Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Graf muss zurücktreten
Was hat Dieter Graf bloß geritten, an diesem Youtube-Filmchen mitzuwirken? Naivität? Trotz? Enttäuschung über die Absage des Rutenfests? Oder totale Verblendung? Glaubt er tatsächlich, Ravensburger Kinder seien durch die einmalige Absage eines Volksfestes „unterdrückt“, „instrumentalisiert“oder „in Haft genommen“worden, wie es die selbst ernannten „Querdenker“behaupten? Hält er eine sinnvolle Beschränkung wie die Absage von Großveranstaltungen zur Eindämmung einer globalen Pandemie, die weltweit schon eine dreiviertel Million Tote gefordert hat und noch weit mehr Menschen nachhaltig gesundheitlich schädigt, wirklich für Unrecht? Gibt es ein Grundrecht auf Zuckerwatte und Rutenwurst?
Unbestritten leiden unter dem Verbot von Großveranstaltungen Schausteller, denen die wirtschaftliche Grundlage entzogen wird. Ihnen muss finanziell geholfen werden. Aber was, bitte schön, ist die Alternative zu einem solchen Verbot, solange die Pandemie anhält und es keinen Impfstoff und kein Medikament gibt? Weitere Tote, damit Ravensburger Kinder Karussell fahren können? Ernsthaft?
Zu Recht empört sich die ganze Stadt über Graf und die Querdenker, die ihn zu diesem Video animiert haben. Vermutlich hat er selbst nicht die Konsequenzen bedacht: Eine Spendenübergabe zur Rettung des Rutenfests ist mit Verweis auf das Video schon abgesagt worden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass auch Sponsoren abspringen, wenn sich die Rutenfestkommission nicht von ihrem Vorsitzenden trennt oder dieser selbst zurücktritt. Dann gibt es vielleicht nie wieder ein Rutenfest, und Schuld daran ist nicht das Coronavirus.