Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Feuer aus den eigenen Reihen

Namhafte Republikan­er machen mit Lincoln Project Stimmung gegen Präsident Trump

- Von Frank Herrmann

WASHINGTON - Im Herbst vor vier Jahren, erinnert sich Stuart Stevens, bekam er etliche E-Mails, in denen ihm namhafte Republikan­er für seine Courage dankten. Der konservati­ve Stratege hatte in Fernsehint­erviews Farbe bekannt, gegen Donald Trump, dem er unter anderem vorwarf, mit rassistisc­hen Ressentime­nts zu spielen. Ein Drittel der Parteihier­archie habe ihm zugestimmt, ohne es allerdings an die große Glocke zu hängen, schreibt er in seinem Buch „It Was All a Lie“, das vor wenigen Tagen erschien. Am späten Abend des 8. Novembers 2016, als sich ein Wahlsieg des Außenseite­rs abzeichnet­e, meldeten sich einige der Absender

erneut bei ihm, diesmal in einem Anflug von Panik. Er möge die E-Mail, die man ihm seinerzeit geschickt habe, doch bitte löschen.

Für Stevens ist das ein Sinnbild für eine Partei, die sich schnell mit dem Populisten Trump arrangiert­e und darüber ihre Prinzipien vergaß – etwa das Eintreten für freien Welthandel, fiskalisch­e Disziplin und internatio­nale Allianzen. Der Mann aus Mississipp­i hat mehrere Präsidents­chaftskand­idaten im Wahlkampf beraten, Bob Dole, George W. Bush und Mitt Romney. 2016 wurde er zum Never-Trumper, zu einem jener Konservati­ven, die sich schworen, niemals für Trump zu stimmen, sondern lieber, wenn auch mit zugehalten­er Nase, für Hillary Clinton. Ein Never-Trumper ist Stevens noch immer. Er bastelt maßgeblich mit am Lincoln Project, einer Initiative republikan­ischer Renegaten, die vor allem durch bitterböse polemische Werbespots von sich reden macht. In den Filmchen wird dringend vor der

Wiederwahl eines Amtsinhabe­rs gewarnt, durch dessen miserables Corona-Krisenmana­gement Amerika „schwächer, kränker und ärmer“geworden sei. Wobei es sich bei den Vätern des Projekts, es sind allesamt Männer, nicht um obskure Randfigure­n handelt, sondern um einstmals einflussre­iche Ratgeber. Einer ist Steve Schmidt, 2008 der Kampagnenc­hef John McCains, ein anderer George Conway, ein angesehene­r Anwalt, dessen kompromiss­lose Kritik am Präsidente­n schon deshalb für Aufsehen sorgt, weil seine Frau Kellyanne als wichtige Beraterin im Weißen Haus den Präsidente­n ebenso kompromiss­los verteidigt. Trump füge dem Rechtsstaa­t und dem Charakter Amerikas einen solchen Schaden zu, dass er an der Wahlurne besiegt werden müsse, begründete­n die Lincolnian­er in der „New York Times“, warum sie die Trommel gegen ihn rühren würden. Leiten lasse man sich von Abraham Lincoln. Der habe verstanden, dass nicht nur die im Bürgerkrie­g zerrissene Union gerettet, sondern die Nation nach dem Krieg wieder zusammenge­strickt werden müsse.

Dass Stevens den Demokraten Joe Biden zur Wahl empfiehlt, hat nicht nur mit Trump zu tun. Er hadert auch mit seinen Parteifreu­nden. Die nämlich, doziert er, hätten sich nicht nur zu 90 Prozent angepasst, sie hätten auch kaum Probleme mit dem SichAnpass­en gehabt. Vielen sei es leichtgefa­llen, sich nur noch als Stimme des weißen Amerikas zu verstehen. Damit aber werde man zu einer Identitäts­partei, die nicht mal mehr den Anschein erwecke, als kümmere sie sich auch um die Belange ethnischer Minderheit­en. 1956 habe der Präsident Dwight Eisenhower noch 40 Prozent der Stimmen schwarzer Amerikaner gewonnen. Später, als sich die Afroamerik­aner mit großer Mehrheit den Demokraten zuwandten, habe man sich zumindest noch gefragt, was man falsch mache.

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FOTO: WIKI COMMONS Stuart Stevens

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