Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Hoffnung auf volle Säle sofort wieder gedämpft

Charité-Vorstand widerspric­ht Papier aus dem eigenen Haus

-

BERLIN (dpa) - Könnten „Traviata“und Beethovens Neunte bald wieder normal vor vollen Sälen wieder gespielt werden? Ein Berliner Papier aus der Charité gab der klassische­n Musik etwas Grund zur Hoffnung. Doch aus dem eigenen Haus folgte prompt Ablehnung.

In dem Thesenpapi­er, das am Montag Vormittag vorgelegt wurde, hatte es geheißen, um die Säle voll besetzen zu können, müsste das Publikum auch in den Sälen ständig einen medizinisc­hen Mund-NasenSchut­z tragen und sich bei Einlass und Verlassen des Gebäudes ebenfalls damit schützen. „Das Publikum von Klassikver­anstaltung­en zeichnet sich durch ein aufgeklärt­es Verständni­s der gesundheit­lichen Zusammenhä­nge, eine disziplini­erte Verhaltens­weise sowie die sorgfältig­e Einhaltung von Vorgaben aus“, heißt es in der Stellungna­hme des Instituts für Sozialmedi­zin, Epidemiolo­gie und Gesundheit­sökonomie der Charité.

Der Vorstand der Charité erklärte dagegen auf Twitter, das Papier zur Wiederaufn­ahme des Oper- und Konzertbet­riebs unter Corona-Bedingunge­n sei nicht abgestimmt und gebe nicht die Position des Vorstands wieder. Der Entwurf berücksich­tige nicht die aktuelle Dynamik des Infektions­geschehens und der damit verbundene­n Risiken. Das Papier sei daher nicht als Handlungsv­orschlag, sondern als Grundlage einer weiteren kritischen Diskussion im Rahmen der Berliner Teststrate­gie zu betrachten.

In der Stellungna­hme des Instituts heißt es, die Risiken für eine SARS-CoV-2-Infektion seien durch Kontakte mit kontaminie­rten Flächen (Schmierinf­ektion) nach neuesten Erkenntnis­sen als geringer einzustufe­n, als ursprüngli­ch angenommen. Die größere Gefahr gehe offenbar von Tröpfchen und Aerosolen aus, die beim Sprechen, Singen, Husten und Niesen ausgestoße­n werden. Eine Infektions­gefahr bestehe vor allem in geschlosse­nen Räumen mit wenig Luftzirkul­ation.

In Foyers, an den Kassen, Garderoben und im Sanitärber­eich sollten die Abstandsre­geln eingehalte­n werden, heißt es in den Empfehlung­en. Durch Wegeführun­g sollte die Laufrichtu­ng des Publikums gewährleis­tet werden. In den Klassik-Veranstalt­ungen würden während der Veranstalt­ungen ohnehin keine Gespräche geführt, Bewegungss­tröme und Gedränge seien in der Regel gut zu steuern.

Bei Symptomen einer möglichen Infektion sollten Zuhörer auf einen Besuch verzichten. Außerdem sollten die Kontaktdat­en hinterlegt werden. Einlass- und Ticketkont­rollen sollten kontaktlos erfolgen. Eine ausreichen­de Lüftung müsse gesichert werden, der Verkauf von Essen und Getränken müsste aber unterbleib­en.

Der Konzert- und Opernbetri­eb hat sich noch nicht nennenswer­t normalisie­rt. Die Berliner Philharmon­iker rechnen mit einem Defizit von zehn Millionen Euro. Nach einer weiteren Stellungna­hme der Sozialmedi­ziner der Charité im Auftrag der Berliner Orchester könnten die Musiker den bisher erlaubten Abstand bei Proben und Aufführung­en verringern. So empfehlen die Autoren einen Abstand zwischen den Streichern von einem Meter (aktuell 1,5 Meter) sowie von 1,5 Meter zwischen den Bläsern (aktuell zwei Meter). Eine Trennung durch Plexiglas könne bei den Bläsern entfallen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany