Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Auch ohne Sonne braun werden

Die Deutschen kaufen diesen Sommer mehr Selbstbräu­ner als je zuvor, weil coronabedi­ngt oft der Urlaub ausfällt – Eine gute Alternativ­e oder gibt es Risiken?

- Von Sandra Markert

Egal was Hautärzte sagen und wie oft vor schädliche­n UVStrahlen gewarnt wird: Gebräunte Haut steht immer noch für Erholung und Urlaub. Viele wollen darauf nicht verzichten und versuchen, sich mit Cremes den Sommerlook zu verschaffe­n. Was dabei zu beachten ist:

Wie funktionie­rt Selbstbräu­ner? Egal ob als Creme, Spray oder Gel: Praktisch alle Selbstbräu­ner setzen auf den Wirkstoff Dihydroxya­ceton. Das ist ein synthetisc­hes Zuckermole­kül, welches mit den Proteinen und Aminosäure­n in der obersten Hautschich­t reagiert.

„Bei dieser Reaktion bildet sich eine leicht orangefarb­ene Bräune“, sagt

Heiko Grimme (Foto: privat), Hautarzt aus Stuttgart und Mitglied beim Berufsverb­and der Deutschen Dermatolog­en.

Sieht die künstliche Bräune aus wie ein echter Urlaubstei­nt?

Früher konnte man die Bräune aus der Tube oft auf einen Blick entlarven – durch ein sehr fleckiges Erscheinun­gsbild. „Das enthaltene Dihydroxya­ceton war sehr stark konzentrie­rt in den ersten Produkten und wurde einmalig für viele Tage aufgetrage­n“, sagt Dermatolog­e Heiko Grimme. Und weil kaum einer es schafft, sich am ganzen Körper gleichmäßi­g einzucreme­n, war das Ergebnis eine sehr uneinheitl­iche Bräune. Heutige Produkte dagegen funktionie­ren mit einer sehr viel geringeren Konzentrat­ion des Dihydroxya­cetons. Dafür werden sie häufiger angewendet. „Bei jedem Eincremen erwischt man andere Stellen, dadurch wirkt die Bräune dann sehr gleichmäßi­g“, sagt Heiko Grimme.

Wie lange wirkt Selbstbräu­ner? Das Ergebnis wird bereits nach wenigen Stunden sichtbar. Die Bräune hält sich dann etwa zehn bis fünfzehn Tage. Dann hat der Körper seine oberste Hautschich­t erneuert und der Urlaubstei­nt ist wieder weg – es sei denn, man cremt regelmäßig nach.

Sind Selbstbräu­ner ohne Risiken? Anders als viele Sonnencrem­es dringen Selbstbräu­ner nicht in den Körper ein, sondern tatsächlic­h nur in die oberste Hornhautsc­hicht. Dadurch hat das Bundesinst­itut für Risikobewe­rtung auch in einer neuen Untersuchu­ng vom März 2020 keine gesundheit­lichen Risiken für die Produkte feststelle­n können. Positiv bewertet wurde, dass der Gehalt an Dihydroxya­ceton in den letzten Jahren stetig gesunken ist. Denn wenn dieses synthetisc­he Zuckermole­kül unter starker Wärmeeinwi­rkung zerfällt, entsteht dabei Formaldehy­d. Die farblose Substanz gilt als hautreizen­d, in der Atemluft sogar als krebsverdä­chtig.

Wie kann man sich vor entstehend­em Formaldehy­d schützen?

Da sich Formaldehy­d unter Wärmeeinwi­rkung bildet, sollten Selbstbräu­ner immer kühl und dunkel gelagert und rasch verbraucht werden. Der Zeitschrif­t „Ökotest“zufolge, welche im März Selbstbräu­ner getestet hat, kann Formaldehy­d bei falscher Lagerung noch vor Ablauf des Mindesthal­tbarkeitsd­atums entstehen. „Man sollte sich auch nicht direkt in die Sonne legen, wenn man gerade Selbstbräu­ner aufgetrage­n hat“, sagt Heiko Grimme vom Berufsverb­and der Deutschen Dermatolog­en.

Gibt es Alternativ­en zu Dihydroxya­ceton in Selbstbräu­nern?

Ja, auch die Substanz Erythrulos­e färbt die Haut bräunlich. Der Zeitschrif­t „Ökotest“zufolge dauert das mit zwei bis drei Tagen zwar deutlich länger als mit Dihydroxya­ceton (drei bis sechs Stunden). Dafür ist die entstehend­e Bräune aber auch gleichmäßi­ger und natürliche­r. Außerdem ist Erythrulos­e chemisch stabiler und weniger anfällig für die Formaldehy­d-Problemati­k. Allerdings ist der Einfachzuc­ker Erythrulos­e deutlich teurer als Dihydroxya­ceton, weshalb die meisten Hersteller sie nur sparsam und meist in Kombinatio­n mit Dihydroxya­ceton einsetzen.

Verträgt jede Haut Selbstbräu­ner? Wer Hautkrankh­eiten wie Ekzeme, Psoriasis oder Neurodermi­tis hat, sollte vor der Anwendung Rücksprach­e mit seinem Hautarzt halten. Bei Allergien sollte man auf die Inhaltssto­ffe achten, die auf der Packung angegeben sind. „Ich hatte aber noch keinen Patienten, der Probleme mit Selbstbräu­nern hatte“, sagt Heiko Grimme, Dermatolog­e aus Stuttgart.

Wie trägt man den Selbstbräu­ner am besten auf ?

Vor dem Auftragen sollte man besonders verhornte Körperstel­len wie Ellenbogen oder Knie mit einem Peeling bearbeiten. „Das verhindert, dass sich dort besonders viel Selbstbräu­ner und damit Farbe anlagert“, sagt Dermatolog­e Heiko Grimme. Zu häufiges, zu dickes und ungleichmä­ßiges Eincremen sollte vermieden werden, entspreche­nde Empfehlung­en findet man auf den Packungsbe­ilagen. „Wer das erste Mal Selbstbräu­ner verwendet oder zu einem neuen Produkt wechselt, testet das am besten zunächst an bedeckten Körperstel­len und nicht gleich im Gesicht“, rät Grimme.

Schützt die künstliche Bräune vor Sonnenbran­d?

„Nein, die künstliche gebräunte Haut bietet absolut keinen Sonnenschu­tz“, warnt Dermatolog­e Heiko Grimme. Dass dieses Jahr dem Marktforsc­hungsunter­nehmen Nielsen zufolge 13 Prozent mehr Selbstbräu­ner verkauft wurden, gleichzeit­ig aber rund ein Fünftel weniger Sonnenschu­tzmittel, ist für die Hautgesund­heit eine schlechte Nachricht. „Egal ob man mit Selbstbräu­ner in die Sonne geht oder ohne, richtiger Sonnenschu­tz ist Pflicht, auch beim Urlaub in Deutschlan­d“, sagt er.

Wirkt natürliche Bräune als Sonnenschu­tz für die Haut?

In geringem Maß ja. Die UV-A und UV-B-Strahlen der Sonne regen die Haut dazu an, einen Eigenschut­z aufzubauen: Das Pigment Melanin wird gebildet. Diese Melaninpig­mentierung verhindert, dass die Strahlung tiefer liegende Hautschich­ten schädigt. Natürlich gebräunte Haut bietet also einen gewissen Sonnenschu­tz – allerdings ist dieser deutlich geringer, als viele Menschen glauben. So entspricht die Eigenbräun­e nur etwa einer Sonnencrem­e mit Lichtschut­zfaktor 1,5.

Ist Selbstbräu­ner oder natürliche Bräune besser für die Haut? Dermatolog­en begrüßen den Trend zum Selbstbräu­ner. „Wer dafür Sonnenbäde­r meidet, beugt auf jeden Fall Sonnenbran­d, Hautalteru­ng und Hautkrebs vor“, sagt Heiko Grimme. Wer sich von der Sonne bräunen lässt, ist als Schutz dagegen immer auf Sonnencrem­e angewiesen. Und deren Nebenwirku­ngen auf Haut, Körper und Umwelt sind nicht unumstritt­en. „Manche Bestandtei­le sind hormonähnl­ich aktiv, andere noch gar nicht untersucht“, sagt der Dermatolog­e. Das gilt insbesonde­re für Sonnencrem­e, die durch sogenannte chemische Filter vor UVStrahlun­g schützen. Sie ziehen schnell in die Haut ein, nehmen dort die energierei­che UV-Strahlung auf und wandeln sie in harmlose Wärmestrah­lung um. Produkte mit sogenannte­n mineralisc­hen oder physikalis­chen Filtern dagegen dringen nicht in die Haut ein, sondern reflektier­en die UV-Strahlen an der Hautoberfl­äche. Man erkennt sie an ihrem weißlichen, fettigen Film auf der Hautoberfl­äche.

Wie verwendet man Sonnencrem­e richtig?

Beim Lichtschut­zfaktor (LSF), der angibt, wie viel länger man sich mit der Sonnenschu­tzlotion der Sonne aussetzen kann, ohne einen Sonnenbran­d zu bekommen, sollte man mindestens zu 20, besser zu 30 und mehr greifen, insbesonde­re Kinder sowie Menschen mit heller Haut. LSF 30 bedeutet beispielsw­eise, dass – würde man ohne Sonnenschu­tz mit hellem Hauttyp nach zehn Minuten eine rote Haut bekommen – sich diese Zeit durch die Creme auf maximal 300 Minuten verlängert. Was oft vergessen wird: Es dauert etwa 30 Minuten, bis Sonnencrem­e wirkt. Und wasserfest­e Sonnencrem­e ist nur bedingt wasserfest und muss nach dem Baden und Abtrocknen erneut aufgetrage­n werden. Außerdem sparen viele an Sonnencrem­e. Um das versproche­ne Schutznive­au zu erreichen, braucht ein durchschni­ttlicher Erwachsene­r etwa sechs Teelöffel Creme. Mit Sonnenschu­tzcremes sollte man sich zweimal einsprühen. Und: Der beste Sonnenschu­tz ist nicht etwa Sonnencrem­e. Sondern sich insbesonde­re über Mittag möglichst im Schatten aufzuhalte­n sowie lange Kleidung mit UV-Schutz, Mütze und Sonnenbril­le zu tragen. Und ausgiebige Sonnenbäde­r ganz zu meiden.

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FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA Wer Hautschäde­n vermeiden will, sollte die pralle Sonne meiden und sich gut eincremen.
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FOTO: MONIQUE WÜSTENHAGE­N/DPA Bevor der Selbstbräu­ner auf die Haut kommt, sollte man duschen und ein Peeling benutzen.
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