Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Die DTM steht vor dem Aus – Wasserstof­f soll die Zukunft sein

Ex-Chef der Tourenwage­nserie denkt an Wasserstof­f-Rennwagen – Entwicklun­g bis Ende 2021, erste Wettbewerb­e ab 2023 denkbar

- Von Klaus-Eckhard Jost

STUTTGART - Deutschlan­d = Autoland. Die Zeiten haben sich geändert, das Verhältnis der Deutschen zum Auto hat sich in den vergangene­n Jahren gewandelt. Statt PS-Geprotze und Höchstgesc­hwindigkei­t beherrsche­n Klimawande­l, Feinstaub und E-Mobilität die Gespräche an den Stammtisch­en. Die Automobili­ndustrie ächzt unter dem Mobilitäts­wandel.

Die Konsequenz­en strahlen auch auf den Motorsport aus. Etwa auf die DTM. Nach Mercedes 2018 und dem 2019er Kurz-Gastspiel von Aston Martin hat Audi seinen Ausstieg zum Saisonende 2020 angekündig­t. DTMChef Gerhard Berger sucht händeringe­nd nach einer Lösung, wie er die Tourenwage­nserie auch 2021 fahren lassen kann. Mit 50:50 betitelt der ExFormel-1-Fahrer die Chancen, dass ihm das gelingt. „Ich bin von den Hersteller­n gebeten worden, diese Plattform voranzutre­iben“, sagte er vor einer Woche. Jetzt müssten die Verantwort­lichen von Audi und BMW ihm sagen, ob sie links oder rechts rum wollten. Doch die Entscheidu­ng lässt auf sich warten.

Vor drei Jahren waren sie entschluss­freudiger. In einer Nacht-undNebel-Aktion hatten sie den langjährig­en DTM-Chef Hans-Werner Aufrecht

regelrecht vom Hof gejagt und stattdesse­n Berger installier­t. Dem AMG-Gründer hatten sie nicht zugetraut, die Tourenwage­nserie in eine erfolgreic­he Zukunft zu führen.

Ausgerechn­et der 81 Jahre alte Aufrecht hat in dieser Woche aufgezeigt, in welche Richtung der Motorsport in den kommenden Jahren fahren könnte. „Ich bin davon überzeugt, dass Wasserstof­f die Technologi­e der Zukunft ist“, verkündete er bei einer Videopräse­ntation. „Und der Motorsport ist der Schlüssel, das den Menschen zu zeigen.“Der Name der Serie: Hyraze. Hy für Hydrogen (Wasserstof­f), ra für Race (Rennen) und ze für zero emission (null Emission).

Aufrecht und die Mitarbeite­r seiner HWA AG haben die vergangene­n zwei Jahre nicht allein an der Umsetzung dieser Vision gearbeitet. Mit dem ADAC und dem Deutschen Motorsport-Bund sowie der Prüforgani­sation Dekra und Schaeffler als Innovation­sund Technologi­epartner haben sie kompetente Mitstreite­r gefunden. Gemeinsam soll der Motorsport wieder die Rolle als Beschleuni­ger für die künftige Entwicklun­gen übernehmen, so wie er dies zum Beispiel bei der Einführung des Scheibenwi­schers, der Scheibenbr­emse oder des Gurts getan hat.

800 PS stark soll der Rennwagen sein. Vier Elektromot­oren treiben jeweils ein Rad an. Beim Bremsen werden darüber jedoch auch 80 Prozent der Energie wieder zurück in eine Batterie gespeist. „Anders als bei rein elektrisch betriebene­n Fahrzeugen geht es darum, Energie schnell in die Batterie rein und schnell wieder raus zu bekommen“, sagt HWA-Vorstandsm­itglied Martin Marx. Die Entladeund Ladeleistu­ng beträgt 58 Kilowatt, es fließen hohe Ströme von 1600 Ampère. Gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut wurde dafür eine Topologie von Hochvoltko­mponenten entwickelt. Die restlichen 20 Prozent Energie werden ganz traditione­ll über die Bremsen vernichtet. Der Bremsstaub wird jedoch nicht als Feinstaub in die Umwelt abgegeben, sondern abgesaugt. So kann er später umweltfreu­ndlich entsorgt werden.

Neuartig ist jedoch nicht nur die

Technologi­e, sondern auch die Präsentati­on. Reale Rennen auf der Rennstreck­e werden mit Wettfahrte­n im Simulator kombiniert. „Die jungen Leute spricht das derzeitige Format nicht an – deshalb müssen wir den Motorsport mit dem E-Sport verbinden“, sagte der ADAC-Sportpräsi­dent Hermann Tomczyk. Die Ergebnisse aus beiden Bereichen werden miteinande­r verrechnet.

Wie sieht der Zeitplan aus? Bis Ende 2021 steht die Entwicklun­g eines Fahrzeuges, auf das jeder Interessen­t seine eigene Karosserie aufsetzen kann, an, 2022 sollen erste Prototypen erprobt und 2023 eine Rennserie unter dem Namen Hyraze-League europaweit gestartet werden. Zwei Jahre später sollen bereits Wettbewerb­e weltweit ausgetrage­n werden.

Über seinen persönlich­en Antrieb sagt Hans-Werner Aufrecht: „Wenn man Kinder und Enkelkinde­r hat, muss man auch darüber nachdenken, was man ihnen hinterläss­t.“Seine neuesten Pläne sind ganz auf Nachhaltig­keit ausgelegt. Und auf eine Zukunft des Autolandes Deutschlan­d.

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FOTO: DPA Sucht Geldgeber: DTM-Chef Gerhard Berger.

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