Soße alles, was unsere kulinarische Vorstellung von Wald ausmacht – und noch mehr. Da wären zunächst die konzentrierten Fleischaromen, die Ahnung von Wacholder, die herbe Süße von Preiselbeeren sowie tatsächlich der Anklang von Gin. In seiner Intensität nichts weniger als überwältigend.
Den speziellen Zauber des Hauses hat zuvor schon der würzige Blattsalat mit den unwiderstehlichen Fischnocken – außen knusprig, innen zart – bezeugt. Makellos selbst im Detail, die Nocke mit samtiger Textur und köstlichem Geschmack. Die Salate von beeindruckender Frische, umschmeichelt von schwer zu fassendem, aber umso besser zu genießendem Dressing. Großen Anteil am Genusserlebnis hat ein wacher Service – in Gestalt von zwei Damen nebst der Chefin selbst. Ganz in Schwarz gekleidet, beschränkt sich die lockere Eleganz somit nicht nur auf die Teller aus der Küche. Die Weinempfehlung von Andrea Schwarzenbacher, ein wirklich staubtrockener gelber Muskateller aus der Steiermark (Weingut Tement), kann sogar locker dem Wildgericht standhalten.
Und am Ende? Desserts von reiner Schönheit – etwa die Erdbeeren, serviert mit Karamelleis und Sorbet, eingewoben in zarte Schäume und Emulsionen, krachend akzentuiert von Nüssen und Crumble. Ein Teller pure Lebensfreude.