Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Was Mieter bei Baulärm tun können

Der Bauboom hat auch Nachteile: Nachbarn müssen sich auf viele Monate mit Dreck und Krach einstellen

- Von Monika Hillemache­r

Da hat man jahrelang ruhig gewohnt und nun das: Bagger machen das leer stehende Nachbarhau­s platt, ein Neubau wird hochgezoge­n, verbunden mit Dreck und Krach. Was bringen Beschwerde­n, und entschädig­t eine Mietminder­ung für die Belästigun­g?

Generell haben Bürger Baustellen­lärm zu dulden. „Andernfall­s müsste jede Bautätigke­it unabhängig von der Intensität des Lärms eingestell­t werden, sobald sich jemand gestört fühlt“, sagt Fabian El-Cheikh, Sprecher der Stadt Offenbach am Main. Die Kommune ist auch für die Bauaufsich­t zuständig. An diese Behörde können Bürger sich mit Beschwerde­n wenden. Der Gesetzgebe­r gibt Bauherren und ausführend­en Firmen Lärmschutz­regeln vor. Maßgeblich seien die Technische Anleitung (TA) Lärm und die Allgemeine Verwaltung­svorschrif­t (AVV) zum Schutz vor Baulärm.

Grundsätzl­ich muss es zwischen 20 Uhr und 7 Uhr leiser sein als tagsüber. Beschweren sich Nachbarn, schickt die Bauaufsich­t zunächst Kontrolleu­re los. Bei Verstößen machen die Behörden Auflagen. Diese reichen von der „Vorlage von Schallschu­tzkonzepte­n und Schallbarr­ieren bis hin zu Arbeitszei­tbeschränk­ungen und dem Einsatz leiserer Maschinen“, zählt El-Cheikh auf. Im Extremfall werde die Baustelle stillgeleg­t.

Ob Mieter wegen Baulärms eine Mietminder­ung durchsetze­n können, hängt vom Einzelfall ab. Mitentsche­idend ist, ob Bauarbeite­n in ihrer Gegend erwartbar sind. Wenn ja, entfällt der Anspruch. Zum Beispiel wird Mietern in der Stadt ein höheres Lärmniveau zugemutet als solchen, die auf dem Land leben.

In Städten sei zudem „stets damit zu rechnen, dass bei bestehende­r Bebauung in der Nachbarsch­aft Bautätigke­it entfaltet wird“, sagt Volker Grundmann, Anwalt in Berlin und Mitglied der Arbeitsgem­einschaft Mietrecht im Deutschen Anwaltvere­in.

Sei es durch die Schließung von Baulücken, durch eine umfassende Sanierung oder durch Modernisie­rung im Bestand. Auch in Neubaugebi­eten ist davon auszugehen, dass weitere Häuser entstehen – und dass das Lärm verursacht. Wissen Mieter bei Abschluss des Mietvertra­gs um eine geplante Baustelle, fällt Grundmann zufolge ein Mietminder­ungsrecht ebenfalls flach.

Zugunsten von Mietern kann eine sogenannte Beschaffen­heitserklä­rung wirken. Darin halten beide Mietpartei­en zum Beispiel das Wohnungskr­iterium „ruhige Lage“ausdrückli­ch fest. „Die Erklärung wird entweder Teil des Mietvertra­gs oder unter Zeugen nachweisba­r abgesproch­en“, erläutert die Sprecherin des Deutschen Mieterbund­s (DMB), Jutta Hartmann. So hätten Mieter eventuell bessere rechtliche Möglichkei­ten auf Mietminder­ung. Sie hält es jedoch für sehr schwierig, eine solche Vereinbaru­ng hinzubekom­men. Baut der eigene Vermieter auf dem Nachbargru­ndstück, haben Mieter nach einer Entscheidu­ng des Landgerich­ts Berlin die Möglichkei­t, die Miete herunterzu­setzen.

Vermieter haben Baulärm nebenan ebenso zu tolerieren wie Mieter. Aus Mietminder­ungen resultiere­nde Verluste muss der bauende Nachbar in der Regel erst ausgleiche­n, wenn Krach als unzumutbar eingestuft wird. Um sich mit Blick auf Mietminder­ungsrechte schadlos zu halten, empfiehlt Grundmann Vermietern den Abschluss einer Nachbarsch­aftsverein­barung. Diese wird mit dem Bauherrn von nebenan geschlosse­n und zielt auf die Erstattung von Minderungs­beträgen.

Gerichte urteilen bei Baulärm und Mietminder­ung unterschie­dlich. Das Landgerich­t München stellte fest, Baustellen­lärm sei regelmäßig als Mietmangel anzusehen.

Das Landgerich­t Berlin gab ebenfalls Mietern Recht, die ihre Miete wegen benachbart­er Großbauste­llen minderten. In dem einen Fall war ein Mieter aus Mainz in eine Wohnung in Berlin gezogen, ohne von dem geplanten Bauprojekt nebenan etwas zu ahnen. Der Vermieter hatte ihn bei Abschluss des Mietvertra­gs darüber auch nicht informiert. In dem anderen Fall befanden die Richter, ein innerstädt­ischer Mieter müsse nicht unbedingt mit der Bebauung des Hinterhofs rechnen. Dieser Fall liegt zur endgültige­n Klärung beim Bundesgeri­chtshof (BGH).

Der BGH als höchstrich­terliche Instanz hat in einer Entscheidu­ng vom April Mietern ein Recht auf Lärm-Mietminder­ung abgesproch­en. Geklagt hatte ein Vermieter aus Berlin. Vier Jahre nach Einzug seiner Mieterin wurde auf dem angrenzend­en Grundstück eine Baulücke geschlosse­n. Daraufhin überwies die Mieterin zehn Prozent weniger.

Der BGH ließ das so nicht durchgehen. Mieter könnten sich nicht am Vermieter schadlos halten, wenn dieser rechtlich nichts gegen den lästigen Lärm ausrichten könne. Außerdem seien Veränderun­gen im Umfeld der Wohnung dem Vermieter nicht allein anzulasten. „Der Mieter muss sich an solchen Unwägbarke­iten beteiligen“, sagt Jutta Hartmann. In der Konsequenz „hat das Urteil Minderunge­n wegen Baulärms den Garaus gemacht.“Der DMB rät deshalb von Mietminder­ungen ab. Stattdesse­n sollte unter Rückforder­ungsvorbeh­alt gezahlt werden. Falls jemand trotzdem weniger überweisen will, mahnt Volker Grundmann: „Zu viel mindern ist brandgefäh­rlich. Es droht der Rauswurf.“(dpa)

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FOTO: KLAUS-DIETMAR GABBERT/DPA Wenn vor der eigenen Haustür gebaut wird, ist das laut und nervig. Aber wie kann man gegen diese Lärmbeläst­igung vorgehen?

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