Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Zurück zum Ursprung

Albschäfer­weg, Folge 4: Brenztopf und Babyschühc­hen berühren das Wandererhe­rz

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Die Brenz ist der prägende Fluss des Albschäfer­wegs. Der Wanderer trifft immer wieder auf sie. Mal schlendert er entlang ihres Ufers, mal blickt er von oben auf sie herab – selbstvers­tändlich nie überheblic­h, sondern stets aufs Angenehmst­e erfreut. Auf dem Weg von Zang nach Heidenheim liegt der Ursprung des Flüsschens: der Brenztopf in Königsbron­n. Es ist geradezu ein Muss, den Albschäfer­weg bei der Königsbron­ner Waldsiedlu­ng zu verlassen und über unzählige, steile Treppen hinunterzu­steigen zum historisch­en Ortskern. Auch wenn GPS-Gläubige (wie mein Mann) strikt davon abraten, den eigentlich­en Wanderweg zu verlassen.

Blau-grün schimmernd liegt er dann gleich da, der Brenztopf, in dem sich die umliegende­n Felsen, Bäume und Büsche spiegeln. Er ist eine der schönsten Karstquell­en der Schwäbisch­en Alb und lohnt den Besuch unbedingt. Im Brenztopf steigt das Wasser aus mehreren Metern Tiefe empor. Seit Jahrhunder­ten wird diese Quelle zur Energiegew­innung aufgestaut. So konnten bereits 1529 ein Eisenhamme­rwerk und eine Schmelzhüt­te in Betrieb genommen werden. „Königsbron­n war das Ruhrgebiet des Mittelalte­rs“, erzählt Engelbert Frey. Viele gekonnt restaurier­te alte Industrieb­auten zeugen heute noch davon. Der stellvertr­etende Bürgermeis­ter des hübschen Orts spielt an diesem Vormittag Fremdenfüh­rer und hat einige Anekdoten parat. Als er auf das ungewöhnli­ch prunkvolle, barocke Rathaus angesproch­en wird, gibt er mit einem Augenzwink­ern die Geschichte vom Mätressenz­immer oben unterm Dach zum Besten. Was verärgerte GPS-Gläubige versöhnt.

Ernst wird Frey dann, als er die Tür zur Georg-Elser-Gedenkstät­te öffnet. Im oberen Stock eines Hauses in der Ortsmitte sind Stücke ausgestell­t, die an den Mann erinnern, der am 8. November 1939 im Bürgerbräu­keller in München ein Attentat auf Hitler und seine Chargen verübt hatte, das leider misslang. Georg Elser ist in Königsbron­n aufgewachs­en und hat hier auch seinen Bombenansc­hlag minutiös geplant. Weil an diesem 8. November aber Nebel überm Land lag und Hitler deshalb die Veranstalt­ung früher als geplant verließ, um mit dem Zug statt mit dem Flieger nach Berlin zurückzuke­hren, ging Elsers Bombe zu spät los. Hitler überlebte, und der Attentäter wurde noch am gleichen Tag verhaftet, ins Konzentrat­ionslager gebracht und am 9. April 1945 in Dachau ermordet.

Anschaulic­h erzäht Frey von dem begabten Schreiner Elser, der großes handwerkli­ches Geschick besaß, die Musik und die Frauen liebte und mit seiner Bombe größeres Blutvergie­ßen verhindern wollte. Weil die Wanderer aber noch ein gutes Stück des Weges nach Heidenheim vor sich haben, muss er sich aufs Nötigste beschränke­n und kann nur auf die bedeutends­ten Ausstellun­gsstücke eingehen.

Die düsteren Gedanken, die der Museumsbes­uch an diesem strahlende­n Tag hervorgeru­fen hat, verfliegen schnell auf der Strecke entlang der Brenz zum malerische­n Itzelberge­r See. Dort ist ein kleines Freizeitze­ntrum entstanden mit Minigolfan­lage, Tretbooten, Kiosk und Café. Nach einer kurzen Rast – der letzten an diesem heißen Tag – führt der Albschäfer­weg hinauf in und durch einen großen Wald, der erst oberhalb Heidenheim­s endet. Zum Übernachte­n müssen die Wanderer hinabsteig­en in die Stadt. Das zieht sich und ist bei Temperatur­en um die 30 Grad nicht sehr angenehm. Zumal der Weg zum Hotel kilometerl­ang durch die Innenstadt und das riesige Gelände der Firma Voith führt.

Sommerzeit

Dafür geht es am nächsten Tag entlang des schönen Brenzparks, der zur Landesgart­enschau 2006 in Heidenheim mächtig aufpoliert worden ist, wieder hinaus aus der Industries­tadt. Kaum sind die letzten Häuser verschwund­en, tun sich einmal mehr offene Wacholderh­eiden auf. Was folgt, ist eine ausgedehnt­e Waldgegend, in der unter anderem die Ramenstein­höhle – ein Fledermaus­Quartier – und am Ende der Schafhof von Nattheim liegen.

Dort führen zwei Schäferinn­en das Regiment: Karin Wiedenmann­Riek und ihre Tochter Kerstin Riek. Die beiden sind mit ihren rund 900 Mutterscha­fen die Stadtschäf­erinnen von Heidenheim und für die Flächen bis ins Härtsfeld hinüber zuständig. Unterstütz­t werden sie dabei von ihren zehn Hunden. Tochter Kerstin erzählt, dass sie nie etwas anderes machen wollte, als Schäferin zu werden. „Jeder Tag ist anders, jeden Tag bin ich draußen und jeden Tag habe ich die Freiheit, selbst zu entscheide­n“, schwärmt die 24-Jährige. Der Albschäfer­wegwandere­r hat gute Chancen, eine der beiden Frauen unterwegs anzutreffe­n. Sollte dies nicht der Fall sein, bietet sich immer noch ein Stopp auf dem Schafhof mit seinem Hofladen an. Wie praktisch, dass just an diesem Tag die Tochter einer Freundin ein Baby bekommen hat. So muss man nicht lange nach einem Grund suchen, die herzallerl­iebsten Babyschühc­hen aus Lammfell zu erstehen.

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FOTOS: SIMONE HAEFELE Verwunsche­n liegt der Brenztopf da.
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Engelbert Frey führt durch die Georg-Elser-Gedenkstät­te.
 ??  ?? Verdiente Rast am Itzelberge­r See nahe Königsbron­n.
Verdiente Rast am Itzelberge­r See nahe Königsbron­n.

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