Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ex-Geliebte weiß von „Hunderten Konten“

Corinna zu Sayn-Wittgenste­in bricht ihr Schweigen und zieht gegen Ex-König Juan Carlos vor Gericht

- Von Ralph Schulze

MADRID - Jahrelang schwieg die deutsche Ex-Geliebte von Spaniens langjährig­em Monarchen Juan Carlos. Nun packt Corinna zu Sayn-Wittgenste­in, die ein Verhältnis mit dem früheren königliche­n Staatsober­haupt hatte, erstmals öffentlich aus: In einem Interview mit dem britischen Sender BBC erhebt sie schwere Vorwürfe gegen Juan Carlos. Und gleich auch gegen die ganze Königsfami­lie, die wegen mehrerer Finanzskan­dale in Misskredit geraten ist. Sayn-Wittgenste­in kündigte an, dass sie ihren früheren königliche­n Liebhaber wegen einer Rufmordkam­pagne gegen ihre Person in London vor Gericht bringen werde.

Fünf Jahre lang, von 2004 bis 2009, sagt die 56-jährige deutsche Geschäftsf­rau, sei sie die geheime Geliebte von Juan Carlos I. gewesen. Doch der Trennung folgte die Zwietracht: Sayn-Wittgenste­in gibt nun dem schon länger im Raum stehenden Korruption­sverdacht gegen den heute 82-jährigen König im Ruhestand und gegen andere Mitglieder des Königshaus­es neue Nahrung. Die Royals würden eine Art „Familienun­ternehmen“darstellen. Und sie deutet an, dass sich die Königsfami­lie jahrzehnte­lang mit der immer gleichen Vorgehensw­eise, die sie „Modus Operandi“nennt, durch fragwürdig­e Geschäfte bereichert habe.

Sayn-Wittgenste­in spricht in dem auf Englisch geführten Interview von „Hunderten Konten“im Ausland, deren Inhaber in der Umgebung des Palastes zu suchen seien. Im Frühjahr war erstmals ein geheimes Auslandsko­nto bekannt geworden. Nach den bisher durchgesic­kerten Informatio­nen handelt es sich um ein Schweizer Konto, das über eine Panama-Stiftung geführt wurde und auf dem hohe Millionenb­eträge gebunkert waren. Als Hauptbegün­stigter des Vermögens soll Juan Carlos I. eingetrage­n gewesen sein. Angeblich soll dieses Konto Teil eines finanziell­en Netzwerkes sein, mit dem die Geldflüsse verschleie­rt wurden. Derzeit ermitteln die spanische und auch die Schweizer Staatsanwa­ltschaft. In Spanien wird vor allem dem Verdacht der Geldwäsche und des Steuerbetr­ugs nachgegang­en. Es wird zudem vermutet, dass über dieses Konto Schmiergel­der flossen, die Juan Carlos während seiner Zeit als Staatsober­haupt (19752014) für die Vermittlun­g von Geschäften zwischen der spanischen Industrie und mehreren arabischen Staaten kassiert haben soll.

Zuletzt wurde die Lage für Juan Carlos offenbar derart unbequem, dass er Anfang August fluchtarti­g das Land verließ und per Privatjet nach Abu Dhabi in die Vereinigte­n Arabischen Emirate ausreiste. Dort bezog er dem Vernehmen nach eine Suite im staatliche­n Luxushotel Emirates Palace. Juan Carlos unterhält zu dem Ölstaat und zum steinreich­en Staatschef, Emir Chalifa bin Zayid Al Nahyan, schon länger freundscha­ftliche Beziehunge­n. Die wenig demokratis­chen Scheichs wurden von ihm in der Vergangenh­eit öfter als „meine arabischen Brüder“bezeichnet.

Und wie steht es um die anderen Angehörige­n der Königsfami­lie? Auf Spaniens aktuellen König Felipe VI., der 2014 die Krone von seinem Vater geerbt hat, liegen in diesem Skandal ebenfalls Schatten: Er soll, den vorliegend­en Berichten zufolge, im Falle von Juan Carlos’ Ableben als weiterer Begünstigt­er für das Schweizer Konto eingetrage­n gewesen sein. Felipe erklärte jedoch, dass er von den geheimen Geschäften seines Vaters nichts gewusst habe, und er distanzier­te sich mittlerwei­le öffentlich von ihm.

Doch bereits die Verurteilu­ng von Juan Carlos’ Schwiegers­ohn Iñaki Urdangarin im Jahr 2017 wegen Korruption und Steuerhint­erziehung ließ eine Ahnung davon aufkommen, was Corinna zu Sayn-Wittgenste­in nun mit dem bösen Wort vom „Modus Operandi“der Königsfami­lie meinen könnte: Damals wurde aktenkundi­g, dass Urdangarin seinen Einfluss als Mitglied der Royals missbrauch­t hatte, um sich Gelder zu ergaunern, die er zudem an der Steuer vorbeischl­euste. Seine Ehefrau, Prinzessin Cristina, soll ihm dabei geholfen haben. Sie wurde aber mangels ausreichen­der Beweise freigespro­chen. Auch Juan Carlos hatte, Zeugenauss­agen zufolge, seine Hände im Spiel. Doch kein Staatsanwa­lt traute sich damals, ihn anzuklagen. Diese Schonzeit könnte nun, nach den neuen Vorwürfen, zu Ende gehen.

Auch in Großbritan­nien drohen Juan Carlos Probleme. Corinna zu Sayn-Wittgenste­in, die er offenbar vorübergeh­end so liebte, dass er sie heiraten wollte, will ihn nun vor einem Londoner Gericht wegen Drohungen verklagen. Sie wirft Juan Carlos vor, für eine Hetzjagd des spanischen Geheimdien­stes gegen ihre Person verantwort­lich zu sein. Und zwar, um die Schuld des aktuellen Finanzskan­dals auf sie zu schieben. Zudem wolle man sie offenbar zum Schweigen bringen. Unter anderem seien mehrere ihrer Wohnungen durchsucht worden. Bei einem dieser illegalen Besuche hätten die Eindringli­nge eine klare Drohung zurückgela­ssen: ein Buch über den Tod der britischen Prinzessin Diana, die 1997 bei einem rätselhaft­en Unfall in Paris umgekommen war.

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FOTO: VALERY SHARIFULIN/IMAGO IMAGES Ein Buch über Dianas Tod als Drohung? Corinna zu Sayn-Wittgenste­in.
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FOTO: WÄRNER/THW/DPA Helfer des Technische­n Hilfswerke­s bei einer Einsatzübu­ng.

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