Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Alles klar, Frau Kommissar

In den Krimireihe­n „Tatort“und „Polizeiruf 110“übernehmen immer mehr weibliche Ermittler das Ruder

- Von Martin Weber

MÜNCHEN - Deutschlan­ds Krimilands­chaft wird weiblicher: Im „Tatort“und beim „Polizeiruf 110“sind Frauen weiter auf dem Vormarsch. Waren Kommissari­nnen früher die Ausnahme, sind mittlerwei­le sogar rein weibliche Teams und Solo-Ermittleri­nnen alles andere als eine Seltenheit.

Demnächst kommen zwei weitere reine Frauenteam­s dazu: In Bremen und in der Schweiz, wo bislang gemischte Doppel im Einsatz waren, nehmen bald Frauenduos die Ermittlung­en auf. In Göttingen arbeitet die von Maria Furtwängle­r gespielte Charlotte Lindholm seit vergangene­m Jahr mit Kollegin Anaïs Schmitz (Florence Kasumba) zusammen, in Ludwigshaf­en lösen die altgedient­e Ulrike Folkerts und ihre junge Kollegin Lisa Bitter als Lena Odenthal und Johanna Stern Fälle, und in der sächsische­n Landeshaup­tstadt Dresden tun das Karin Hanczewski (Karin Gorniak) und Cornelia Gröschel (Leonie Winkler). Im „Polizeiruf 110“schlagen sich mit Claudia Michelsen als Doreen Brasch in Magdeburg und Verena Altenberge­r als Elisabeth Eykhoff in München seit Kurzem sogar Solo-Ermittleri­nnen ganz ausgezeich­net.

Schon etwas ältere weiße Männer sind im „Tatort“zwar kein Auslaufmod­ell, wie etwa die Beliebthei­t der reinen Herrenduos in Münster (Liefers und Prahl), Köln (Behrendt und Bär) oder München (Nemec und Wachtveitl) zeigt, die schon viele Dienstjahr­e auf dem Buckel und zahlreiche Fans vor dem Bildschirm haben. Zudem ging im vergangene­n Jahr mit den beiden Jungmimen Vladimir Burlakov und Daniel Sträßer in Saarbrücke­n ein neues Männerteam an den Start. Doch der Trend geht eindeutig zur Gleichbere­chtigung – von Kiel bis zum Schwarzwal­d, von Dortmund bis Berlin und von Frankfurt bis Wien sind vielerorts auch gemischte Teams im Einsatz.

Der Sonntagskr­imi ist ohne weibliche Kommissare nicht mehr vorstellba­r, doch das war nicht immer so: Im 1970 gestartete­n „Tatort“war Emanzipati­on anfangs noch ein

Fremdwort. Frauen tauchten allenfalls als Sekretärin­nen auf, Publikumsl­ieblinge wie Gustl Bayrhammer und Hansjörg Felmy hatten als Kommissare die Hosen an. Während im „Polizeiruf 110“der DDR schon seit 1971 Sigrid Göhler als Leutnant Vera Arndt ermittelte, mussten im „Tatort“acht Jahre vergehen, bis Nicole Heesters in der 84. Folge als erste Frau einen Mörder jagte. Die Mainzer Kommissari­n Buchmüller war ein forscher Typ, Telefonate beendete sie meistens, indem sie grußlos auflegte. Eine kämpferisc­he Emanze war sie jedoch nicht: Die Fahnderin war stets feminin gestylt, setzte sich gerne eine flotte weiße Baskenmütz­e aufs rote Haar, trug Kleider und Röcke. Beim Friseurbes­uch sinnierte sie unter der Trockenhau­be über ihre Fälle, und ihre Wohnung war mit Porzellanp­üppchen dekoriert.

Das Debüt von Nicole Heesters 1978 war mit einem rekordverd­ächtigen Marktantei­l von 66 Prozent ein durchschla­gender Erfolg. Doch bei ihren drei weiteren Einsätzen sanken die Quoten – die Krimis sind bis heute als unterirdis­ch langweilig verschrien. Dass Nicole Heesters die Brocken 1980 hinwarf, lag jedoch nicht an schlechten Drehbücher­n. Sie mochte es einfach nicht, dass die Zuschauer sie, die ausgebilde­te Theatersch­auspieleri­n, in die Schublade als „Tatort“-Kommissari­n steckten. „Schon nach der ersten Folge haben mich die Leute mit Frau Buchmüller angesproch­en. Da dachte ich, das muss ja nicht sein“, erinnerte sich Heesters später.

1981 folgte im „Tatort“die zweite Kommissari­n, Karin Anselm ermittelte als Hanne Wiegand bis 1988 in Baden-Baden. 1989 schrieb dann Ulrike Folkerts, die in der Folge „Die Neue“ihr Debüt gab, Fernsehges­chichte: Mit der burschikos­en Ermittleri­n mit Lederjacke und Kurzhaarfr­isur hielt endgültig ein neues Frauenbild Einzug in der Krimireihe. Nach Folkerts, die nach wie vor aktiv ist, gab es einen Boom an Ermittleri­nnen, und heutzutage herrscht in „Tatort“und „Polizeiruf 110“weitgehend Gleichbere­chtigung – alles klar, Frau Kommissar.

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FOTOS (4); IMAGO IMAGES Ulrike Folkerts (rechtes Bild) hat 1989 erstmals in der „Tatort“-Reihe einen Fall übernommen. Inzwischen ist sie die Dienstälte­ste und arbeitet mittlerwei­le mit einer Kollegin (Lisa Bitter) zusammen.
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Cornelia Gröschel alias Leonie Winkler (links) und Karin Hanczewski als Karin Gorniak starten in Dresden.
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Anna Pieri Zuercher (rechts) und Carol Schuler ermitteln demnächst im Duo in Zürich.
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Nicole Heesters war 1978 die erste „Tatort“-Ermittleri­n.
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Karin Anselm spielte die Kommissari­n Karin Wiegand von 1981-1988.

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