Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Freude an musikalisc­her Entdeckung

Ludvik Šuranský stellte unbekannte­re Komponiste­n aus Europa vor

- Von Dorothee L. Schaefer

WEINGARTEN - Eine halbe Stunde vor Konzertbeg­inn kommt der Organist Ludvik Šuranský auf den Parkplatz gefahren, er kennt die Gegebenhei­ten schon vom vorigen Jahr. Ein höflicher und freundlich­er Mensch, sogleich bereit zu einem Foto auf der Orgelempor­e. „Eine wunderschö­ne Orgel“, sagt er lächelnd und streicht fast ehrfürchti­g über die Registerkö­pfe aus Elfenbein. Er ist gerne eingesprun­gen bei den Internatio­nalen Orgelkonze­rten und hat ein vielseitig­es Programm von kurzen Kompositio­nen bekannter deutscher und weniger bekannter europäisch­er Komponiste­n des 18. und 19. Jahrhunder­ts mitgebrach­t.

Zwei Stücke von Johann Sebastian Bach standen am Anfang: die Fantasia con imitazione h-Moll, schön und klar mit einem heiteren kleinen Glockenspi­el und das Lied „Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ“, mit der „vox humana“gespielt. Bereits da spürte man Šuranskýs Begeisteru­ng für die Vielfalt der 66 oder mehr Register der Gabler-Orgel, die sich dann bei den nächsten drei Werken von böhmisch-tschechisc­hen Meistern noch steigerte.

Nach der ernsten getragenen Fuge c-Moll von Bohuslav Matej Cernohorsk­y und dem Präludium C-Dur von Josef Ferdinand Norbert Seger, das in voluminöse­m Plenum und mit Glockenspi­el rhythmisch garniert erklang, überrascht­e die Fantasie dMoll des Tschechen Jan Krtitel Kuchar mit interessan­tem Doppelecho, Kuckuck und Rossignol. Eine eigenwilli­ge, modern anmutende Kompositio­n mit sehr melodische­n Zwischente­ilen, für die Šuranský eine Vielzahl von Registerfa­rben einsetzte. Mit diesen drei Komponiste­n des frühen und späten 18. Jahrhunder­ts endete der erste Teil mit Alter Musik. Und es begann das 19. Jahrhunder­t mit dem verinnerli­chten Lied „Herzliebst­er Jesu“op. 122 von Johannes

Brahms.

Weiter im 19. Jahrhunder­t in Europa ging es mit dem belgischen Komponiste­n Jacques Nicolas Lemmens und seiner in „unda maris“gesetzten „Prière E-Dur“, und zwei Postludien, also Nachspiele­n nach der Messe, des Ungarn Tibor von Pikethy, bei deren wuchtigem Plenum Šuranský wieder den Carillon einsetzte.

Der mit nur 22 Jahren verstorben­e Brite Charles John Grey hat in seiner kurzen Lebenszeit über 20 sakrale Werke geschaffen, darunter das schlichte Lied „Prière à la Vierge“mit einer einfachen Oberstimme, das gar nicht sehr sakral wirkte. Auch dem Elsässer Léon Boëllmann war kein langes Leben vergönnt: Aus seinen Orgelwerke­n kamen zwei Stücke aus der „Suite Gothique“op. 25 zu Gehör, das „Menuet gothique“ein wenig schwerfäll­ig, die „Prière à Notre Dame“dagegen sehr gefühlsges­ättigt. Den Schluss machte Felix Mendelssoh­n mit der Sonate A-Dur op. 65, No. 3 über den Choral „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“, der einerseits ganz von Bach inspiriert wirkte, anderersei­ts schwelgend­e Romantik vermittelt­e.

Die gerne auch von Brass-Ensembles gespielte Hochzeitsm­usik „Festive Trumpet Tune“des amerikanis­chen Organisten und Komponiste­n David German bildete den festlichen Abschluss eines reichhalti­gen und interessan­ten Konzerts mit insgesamt 14 Werken von elf Komponiste­n.

 ?? FOTO: DLS ?? Ludvik Šuranský aus dem tschechisc­hen Zlin gastierte bereits im vergangene­n Jahr an der Gabler-Orgel und ist begeistert von ihren vielen Registern. Über ihm ist der große Carillon in Form eines Weinstocks zu sehen.
FOTO: DLS Ludvik Šuranský aus dem tschechisc­hen Zlin gastierte bereits im vergangene­n Jahr an der Gabler-Orgel und ist begeistert von ihren vielen Registern. Über ihm ist der große Carillon in Form eines Weinstocks zu sehen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany