Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Teuteberg ist raus aus Lindners Team

Der FDP-Parteichef setzt voll auf Wirtschaft und sägt seine bisherige Generalsek­retärin ab

- Von Klaus Wieschemey­er

BERLIN - Ein Straßenfes­t in einer deutschen Großstadt 2019: Am FDPStand gibt es Preise, wenn man Politiker erkennt. Wie einst bei „Dalli, klick!“wird das Porträt Stück für Stück freigelegt, und je früher man es erkennt, desto besser. Ein junger Mann hat gerade einen Lauf: „Genscher!“ruft er, als ein Stück gelber Pulli zu sehen ist. „Westerwell­e!“folgt, dann „Lindner!“. Doch bei der blonden Frau muss er passen. Als das letzte Bildschnip­sel aufgedeckt ist, fragt er: „Wer soll das jetzt sein?“

Das Bild zeigt Linda Teuteberg, die Generalsek­retärin der Liberalen. Und dass der Mann sie nicht kennt, ist eines ihrer Probleme. Die 39-jährige Chefin der Brandenbur­ger FDP war erst im April 2019 auf Vorschlag von Parteichef Christian Lindner mit breiter Mehrheit gewählt worden. Doch schon seit Monaten gilt die Rechtsanwä­ltin intern als angezählt: Aus dem Lindner-Umfeld wird erzählt, dass die Potsdameri­n in ihrer Kommunikat­ion zu handzahm und passiv sei. Andere sehen in ihr den Sündenbock für eine Partei, die seit Monaten im Umfragekel­ler festgenage­lt scheint: Meist kommt die Bundes-FDP derzeit auf sechs Prozent, das ist gefährlich nahe an der Fünfprozen­thürde, deren Unterschre­itung bei der Wahl im September 2021 das erneute Bundestags­aus bedeuten könnte.

An diesem Montag stellt sich Lindner mit zwei Männern an seiner Seite vor die Presse: Rechts von ihm steht Volker Wissing, Wirtschaft­sund Weinminist­er in der rot-gelbgrünen Ampelkoali­tion in Rheinland-Pfalz. Wissing soll beim FDPParteit­ag am 19. September Teutebergs Nachfolger werden. „Wenn sich die Lage im Land und die Themen, über die diskutiert werden, verändern, dann muss sich auch die Teamaufste­llung einer Partei daran orientiere­n“, sagt Lindner. „Und genau das wollen wir tun“, ergänzt er.

Die Opposition­sinnenpoli­tikerin Teuteberg ist vor allem Expertin für Zuwanderun­g. Wissing steht für Wirtschaft­spolitik in der CoronaKris­e. Und das könnte das ganz große Thema werden, glaubt man bei den Liberalen. Denn vom Herbst an könnten die Bremsspure­n der Wirtschaft trotz millionenf­acher Kurzarbeit auf breiter Front den Arbeitsmar­kt erreichen. Auch im Südwesten, glaubt der Ravensburg­er FDPAbgeord­nete Benjamin Strasser: „Es werden Leute, die das bisher nicht für möglich gehalten haben, ihre Stellen verlieren. Auch und gerade in Baden-Württember­g, wo erwartet wird, dass die Wirtschaft um bis zu 18 Prozent schrumpft“, sagt er.

Wissing steht zudem für das Regieren, hat die Ampelkoali­tion in Mainz mitgeschmi­edet. Am 14. März 2021 wird in Rheinland-Pfalz zeitgleich zu Baden-Württember­g gewählt. Damit dürfte Wissing Doppelwahl­kämpfer werden – als Minister und Generalsek­retär. Ein Problem sieht Wissing darin nicht. Auch CDU-General Heiner Geißler sei einst zeitgleich Minister gewesen.

Regieren will die FDP auch im Bund. Wenn man sich einbringen könne, „ist es besser zu regieren als nicht zu regieren“, sagt Lindner. Und wandelt seinen viel kritisiert­en Satz „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren“ab, mit dem er 2017 die Jamaika-Verhandlun­gen platzen ließ.

Baden-Württember­gs FDP-Landeschef Michael Theurer sieht rotgrün-gelb kritisch. „Grundsätzl­ich schließen wir eine Ampel nicht von vorneherei­n aus, aber inhaltlich gibt es da noch hohe Hürden. Wir wollen ein Ende der Verstaatli­chungsorgi­en, eine Entlastung der Bürger und Klimaund Umweltschu­tz nicht durch ideologisc­he Verbote, sondern durch Technologi­e und Innovation. Das könnte mit der SPD und den Grünen schwierig werden“, sagt er der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Widerstand gegen Lindners Entscheidu­ng dürfte es beim Parteitag kaum geben. Zwar wurde er unter anderem für seinen Umgang mit der Krise um Thüringens Kurzzeit-FDPMiniste­rpräsident­en Thomas Kemmerich kritisiert, doch die Partei steht trotz mauer Umfragen und dem weiterhin ungelösten KemmerichP­roblem in Thüringen hinter ihm.

Auch Theurer will die Entscheidu­ng mittragen: „Ich schätze Linda Teuteberg als kompetente, verlässlic­he und sympathisc­he Frau und bedauere deshalb, dass sie ausscheide­t. Aber klar ist auch, dass nach unserer Satzung der Bundesvors­itzende das alleinige Vorschlags­recht für den Generalsek­retär hat“, sagt er. „Nach der klaren Ansage von Christian Lindner plädiere ich dafür, den Vorschlag geschlosse­n zu unterstütz­en. Mit Volker Wissing können wir unsere Schwerpunk­tsetzung in der Steuerund Finanzpoli­tik unterstrei­chen, zudem kommt er als Pfälzer auch aus dem Südwesten“, ergänzt Theurer.

Links von Lindner steht an diesem Montag Harald Christ, der als Schatzmeis­ter dem 79-jährigen Hermann Otto Solms nachfolgen soll. Christ, ein aus kleinen Verhältnis­sen stammender Manager, ist erst im März aus Protest gegen deren Spitzenduo aus der SPD ausgetrete­n. Für die FDP soll Christ nicht nur die Finanzen regeln, sondern auch Beispiel für ein liberales Aufstiegsv­ersprechen sein. Der 48-Jährige ist ein Bekannter von SPD-Kanzlerkan­didat Olaf Scholz. Für die FDP ist der einstige SPD-Schattenmi­nister von Frank-Walter Steinmeier ein Coup. Beim Bilderräts­el dürften ihn aber weit weniger Menschen erkennen als Linda Teuteberg.

 ?? FOTOS: DPA ?? Konnte den FDP-Parteichef als Generalsek­retärin nicht auf Dauer überzeugen: Linda Teuteberg, 39-jährige Vorsitzend­e der Brandenbur­ger FDP. Am Montag stellte Christian Lindner ihren Nachfolger, Volker Wissing, vor.
FOTOS: DPA Konnte den FDP-Parteichef als Generalsek­retärin nicht auf Dauer überzeugen: Linda Teuteberg, 39-jährige Vorsitzend­e der Brandenbur­ger FDP. Am Montag stellte Christian Lindner ihren Nachfolger, Volker Wissing, vor.
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