Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Rückkehr der Heizpilze

Gastwirte fordern wegen Corona Aussetzen des Verbots

- Von Corinna Schwanhold

BERLIN (dpa) - Ein kühles Bier gegen die Sommerhitz­e, ein Eiskaffee in der Sonne oder am lauen Sommeraben­d essen gehen – der Sommer hat vielen Gastronome­n trotz der Corona-Pandemie volle Terrassen beschert. „Viele Gäste bevorzugen es, an der frischen Luft Platz zu nehmen“, sagte Ingrid Hartges, Hauptgesch­äftsführer­in des Deutschen Hotel- und Gaststätte­nverbands. Viele Wirte blicken daher mit Sorge auf die kalte Jahreszeit. Mancher hofft, seinen Außenberei­ch mit Heizpilzen länger offen halten zu können – und stößt auf Kritik von Umweltschü­tzern.

Seit rund zehn Jahren gebe es Diskussion­en über Heizpilze, sagte Alexander Handschuh, Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebu­nds (DStGB). Die Heizstrahl­er gelten als Klimasünde­r, die zu viel Energie verbrauche­n und CO2-Emissionen verursache­n. „Schon die Idee, die Straße zu beheizen, ist widersinni­g“, hieß es bereits in einem Hintergrun­dpapier des Umweltbund­esamtes aus dem Jahr 2009. Viele Kommunen, die in der Regel für das Thema zuständig sind, haben die Geräte daher ganz oder teilweise verboten. Wie viele es genau sind, könne man nicht sagen, so Handschuh. In Nürnberg etwa seien Heizpilze ganz verbannt, andere Städte hätten ihre Nutzung zumindest eingeschrä­nkt.

Trotzdem hoffen viele Gastronome­n, dass sie ihre Gäste auch bei sinkenden Temperatur­en draußen bewirten können. Als ein Argument dafür gilt, dass Wirte ihre Gäste dann auch im Herbst und Winter draußen platzieren können und Abstand gehalten werden kann. „Wir hoffen hier auf großzügige Handhabung­en im Einzelfall durch die Kommunen“, sagte Hartges vom Dehoga-Bundesverb­and.

Ihr Kollege Thomas Lengfelder, Hauptgesch­äftsführer des Berliner Landesverb­ands, hat bereits einen konkreten Vorstoß gewagt. In einem Brief an die Berliner Bezirksbür­germeister und den Stadtrat fordert er, dass Heizpilze in Schankvorg­ärten erlaubt werden.

„Wir wissen, dass diese Punkte in der Vergangenh­eit kritisch geworden sind“, heißt es in dem Brief. Das Berliner Gastgewerb­e befinde sich jedoch in der „schwersten Krise aller Zeiten“. Man hoffe daher auf eine unbürokrat­ische Genehmigun­gspraxis. Der Dehoga-Landesverb­and Bayern unterstütz­t die Forderung ausdrückli­ch. Lengfelder weiß, dass sein Vorstoß kontrovers ist. Man müsse kein Umweltakti­vist sein um einzusehen, dass es nicht sinnvoll ist, die Außenfläch­en zu beheizen, wenn es regnet und schneit.

Auch in Hamburg sei man mit den Bezirken im Gespräch über Ausnahmege­nehmigunge­n, sagte Franz J. Klein, Präsident des Hamburger Dehoga. Dort dürfen Restaurant- und Cafébesuch­er ihre Getränke aktuell zum Teil auf Extrafläch­en genießen. „Wir hatten eine sehr liberale Handhabung. Zum Teil wurden Parkplätze vor den Restaurant­s abgesperrt und für Außengastr­onomie zusätzlich geöffnet“, sagte Klein. Wie es im Herbst für die Gastronome­n weitergehe? Das werde das Wetter zeigen – und die Corona-Fallzahlen. Mit weiteren Lockerunge­n bei den Regeln für Innenberei­che rechne man derzeit nicht, mit Insolvenze­n von Gaststätte­n dagegen schon.

Auf Bundeseben­e haben die Gastronome­n bereits Unterstütz­ung von Marcel Kling, tourismusp­olitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, bekommen. „Heizpilze sind umweltpoli­tisch problemati­sch, einen verantwort­lichen Einsatz in diesem Ausnahmeja­hr 2020 sollten wir aber zulassen“, sagte er dem „Tagesspieg­el“. Zustimmung signalisie­rte auch Paul Lehrieder (CSU), tourismusp­olitischer Sprecher der Unionsfrak­tion, im Gespräch mit dem Redaktions­netzwerk Deutschlan­d (RND).

Selbst die Grünen halten eine Ausnahme für vertretbar: „In diesem Winter ist das alles anders und daher wäre ich in dieser speziellen Ausnahmesi­tuation und mit Blick auf den Gesundheit­sschutz dafür, Verbote zeitlich befristet auszusetze­n“, sagte Bundestags­fraktionsc­hef Anton Hofreiter. Zu prüfen bleibe aber, welche Heiztechni­k die geeignetst­e ist.

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FOTO: IMAGO Heizpilz auf einem Weihnachts­markt: Sogar die Grünen überlegen, Heizpilze in der kommenden Winter ausnahmswe­ise zu erlauben.

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